Herausgeber : Wagenbach,
1. Edition (17. September 2024)
Sprache : Deutsch
Gebundene Ausgabe : 240 Seiten
ISBN-10 : 380313367X
ISBN-13 : 978-3803133670
Originaltitel : Kalte Füße
Über die Autorin:
Francesca Melandri, geboren in Rom, gehört zu den beliebtesten italienischen Autorinnen der Gegenwart. Melandri hat sich in Italien zunächst als Autorin von Drehbüchern für Kino- und Fernsehfilme einen Namen gemacht. Mit ihrem ersten Roman »Eva schläft« wurde sie auch einem breiten deutschsprachigen Lesepublikum bekannt. Ihr zweiter Roman »Über Meereshöhe« wurde von der italienischen Kritik als Meisterwerk gefeiert. Ihr dritter Roman »Alle, außer mir« wurde 2018 zum Lieblingsbuch des unabhängigen Buchhandels gewählt, erlebte zahlreiche Nachauflagen und stand zehn Wochen lang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.
Übersetzt von Esther Hansen aus dem Italienischen
Kurzbeschreibung:
Ein Militärlazarett in Venedig. Desinfektionsmittel, Fieberschweiß, der unerträgliche Gestank von Wundbrand. Der Sohn liegt im hintersten Bett, er schläft. Die Mutter hebt die Decke am unteren Ende an. Zwei Beine, zwei Füße. Eins, zwei, drei, sie zählt die Zehen – bis zum zehnten. Vorsichtig legt sie die Decke zurück: Endlich kann sie in Ohnmacht fallen. Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der »Rückzug aus Russland« hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt – auch in der Familie von Francesca Melandri. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Es ist vor allem die Ukraine, in der der Vater gewesen ist. Was hat er dort wirklich erlebt, warum war er überhaupt dort?Francesca Melandris »Kalte Füße« ist ein berührendes Zwiegespräch mit einem geliebten Menschen: ein unerschrockenes Buch über das, was der Krieg gestern wie heute in Körpern und Köpfen anrichtet, über das Erzählen als Überlebenskunst – und unsere historische Pflicht angesichts des Angriffs auf die Ukraine, die Stille zum Sprechen zu bringen.
Meine Meinung:
Ich habe das Buch im Rahmen meines Lesekreises gelesen, als wir das Buch ausgelost haben in der Kategorie: Unabhängiger Verlag.
Mir war bekannt, dass es um die Geschichte des Vaters der Autorin ging, doch im Buch wird immer wieder der damalige Russlandfeldzug, in dem der Vater gekämpft hat und der eigentlich in der heutigen Ukraine stattgefunden hat, mit dem aktuellen Ukrainekrieg verglichen.
Die Autorin spricht in ihrem Roman mit ihrem Vater, spricht ihn immer wieder direkt an, obwohl er inzwischen verstorben ist. Sie hat viel von ihrem Vater erfahren über seine Zeit als "Alpini" im 2. Weltkrieg. Wie glücklich er war, als er ein paar Filzschuhe fand, die ihm wichtiger waren als Essen und sonstiges, was sie bei Plünderungen gefunden haben, denn die italienischen Soldaten waren sehr schlecht ausgerüstet. Was er für Glück hatte, als er ein Boot nicht betreten hatte, weil er etwas vergessen hatte und dadurch überlebt hat, während die "Galilea" von einem Torpedo getroffen wird und weniger als 300 von 1200 Alpini überlebten. Sie berichtet von Familienlegenden, in denen Momente des 2. Weltkriegs wie Anekdoten erzählt werden. Und immer wieder zieht sie den Verglich zum heutigen Ukrainekrieg, in denen eben Kinder verschleppt werden, Frauen geschändet und getötet und es "tausende beängstigende Ähnlichkeiten zwischen deinem Krieg und dem Krieg in der Ukraine..." gibt.
Francesca Melandri weiß, dass ihr Vater Faschist war, dass er noch kurz vor Kriegende einen Artikel auf der Titelseite einer italienischen Propagandazeitung veröffentlicht hat, der direkt neben einem von Goebbels abgedruckt wurde. Sie weiß, dass er auf der falschen Seite gekämpft hat. Sie diskutiert mit ihmin diesem Buch Vorfälle und stellt ihm Fragen, die er nicht mehr beantworten kann. Sie fragt sich, wie er wohl die heutigen Bilder des Krieges kommentieren würde.
Es ist eine anstrengende Lektüre, der Stil ist nicht leicht zu lesen und immer wiederkehrende Wiederholungen wie die Erinnerung daran, dass der damailge Russlandfeldzug eben ein Ukrainefeldzug war und dass es die "armen Alpini" waren, die für Italien dort gekämpft haben, gingen mir irgendwann auf den Geist. Es ist aber anstrengend, weil Vorfälle geschildert werden, die den Krieg schonungslos beschreiben. "Kalte Füße" ist definitv ein Appell daran, dass der Krieg das schlimmste ist, was passieren konnte, sie zeigt an Einzelschicksalen auf, welche Schrecken herrschen. Und sie macht immer wieder deutlich, dass der Einsatz ihres Vaters alles andere als eine Heldentat gewesen sein muss.
Übrigens liest es sich nicht wie ein übersetztes Buch, sondern als wäre es auf Deutsch geschrieben.
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ASIN/ISBN: 380313367X |