Die Achse der Autokraten - Anne Applebaum

  • Eine Welt, in der Autokratien kooperieren, um sich an der Macht zu halten, für ihr System zu werben und Demokratien zu schaden, ist keine ferne Dystopie. Es ist die Welt, in der wir heute leben. (Seite 126)



    206 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag

    Originaltitel: Autocrazy, Inc.

    Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer

    Verlag: Siedler Verlag, München 2024

    ISBN-10: 3-8275-0176-8

    ISBN-13: 978-3-8275-0176-9



    Zum Inhalt (Verlagsangabe)


    Autokratische Herrschaft besteht im 21. Jahrhundert nicht länger nur aus einem Tyrannen an der Spitze, der mit Gewalt sein Volk unterdrückt: Heute werden Autokratien durch ausgeklügelte Netzwerke geführt, es hat sich eine neue internationale autokratische Allianz gebildet, wie Bestsellerautorin Anne Applebaum in ihrem neuen Buch zeigt.

    Von China bis Weißrussland, von Syrien bis Russland unterstützen sich Autokraten von heute gegenseitig mit Ressourcen und Equipment made in Iran, Myanmar oder Venezuela: von Propaganda-Trollfarmen und Bots über Investitionsmöglichkeiten für ihre korrupten Staatsunternehmen bis hin zum Austausch modernster Überwachungstechnologien.

    Applebaum offenbart, wie die Diktatoren der Welt hinter den Kulissen zusammenarbeiten und sich mit aggressiven Taktiken gegenseitig Sicherheit und Straffreiheit verschaffen. Und sie macht deutlich, wie diese autokratische Allianz unsere Demokratie untergräbt.



    Über die Autorin


    Anne Applebaum wurde 1964 in Washington/D.C. geboren; sie hat Geschichte, Literatur und Internationale Beziehungen studiert. Sie hat für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften geschrieben und für ihre Sachbücher eine Reihe von Auszeichnungen erhalten, u. a. den Pulitzerpreis.

    Sie ist seit 1992 mit dem polnischen Politiker Radosław Sikorski verheiratet, der von 2007 bis 2014 und seit 2023 wieder polnischer Außenminister ist.

    2024 erhielt sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.


    Informationen im Internet:

    - Die Seite zum Buch beim Verlag (mit Leseprobe)

    - Der Wikipedia-Artikel zur Autorin



    Meine Meinung


    Es ist ein paar Tage her, daß ich das Buch ausgelesen habe. Wie selten ein anderes hat es mir die Sprache verschlagen und mich sprachlos zurück gelassen. Sprachlos vor Wut, sprachlos vor Entsetzen, sprachlos vor Hilflosigkeit, sprachlos vor Unverständnis, sprachlos schließlich vor fast schon finaler Resignation.


    Denn was die Autorin in diesem Buch - leider - überzeugend beschreibt, ist keine Dystopie, ist keine Science Fiction, sondern die brutale harte Wirklichkeit der heutigen Welt. Und auch, wenn die Autorin ihr Buch mit der Hoffnung, daß freiheitliche Gesellschaften zu retten sind, beschließt, sehe ich nicht, wie das geschehen sollte, nachdem nun auch die USA unter Donald Trump offensichtlich in das Lager der Autokraten übergewechselt haben.


    Spätestens am 24. Februar 2022, dem Tag, an dem Russland unter Wladimir Putin einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, war die bis dato gültige Nachkriegsordnung obsolet. Putin „wollte der Welt auch zeigen, dass die alten Regeln des internationalen Zusammenlebens keine Gültigkeit mehr besitzen.“ (Vgl. S. 20f) Oder, wie es der russische Außenminister ausdrückte, „Es geht nicht um die Ukraine, sondern um die Weltordnung.“ (S. 21)


    Mit dem Umstürzen der bisherigen, regelbasierten Ordnung war - und ist - Russland nicht alleine. China ist hier natürlich zu nennen, der Iran, Nordkorea, Venezuela und etliche weitere Länder auch. Wenn man die Nachrichten verfolgt, so stellt sich derzeit beispielsweise die Türkei auch nicht gerade als Hort der Demokratie heraus, wenn der Amtsinhaber versucht, jeden möglichen Rivalen vor einer Wahl mit aller Macht, die ein Staat zur Verfügung (zu seiner persönlichen Verfügung?!) hat auszuschalten.


    Und nun also auch die USA.


    In gut lesbarer Sprache beschreibt die Autorin die Methoden, die diese „autokratischen Kleptokratien“ anwenden, um selbst zu überleben und dem Führungspersonal immer mehr Macht und vor allem Reichtum zu bescheren. Deprimierend wird es, wenn sie darstellt, wie erfolgreich diese Staaten sind, ihre Ideologie in die immer weniger werdenden Demokratien hinein zu verbreiten. Es hat mich fasungslos gemacht, wie dumm und - ich kann den Ausdruck nicht vermeiden - geistig minderbemittelt hierzulande (und auch in anderen Ländern) Politiker, sogenannte „Eliten“ und vor allem aber auch das „normale Volk“ sind, um auf die Propaganda der Autokratenstaaten hereinzufallen. Diese verstehen es vortrefflich, die Klaviatur der sogenannten „sozialen Medien“ zu spielen und damit ihre Ideen zu verbreiten, die sie im hellsten Licht darstellen, wobei sie gleichzeitig äußerst geschickt alles, was ihnen nicht in den Kram paßt (etwa Freiheit oder Individualität, die Opposition) verunglimpfen. Die Techkonzerne spielen dieses Spiel übrigens fröhlich mit, weil es ihnen Klicks und damit Werbeeinnahmen bringt. Und schon seit den Zeiten des alten Rom ist bekannt, daß Geld nicht stinkt.


    Wie gefährlich diese Plattformen für die freiheitliche Welt geworden sind, beschreibt die Autorin ausführlich auf Seiten 169ff, desgleichen, wie dies den extremen Rechten zugute kommt. Die Folgen kann man täglich sehen, wie auch die letzte Bundestagswahl gezeigt hat.


    Noch ist es nicht zu spät, die Entwicklung hin zu noch mehr autokratischen Staaten aufzuhalten. Die Frage ist, ob die Menschen in den freiheitlichen Gesellschaften dies wollen. Denn das würde bedeuten, sich die Mühe zu machen, die Gesellschaft zu retten (vgl. S. 180). An diesem Punkt habe ich resigniert.



    Mein Fazit


    Eine aufrüttelnde Darstellung der Gefahr, die von autokratisch regierten Staaten für freiheitliche Gesellschaften ausgeht. Absolut und unbedingt lesenswert.



    ASIN/ISBN: 3827501768

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")