Alles auf Anfang, Marie - Ursula Schröder

  • Ursula Schröder: Alles auf Anfang, Marie, Kierspe 2012 (?*), Independently published, ISBN 979-8-33349212-8, Softcover, 368 Seiten, Format: 12,7 x 2,13 x 20,32 cm, Buch: EUR 11,99, Kindle: EUR 3,50, auch als Hörbuch erhältlich. *Der Roman ist erstmalig 2012 bei dtv, München, erschienen. Dies ist eine leicht überarbeitete Version.


    „Wissen Sie, jeder hat so seine eigene Methode, um mit dem Leben umzugehen. Ich bin wohl eher der Flüchter. Ich haue einfach ab, wenn es zu schwierig wird […]. Die Frau Nowakowski oben sitzt alles aus. Sie kümmert sich einfach nicht drum und hofft, dass sich die Probleme irgendwie schon lösen. Und Sie sind jemand, der die Dinge anpackt.“ (Seite 163)


    Die Kinder sind aus dem Haus! Und jetzt?


    Irgendwo im Sauerland, in der Gegenwart: Die Hausfrau Marie Overbeck (52) wird eiskalt vom Empty-Nest-Syndrom erwischt: Tochter Lotta lebt schon länger in Hamburg, jetzt zieht auch noch der erwachsene Sohn zur Freundin nach Münster. Ihren Mann Henning, Manager in einem international aufgestellten Unternehmen, bekommt sie kaum zu Gesicht.

    Was soll Marie jetzt den ganzen Tag tun, wenn sie niemanden mehr zum Umsorgen hat? Golf spielen? Sich ein kreatives Hobby suchen? Sich sozial engagieren? Oder wieder arbeiten gehen?


    Nur ein Besuch in der Kita …



    In dieser Kita lernt sie den fünfjährigen Kevin Nowakowski kennen und das Unheil nimmt seinen Lauf. Dem schmuddeligen Kleinen fehlen ein paar Euro für den geplanten Zoobesuch. Marie hat Mitleid und gibt ihm das Geld, unter der Bedingung, dass er sich bei der Scheckübergabe mit den Erwachsenen fotografieren lässt.


    Weiß der Geier, was der Knirps zuhause erzählt hat! Seine Mutter droht jedenfalls aller Welt mit einer Anzeige. (Ha! Als ob! Dazu müsste sie ja ihren Allerwertesten vom Sofa bewegen, was sie ganz bestimmt nicht tun wird. Aber das weiß Marie noch nicht.)


    Ein folgenschwerer Deal


    Um die aufgebrachte Frau zu beschwichtigen, fährt Marie zu ihr und ist entsetzt, wie es da aussieht. Die Nowakowskis – Mutter Nicole und drei, demnächst vier, Kinder – hausen im Dreck.

    Nur zu gerne lässt sie sich auf den Deal ein, dass Marie ihr im Haushalt hilft „bis sie wieder auf dem Damm ist“, und sie dafür auf eine Anzeige verzichtet.


    Ein Fass ohne Boden


    Es dauert eine Weile, bis Marie merkt, dass diese Hilfe ein Fass ohne Boden ist – zeitlich, emotional und finanziell. Aber da hat sie die Kinder schon ins Herz geschlossen und kommt aus der Nummer nicht mehr raus. Als ihr Mann erfährt, was sie sich da ans Bein gebunden hat und dass sie sich obendrein für einen Wiedereinstieg ins Berufsleben interessiert, rastet er gepflegt aus. Im selben Atemzug eröffnet er seiner Frau, dass man ihn nach Zentral-China versetzt hat, wo sie beide künftig leben würden. Ah, ja, schön! So viel zum Thema „gemeinsame Entscheidungen“ und „Kommunikation“.


    Der Haussegen hängt schief



    Marie will nicht mit nach China, basta! Ihre erwachsenen Kinder leben in Deutschland und Kevin und seine Familie brauchen sie ebenfalls. Henning ist deswegen stinksauer.


    Der einzige Mensch, bei dem Marie Dampf ablassen kann, ist Hannes Hoffmeister, der Vermieter der Nowakowskis. Wenn er in seiner Werkstatt arbeitet, kriegt er sehr gut mit, was bei denen läuft. So ist er auch mit Marie in Kontakt gekommen. Immer wieder versucht er, ihr in ihrem eigenen Interesse das Engagement für die Familie auszureden. Was sie tut, ist gut gemeint aber zum Scheitern verurteilt. Sie verausgabt sich dabei, der Haussegen hängt schief, und Nicole liegt wie ein gestrandeter Wal vom Fernseher und lässt Marie für sich springen. Sie wird sich niemals ändern. Warum sollte sie auch? Dank Maries Unterstützung läuft es doch prima für sie!


    Der Fluch der guten Tat


    Marie will das nicht wahrhaben, doch an dem Spruch „keine gute Tat bleibt ungestraft“ ist leider was dran …


    Ganz ohne Hoffnung entlässt uns die Geschichte nicht. Für manche mag der Zug abgefahren sein, aber vielleicht trägt der Kontakt zu Vertrauenspersonen außerhalb der Familie doch beim einen oder anderen Kind zu dessen Resilienz bei.


    Die Heldin lebt, denkt und handelt so anders als ich, dass ich mir das Buch aufgrund des Klappentextes wohl nicht ausgesucht hätte. Es ist mir zugelaufen. Und ich habe schnell kapiert, dass das gar kein düsteres Sozialdrama ist, sondern dass Marie Overbeck das Leben mit einer gesunden Portion Humor angeht und durchaus ein paar böse Spitzen absetzen kann. Schon bei der Szene, als Overbecks in einem öden Vortrag über Schmetterlinge einen Lachflash kriegen, hatten sie mich. :-D Die Namen von Faltern rufen gern mal schräge Assoziationen hervor. (Bücher über Schmetterlinge, Vögel oder Pilze sind sowieso eine Fundgrube für kreative Beschimpfungen!)


    Der Leser schmunzelt mit, wird aber auch nachdenklich, wenn Marie und Vermieter Hannes über das Leben und die Liebe philosophieren. Oder wenn Overbecks nach 25 Jahren ihre Beziehung auf den Prüfstand stellen. Auch wenn das alles gar nicht mein Thema ist – ich habe den Roman gern gelesen und wieder ein bisschen was über Menschen und ihre Probleme gelernt.


    Die Autorin


    Die einen schreiben über die Nordseeküste, die anderen siedeln ihre Geschichten im Süden der Republik an - da wird es doch Zeit, dass auch mal jemand das Leben im Sauerland beschreibt, woll? Hier ist Ursula Schröder geboren und aufgewachsen. Hierhin kehrte sie nach ihrem Studium zurück, um eine Familie zu gründen und in unterschiedlichen Berufen unterwegs zu sein, bis sie sich schließlich als PR-Texterin selbstständig machte.


    Privat engagiert sich Ursula Schröder im Vorstand eines Sozialen Bürgerzentrums, das für Bedürftige in ihrer Heimatstadt verschiedene Hilfsangebote bereitstellt, und in der Organisation der Freikirche, zu der sie gehört. Mehr über sie findet sich auf ihrer Homepage http://www.ursulaschroeder.de, auf http://www.facebook.com/schroederbooks und neuerdings auch als schroeder.ursula bei Instagram.


    ASIN/ISBN: B0DDKVGCRW

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner