Kati Naumann - "Fernwehland"

  • Über die Autorin:

    Kati Naumann wurde 1963 in Leipzig geboren. In Sonneberg, im ehemaligen Sperrgebiet im Thüringer Wald, verbrachte sie einen Großteil ihrer Kindheit. Die studierte Museologin schrieb bereits mehrere Romane sowie Songtexte für verschiedene Künstler und das Libretto zu dem Musical Elixier (Musik von Tobias Künzel). Sie verfasste Drehbücher für Kindersendungen und entwickelte mehrere Hörspiel- und Buchreihen für Kinder. Kati Naumann lebt mit ihrer Familie am Stadtrand von Leipzig.


    Kurzbeschreibung:

    Die Astoria ist das älteste seetüchtige Kreuzfahrtschiff der Welt. Seit über siebzig Jahren trägt es die Menschen übers Meer und hat schon unzählige Schicksale bestimmt. Nach einer Kollision mit dem Luxusschiff Andrea Doria wurde es an die DDR verkauft und fortan für Urlaubsreisen eingesetzt. Auf seinen Fahrten bis in die Karibik geraten das Schiff und seine Passagiere auch zwischen die Fronten des Kalten Krieges.


    Die Stewardess Simone und der Matrose Henri haben sich vor vielen Jahren auf diesem Schiff kennengelernt. Heute treten sie noch einmal eine Kreuzfahrt mit der Astoria und damit auch eine Reise in ihre Vergangenheit an. Denn sie begegnen dabei der Schwedin Frida, die als Kind die Schiffstaufe erlebt hat und deren Geschichte ebenfalls ganz eng mit der des Schiffes verbunden ist.


    Meine Rezension

    In ihrem Roman „Fernwehland“ nimmt Kati Naumann uns mit auf eine Seereise auf der Astoria. Dieses Schiff wurde einst auf den Namen Stockholm getauft, lief etliche Jahre unter dem Namen Völkerfreundschaft unter der Flagge der DDR und besaß insgesamt 12 Namen. Damit ist sie das älteste seetüchtige Kreuzfahrtschiff der Welt. Durch die Pandemie wurde sie stillgelegt, ihr weiteres Schicksal steht aktuell noch in den Sternen. Ich hoffe aber, dieses geschichtsträchtige Schiff kann noch einmal zu neuem Leben erweckt werden.


    Henri und Simone, die beiden Hauptprotagonisten arbeiteten zu Zeit der Völkerfreundschaft gemeinsam auf dem Schiff. Er als Matrose, sie als Stewardess. Nun wollen die beiden das Schiff noch einmal erleben, diesmal allerdings als Passagiere. An Bord treffen sie auf Frida, eine betagte Dame, die bereits bei der Schiffstaufe dabei war und später ihre Hochzeitsreise auf der Stockholm machte. Zu ihrer kleinen Gruppe stößt noch die junge Frau Elli. Auch sie hat ihre Gründe, die Reise auf der Astoria zu machen...


    Der Roman wird in zwei Zeitebenen erzählt. In der Vergangenheit erleben wir die Geschichte des Schiffes. Wir begleiten Frida auf ihrer Hochzeitsreise und Henri und Simone auf ihren Reisen durch die weite Welt. Dabei kreuzen sich ihrer Wege immer wieder einmal, ohne dass sie es ahnen. Diese zufälligen Aufeinandertreffen haben mir gut gefallen.


    Die Stockholm wiederum erlebt im Lauf ihrer Geschicht auch so einiges: Der Zusammenprall mit der Andrea Doria, die Kubakrise, die Republikflucht, an der zwei Boote der Bundesmarine beteiligt waren – die Stockholm war dabei.


    Die Passagen in der Vergangenheit mochte ich unheimlich gerne, zu Fridas Zeit lassen sie eine längst vergangene Ära wiederauferstehen und in der Zeit, in der Henri und Simone an Bord arbeiten, fand ich die Lebensfreude, die die beiden bei ihren Reisen zeigen, einfach mitreißend. Henri und Simone haben seit der Kindheit den Traum, zur See zu fahren und die Welt zu erobern und arbeiten hart daran, diesen real werden zu lassen. Das hat mir gut gefallen. Überhaupt fand ich es wunderbar erzählt, wie die Seefahrt (und sei es auch nur der Traum davon) Henris gesamte Familie geprägt hat.


    In der Gegenwart begleiten wir unsere kleine Truppe auf der Kreuzfahrt und peu à peu erfährt man die Schicksale der einzelnen Personen, über die ich hier natürlich nichts verraten möchte.


    Die jeweiligen Abschnitte sind immer mit den entsprechenden Daten und Orten überschrieben, so dass man jederzeit problemlos weiß, ob man sich gerade im Jahr 2019 oder in der Vergangenheit befindet.


    Mir hat dieser Roman ausgesprochen gut gefallen: die historischen Ereignisse sind gut recherchiert und die Protagonisten gut angelegt. Man reist mit ihnen und man leidet mit ihnen. Die Autorin erzählt hier ausgesprochen unterhaltsam die Geschichte eines Schiffes, einer Liebe, eines einst geteilten Landes und nicht zuletzt auch die einer Familie.


    Ich habe mich ganz wunderbar unterhalten gefühlt und freue mich sehr, hier wieder eine Autorin für mich entdeckt zu haben.


    Herzlichen Dank an dieser Stelle schon einmal an Kati Naumann (und natürlich an meine Mitleser*innen) für die engagierte Begleitung der Leserunde – ich fand es richtig klasse, dass Du hier auch Videos und Fotos mit uns geteilt und einen Blick in Deine Schreibarbeit hast werfen lassen. Bei einer weiteren Leserunde mit Dir wäre ich sofort dabei.


    Auf einer Skala von 1 - 10 würde dieser wunderbare Roman eine 10 von mir bekommen. Mit Sternchen. :grin Und jetzt geh ich erst mal gucken, was die Autorin sonst noch so geschrieben hat bisher. :-]


    ASIN/ISBN: 3365007431

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Simone und Henri machen nochmal eine Fahrt auf dem Schiff Astoria. Das hieß, als sie sich darauf vor über 40 Jahren kennengelernt haben, Völkerfreundschaft und war das erste Kreuzfahrtschiff der DDR.


    Henri kann sich nur schwer in die Rolle des Passagiers einfinden, er ist halt durch und durch Matrose. Der ehemaligen Stewardesse Simone fällt das etwas leichter.

    Durch Zufall treffen sie auf Frida. Die Schwedin war beim Stapellauf des Kreuzers dabei, damals hieß das Schiff Stockholm. Auch sie verbindet eine bittersüße Geschichte mit der Astoria.


    Die Geschichte wird in 2 Zeitebenen erzählt. Zum einen 2019, als das Schiff die Astoria ist und von Poole aus zur Kreuzfahrt aufbricht. Zum anderen ab 1939. Da war Henris Vater noch ein Kind,, wächst als Halbwaise bei den Großeltern auf während seine Mutter mit der Weißen Flotte auf der Elbe fährt um Geld zu verdienen. Damals wünscht sich Erwin nichts mehr, als Matrose zu werden. Doch dann kommt der 2. Weltkrieg, die DDR und das Leben dazwischen. Für seinen Sohn Henri möchte Erwin, dass sich wenigstens dessen Wunsch zur See zu fahren erfüllt. Doch auch da geschehen unerwartete Ereignisse, die das Leben so vieler durcheinander bringt und bis 2019 nachwirken.


    Als dann auch noch die junge impulsive Elli auf der Astoria zu den 3en stößt, müssen sich alle mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen.


    Ohne zu bewerten versteht die Autorin es die Geschichte der DDR und ihrer Bürger, egal welcher Überzeugung, niederzuschreiben.

    Sie erzählt mit großer Intensität eine hervorragend recherchierte Geschichte. Vor allem die Rückblicke fand ich sehr interessant. Man merkt, daß Kati Naumann sehr viel Herzblut, Zeit und Energie in ihre Arbeit steckt. Das Buch ist unterhaltend, lehrreich und fesselnd zugleich.

    Dank der Zeittafel am Ende kann man nachvollziehen was wirklich so passiert ist, das macht das Buch gleich viel lebendiger.


    Von mir Höchstpunktzahl und eine absolute Leseempfehlung! Das Buch hat Potenzial zum Jahreshighlight.

  • Ich mag sehr gern Romane auf zwei Zeitebenen und besonders, wenn die Handlung in den letzten 100 Jahre in Deutschland spielt. Der Klappentext von „Fernwehland“ lockte mich nicht gleich. Unbekannt war mir das Schiff „Astoria“ und seine wechselvolle Vergangenheit, so dass ich keine Vorstellung hatte, was die Autorin Kati Naumann auf den 400 Seiten Spannendes zu erzählen hat. DDR und Kreuzfahrtschiff, Reisen in die Karibik für DDR Bürger? Davon hatte ich noch nie gehört. Was nicht schlimm ist, denn Lesen bildet!


    Hatte schon oft Positives gehört und gelesen zu den Büchern von Kati Naumann. Ich wagte es, auch weil ich großartig fand, dieses Buch zeitgleich mit anderen Büchereulen zu lesen, in einer durch die Autorin begleiteten Leserunde. Diese Konstellation war wieder großartig, denn während des Lesens hat diese viel zu ihrer Recherche berichtet und ich wurde kurz vor der Lektüre und währenddessen auch sehr infiziert, im Netz nachzulesen und Filmberichte anzuschauen. Das liebe ich, durch Lesen mich mit unbekannten und neuen Themen zu beschäftigen.


