Ingrid Zellner: Höhlenmorde. Kriminalroman, Reutlingen 2025, Oertel + Spörer Verlags-GmbH + Co. KG, ISBN 978-3-96555-191-6, Softcover, 234 Seiten, Format: 19 x 12 x 2 cm, Buch: EUR 13,00, Kindle: EUR 9,99.
„Wie gesagt, Bergmann war offenbar ein Windhund, aber keiner, der seine Frauen schlecht behandelt hat. […] Und jetzt ist jemand ermordet worden, der zur gleichen Zeit in die gleiche Schule gegangen ist wie er. […] Da müssen wir unbedingt ansetzen.“ (Seite 95)
Eigentlich wollte Kriminalkommissar Surendra Sinha (Anfang 40), dem Polizeidienst schon längst den Rücken gekehrt haben – aus persönlichen Gründen. Doch weder ist der in Stuttgart geborene Ermittler zu seiner Familie nach Indien gezogen, noch hat er einen anderen Beruf ergriffen. Er ist lediglich vom Bodensee auf die Schwäbische Alb übergesiedelt, wo er derzeit bei der Kripo Reutlingen einen länger erkrankten Kollegen vertritt. Sobald dieser wieder dienstfähig ist, schwört sich Sinha, ist endgültig Schluss mit dem Ermitteln.
Leichenfund in der Wimsener Höhle
Ja, ja! Schauen wir mal …! Im Augenblick hat er ohnehin kaum Zeit, sich über seine Zukunft Gedanken zu machen: In der Wimsener Höhle ist eine übel zugerichtete männliche Wasserleiche gefunden worden. Der Fährmann, der sie entdeckt hat, ist völlig durch den Wind.
Der Tote ist schnell identifiziert: Es handelt sich um Frederick Bergmann, einen 34jährigen Bankkaufmann aus der Region. Jemand hat ihn brutal gefoltert, ihn in der Nacht in die Höhle geschafft und ins Wasser geworfen. Dort ist er dann ertrunken.
Warum Bergmann das angetan wurde, ist ein Rätsel. Diese Tat war etwas sehr Persönliches, aber der Mann war ein unauffälliger Durchschnittsbürger.
Gut, er hatte anscheinend eine Menge Frauengeschichten und als Jugendlicher hat er mal ein paar Sozialstunden ableisten müssen, aber das ist 20 Jahre her. Die Kripo findet nichts, was diesen Gewaltexzess ausgelöst haben könnte. Und doch …
Liegt das Motiv in der Vergangenheit?
Tage später wird in der Nebelhöhle ein weiteres Mordopfer gefunden: Uli Frey, 34, ein Elektriker aus Kohlstetten. Auch er völlig unauffällig. Doch wie‘s aussieht, haben die Männer einander gekannt. In der Realschule waren sie Klassenkameraden, hatten aber seit der Schulzeit keinen Kontakt mehr.
Es gab, nach Auskunft ihrer damaligen Lehrer, noch einen Dritten im Bunde: Jörn Urbanek, inzwischen Tischler in Engstingen. Der hat sich schon vor Jahren von seinen Kumpels und den gemeinsamen Jugendsünden distanziert.
Zu Schulzeiten waren die drei echt miese Mobber, und das ist noch beschönigend formuliert.
Ob Urbanek als Täter in Frage kommt oder als nächstes Opfer in Lebensgefahr schwebt, ist Kommissar Sinha und seinen Kolleginnen noch nicht ganz klar. Auf jeden Fall sehen sie bei den Höhlenmorden ein Muster,
und das Motiv muss irgendwo in den vergangenen Mobbing-Aktivitäten liegen. Der Verdächtigen sind viele, und wahrscheinlich gibt es noch eine Dunkelziffer. Nicht alle werden ihre Demütigung publik gemacht haben.
War doch alles ganz anders?
Klingt logisch, denkt der Leser. Bis es einen dritten Höhlentoten gibt, der mit der Vergangenheit der Männer überhaupt nichts zu tun hat. Haben die Ermittler sich in etwas verrannt? Liegt das Motiv in Wahrheit ganz woanders …?
Der Fall ist mysteriös und komplex und es gibt mehr Verdächtige, als Surendra Sinha und seine Kollegin Leonie Lexer im Auge behalten können. Mehr Personal steht für diesen Fall leider nicht zur Verfügung. Und ganz bei der Sache ist der Kommissar auch nicht. Ihn treibt die Frage um, wie es für ihn weitergehen soll. Werden sie den Fall trotzdem lösen – bevor es womöglich noch weitere Todesopfer gibt?
Düsterer Fall, lockerer Umgangston
Der Krimi ist zum Glück nicht so düster, wie der Fall es vermuten lässt. Der Umgangston der Polizisten untereinander ist freundschaftlich-humorvoll, ohne jemals unangemessen zu sein. So geht Surendra Sinha auch mit seinem alten Freund und ehemaligen Vorgesetzten Frank Hasemann um, der dafür verantwortlich ist, dass es den indischstämmigen Kommissar vom Bodensee auf die Schwäbische Alb verschlagen hat.
Immer wieder für einen Schmunzler gut ist auch Sinhas Mutter, die nicht müde wird, ihren Sohn mit einer netten Inderin verkuppeln zu wollen. Da sie inzwischen wieder in Indien lebt, kann sie das nur noch telefonisch tun. Als sie noch in Stuttgart gewohnt hat, war ihre übergriffige Fürsorge für den Sohn deutlich nerviger. Jetzt kann er ihre diesbezüglichen Vorstöße mit gutmütigem Spott ertragen.
Abgeschlossene Geschichte, Fortsetzungen denkbar
Zum Verständnis dieses packenden Krimis ist es nicht erforderlich, die vorigen vier Bände der Reihe zu kennen. Es hilft aber, Surendra Sinhas derzeitigen Gemütszustand besser zu verstehen. Wer mit der Gegend vertraut ist, genießt einen gewissen Heimvorteil, wer die Schwäbische Alb mit ihren Höhlen nicht kennt, kann der Handlung trotzdem folgen. Es ist auch nicht nötig, dass man als Leser Schwäbisch versteht, denn die Dialoge werden auf Hochdeutsch wiedergegeben.
Die Geschichte ist in sich abgeschlossen, ermöglicht aber Fortsetzungen, was mich sehr freuen würde. Wir dürfen gespannt sein!
Die Autorin
Ingrid Zellner, geboren 1962 in Dachau. Studium der Theaterwissenschaft, der Neueren deutschen Literatur und der Geschichte in München. 1988 Magisterexamen. Dramaturgin 1990 bis 1994 am Stadttheater Hildesheim und 1996 bis 2008 an der Bayerischen Staatsoper München. Freiberufliche Tätigkeit u.a. als Übersetzerin (Schwedisch) und Autorin sowie als Schauspielerin. Bevorzugte Reiseziele: Skandinavien, die Arktis und Indien. Mitglied bei den Mörderischen Schwestern e.V.
www.facebook.com/ZellnerIngrid
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ASIN/ISBN: 3965551914 |