Elbnächte. Die Lichter über St. Pauli - Henrike Engel

  • Fantastische Mischung aus Historischem Roman und Krimi

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    Elbnächte. Die Lichter über St Pauli ist der Auftakt einer neuen Reihe der deutschen Autorin Henrike Engel. Ich entdeckte das Buch im NetGalley Newsletter. Sowohl das Cover als auch die Inhaltsangabe sprachen mich an und ich freute mich sehr, das eBook als Rezensionsexemplar lesen zu können.


    Louise versteht die Welt nicht mehr. Ihr Mann Viktor hat sie allein in ihrem Hamburger Luxushotel gelassen und kurze Zeit später erreicht sie die Nachricht, dass er bei einem Duell gestorben wäre. Plötzlich steht sie komplett mittellos da und bei den wenigen Menschen, die sie in Hamburg überhaupt kennt, ist ihr Mann hoch verschuldet.


    Ella ist in einem kleinen galizischen Dorf als Älteste von 11 Geschwistern in großer Armut aufgewachsen. Im Alter von 17 Jahren wurde sie von ihren Eltern an Mädchenhändler verkauft und von diesen zur Prostitution gezwungen. Nach sieben Jahren gelingt ihr zusammen mit dem Mops Principessa die Flucht und sie landet in Hamburg.


    Paul ist ein ehemaliger Hamburger Polizist, der seit einem Mordanschlag auf ihn behindert ist, deshalb auch seine geliebte Arbeit und sein vorher glückliches Privatleben verlor. Auf Rache sinnend, ermittelt er auf eigene Faust gegen die gewalttätige Straßenjungenbande, die ihm das angetan hat und deren ominösen Anführer.


    Das Schicksal bringt die drei zusammen und macht sie unabsichtlich zu Komplizen. Plötzlich müssen sie sich nicht nur vor der Polizei in Acht nehmen, sondern auch vor Größen der Hamburger Unterwelt. Wird es ihnen gelingen da unbeschadet herauszukommen und das von ihnen ersehnte neue Leben anzufangen?


    Kaum hatte ich mit diesem Buch begonnen, konnte ich es kaum aus der Hand legen und hätte es am liebsten in einem Rutsch verschlungen. Die mir vom realen Leben aufgezwungenen Lesepausen empfand ich als regelrecht lästig und war immer wieder froh, wenn ich zum Buch zurückkehren konnte. Der Schreibstil ist flüssig, die Sprache einfach aber sehr bildhaft. Alles – egal ob Personen oder Örtlichkeiten – ist so beschrieben, dass ich permanent ein herrliches Kopfkino hatte, während der gesamten Lesezeit keinerlei Längen verspürte und mir auch nichts davon zu viel wurde.


    Erzählt wird die Geschichte in der dritten Person, abwechselnd aus den Perspektiven der drei Hauptfiguren. Diese lernte ich situationsbezogen kennen und obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, wurden sie mir alle sehr schnell sympathisch. Das änderte sich auch nicht, als sie unabsichtlich oder notgedrungen gegen das Gesetz verstießen. Im Gegenteil. Ab diesem Zeitpunkt fieberte ich regelrecht, dass ihre Versuche, unbeschadet davonzukommen, die wirklichen Verbrecher bestraft zu sehen und ein neues Leben zu beginnen, erfolgreich sind.


    Trotz der Tatsache, dass am Ende noch lange nicht alles geklärt ist und den mir lieb gewordenen Protagonisten sicher noch die eine oder andere Gefahr begegnen wird, empfand ich den Ausgang erst einmal versöhnlich und warte nun mit großer Spannung auf den nächsten Teil der Reihe, der im Oktober dieses Jahres erscheinen soll. Für mich war dieses Buch ein großartiges Leseerlebnis. Das machte mir auch große Lust auf mehr Lesestoff aus der Feder der Autorin. Die ersten drei Teile ihrer anderen Reihe – Die Hafenärztin – die ebenfalls in Hamburg spielt, habe ich mir heute spontan gekauft.


    ASIN/ISBN: B0DLNP1DTV

  • Inhalt

    Der erste Band der Reihe „Elbnächte“ schildert das Leben dreier sehr unterschiedlicher Protagonisten, die zufällig aufeinandertreffen, deren Lebenswege dann aber durch einen Kriminalfall miteinander verwoben sind.

    Louise Dumont ist eine junge Frau aus gutbürgerlichem Hause, die gegen den Willen ihrer Eltern geheiratet hat und von ihrem Mann zwei Jahre später in einer prekären Lage zurückgelassen wird. Angeblich ist ihr Mann Viktor ums Leben gekommen, aber es gibt Grund, dies anzuzweifeln. In einer billigen Pension begegnet die fast mittellose Louise der jungen Galizierin Ella Tomaczowa. Diese hat sieben Jahre als Zwangsprostituierte in Lemberg hinter sich, als ihr endlich die Flucht gelingt. Zusammen mit ihrer Mopsdame Principessa will Ella sich in Hamburg ein neues, „anständiges“ Leben aufbauen. Die beiden ungleichen Frauen freunden sich schnell an und versuchen, gemeinsam eine bescheidene Existenz aufzubauen. Als Louise in Viktors Nachlass einen Schuldschein findet, demzufolge er die Hälfte einer Hinterhofkneipe besitzt, sucht sie als rechtmäßige Erbin deren zwielichtigen Betreiber auf und gerät in eine bedrohliche Situation. Als Retter in der Not taucht der ehemalige Polizist Paul Klinker auf, der aufgrund eigener Privatermittlungen die heruntergekommene Bar aufsucht. Paul ist auf der Jagd nach dem Chef einer Jugendbande, die dafür verantwortlich ist, dass er bei einem Mordanschlag seinen linken Arm verloren hat – er wird vom Wunsch nach Rache getrieben.


    Beurteilung

    Zunächst werden die Lebensgeschichten der drei Protagonisten getrennt voneinander vorgestellt, wobei jede dieser Geschichten von Beginn an spannend ist. Die verwöhnte und naive Louise findet sich völlig hilflos, fast ohne Geld, in einer ihr fremden Großstadt wieder und kann von ihrer entfremdeten Familie in Potsdam keine Hilfe erwarten. Ella wiederum stammt aus einfachsten Verhältnissen, ist aber deutlich lebenstüchtiger als Louise. Nachdem sie ihre äußerst spannend geschilderte Flucht aus dem Bordell hinter sich hat, wird sie in Hamburg in ihrer unverwüstlich optimistischen Art zur Stütze von Louise, die sich bei zunehmender Bekanntschaft mit den Realitäten des Lebens allmählich zu einer cleveren und selbstbewussten Frau entwickelt, die sich aus dem Korsett ihrer einengenden gutbürgerlichen Erziehung und der materiellen Abhängigkeit von Anderen befreit.

    Auch der ehemalige Polizist Paul ist eine interessante Figur, er ist nicht nur wegen des Verlusts seines Arms, sondern auch wegen des Verschwindens seines Bruders Michael vor 13 Jahren traumatisiert, sein Lebensmut wird eigentlich nur durch den Wunsch nach Rache befeuert.

    Die Autorin vermittelt ein eindrückliches Bild des Lebens in Hamburg kurz vor dem Ersten Weltkrieg, als die Gesellschaft noch sehr den Traditionen des 19. Jahrhunderts verhaftet ist. Besonders ansprechend ist das Wiedersehen mit einigen Romanfiguren aus der Reihe „Die Hafenärztin“ von Henrike Engel, das dem Leser ein Gefühl des Nachhausekommens beschert.

    Der Erzählstil ist durchgehend sehr anschaulich und spannend, gelegentlich ein wenig zu poetisch.


    Fazit

    Ein spannend unterhaltender Einstieg in eine neue Reihe über das Leben in St.Pauli kurz vor dem Ersten Weltkrieg – sehr empfehlenswerte Lektüre!

    9 Punkte

  • Der Roman hat sehr schnell geschafft, mich zu fesseln, bald vergaß ich alles um mich herum. Ein gutes Zeichen! Auch wenn ich bereits die Tetralogie der „Hafenärztin“ (Vorgängerreihe der Autorin) sehr gern gelesen habe, hätte es hier ja länger dauern können, bis ich sage: "Ja, das ist ein Buch für mich!" Ich mag den lebendigen und einfach unterhaltsamen Schreibstil von Henrike Engel, der schnelle Wechsel der Perspektive gefällt mir sehr gut und auch der Spannungsaufbau.


    Sehr gut gefallen hat mir, wie wir die Hauptpersonen erst einmal in ihrem Leben kennenlernen, uns ein Bild machen und so ging es mir, schnell Anteil am Schicksal nehmen. Bald treffen sie im Buch aufeinander und werden zu einer durch Schicksal hervorgerufenen Zweckgemeinschaft mit Geheimnissen. Ellas Hündchen ist auch nicht nur schmückendes Beiwerk, sie hat ihre gezielten Auftritte und hilft bei der Kontaktaufnahme.


    Anfangs hatte ich gehofft, von Marie, Pauls früherer Verlobten erneut zu lesen und einer zweiten Chance für ihre Liebe. Als ich Paul aber näher kennenlernte, habe ich verstanden, dass Marie für uns gut die Unbekannte bleiben darf. Paul wird noch eine gute Entwicklung machen und natürlich hoffe ich, dass er seine Talente und seine Leidenschaft ausleben darf. Gebt ihm eine Chance!

    Ella und Louise habe ich beide auch sehr gern gemocht und insbes. Ella, die so warmherzig, lebensfroh und anpackend ist, ganz viel Glück. Pauls Mutter gefällt mir auch sehr gut und irgendwie hoffe ich, dass sie auch im nächsten Band eine schöne Handlung erhält.


    Wie Henrike Engel diesem Umschlagtext zustimmen konnte, erschreckt mich. In diesem wird verraten, was acht Seiten vor Ende des Romans passiert. Lange habe ich darauf gewartet, dass „dies passiert“, irgendwann habe ich es vergessen, da mich die Handlung fesselte. Gut so.


    Dieser erste Band der Dilogie endet für mich sehr zufriedenstellend. Er steht für sich und natürlich gibt es wichtige offene Fäden, allerdings kann ich wirklich gut das Jahr bis zum Erscheinen der Fortsetzung abwarten. Ja, ich bin neugierig auf die Weiterentwicklung der Personen, doch ausreichend geduldig, dass eine gute Fortsetzung auch erst einmal in Ruhe geschrieben werden muss.


    Ich war sehr gern mit dem Roman, kurz vor dem ersten Weltkrieg, in Hamburg/ St. Pauli. Das Buch ist einerseits historischer Regionalkrimi und auch ein toller historischer Roman.


    Das Buch ist einerseits historischer Regionalkrimi und auch ein toller historischer Roman. Wem die ersten Bände von Anne Sterns Fräulein Gold-Reihe gefallen haben, der wird auch gern zu Büchern von Henrike Engel greifen.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)