    Die „Astoria“ wurde 1946 getauft auf den Namen Stockholm. Acht Jahre nach der Jungfernfahrt ist sie Akteur in einer Schiffskatastrophe, sie kollidiert mit der „Andrea Doria“. Das schwedische Unglücksschiff gelangt günstig in den Besitz der DDR und gleitet für 25 Jahre unter dem Namen „Völkerfreundschaft“ durch die Meere.


    Der Roman erzählt die Geschichte von den beiden ehemaligen „Völkerfreundschaft“-Besatzungsmitgliedern Simone und Henry, die 2019 privat mit der inzwischen unter englischem Reeder fahrenden „Astoria“ eine Reise unternehmen. Auf dem Schiff lernen sie die Schwedin Frida kennen. Diese war 1948 Zeugin der Schiffstaufe der „Stockholm“ in Göteborg. Das Schiff nimmt seit 70 Jahren eine große Rolle in ihrem Leben ein. Frida ist eine liebenswerte Protagonistin, deren Geschichte so wunderbar die Handlung begleitet und miterleben lässt. In Simone und Henry findet sie Menschen, denen Herz auch für ihr Schiff schlägt. Gegenseitig erzählen sie sich ihr Leben und von Ihrer Leidenschaft für das Schiff. Die Verbundenheit zu Schiffen und ihrer Technik, ist bei Frida, Simone und Henri von Kindesbeinen vorhanden.


    Wir Leser erleben dadurch die vielen wichtigen Stationen im Schiffsleben. Ich erhielt Antwort, wie es dazu kam, dass die DDR ein Kreuzfahrtschiff kaufte? Um den Kauf zu finanzieren gab es die Bewegung „Steckenpferd“ – die Bevölkerung hat sich enorm engagiert, damit der Staat dieses Prestigeobjekt kaufen konnte. Wie war es auf diesem Schiff zu arbeiten und Häfen in freien Ländern anzufahren? War da nicht enorme Fluchtgefahr? Wie war es für die Daheimgebliebenen nur die Berichte zu hören, Bilder zu sehen – lockte da nicht Fernweh? Wie konnte Frida im Kontakt mit ihrem Schiff bleiben, während es unter DDR Flagge fuhr?


    Absolut überrascht hat mich, als ich später las, "1970: Die DDR zählt zu den bedeutendsten Seefahrernationen der Welt, ...größte europäische Flotte. Mehr als 10.000 Seeleute fahren auf 203 Schiffen und laufen Häfen in über 100 Ländern an."

    Ein Land, welches seine Bürger anstiftet sich gegenseitig zu bespitzeln und etliche Freiheiten nimmt, hat so viele Seefahrer, für die außerhalb der Dreimeilengrenze ein freieres Leben gilt. Fühlten sie sich frei oder doch eingesperrt?


    Es dauerte nicht lange und ich war infiziert von der faszinierenden Geschichte dieses ältesten und wäre nicht Corona dazwischengekommen, seetüchtigsten Kreuzfahrtschiffes.


    In Vorbereitung hatte ich die wiki-Einträge zum Schiff gelesen und kannte einige wichtige Fakten. Kati Naumanns Roman merkt man an, wie detailliert sie recherchiert hat, Ihre Geschichte passgenau konzipiert und aufgeschrieben hat und die historischen Ereignisse wunderbar integriert sind. Vergangenheitserzählung und Gegenwartsschilderung greifen wie ein Reißverschluss ineinander. Kati Naumann hat viel nachgelesen und auch ausführlich mit Zeitzeugen gesprochen und Orte besucht. Sie bringt so viele Informationen, Zeitgeschehen unter, hat auch das tägliche Leben mit seinen Eigenheiten harmonisch integriert.


    „Fernwehland“ war mein zweites Buch der Autorin. Im Januar erst habe ich „Als wir noch

    Kinder waren“ gelesen. Es wurde zu meinem Monatshighlight. Der aktuelle Schmöker hat großes Potential, Ende Februar auch diesen Eindruck zu hinterlassen.


    Der Roman schafft hervorragend, die Emotionen zu transportieren, lässt einen die Verbundenheit der Belegschaft spüren, wie es war auf der Völkerfreundschaft zu arbeiten, das Tor der Freiheit und Schiffsgeschichte zu erleben. Der lebendige Schreibstil hat für viel farbiges Kopfkino gesorgt.


    Ich konnte das Buch nur schwer aus der Hand legen und kann es nur wärmstens empfehlen. Volle Punktzahl mit Sternchen.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Vielen lieben Dank für diese unglaublich schöne Rezension! Und dass Du auch schon im Januar eins meiner Bücher gelesen hast und es Dein Monatshighlight war, freut mich ganz besonders. Dankeschön!

  • Auch Dir vielen lieben Dank für diese tolle Rezension, ich freue mich so sehr, dass mein Roman bei Dir ein Kandidat für das Jahreshighlight ist!