'Fernwehland' - Seiten 240 – 313

  • Henri darf endlich zur See – aber was dafüran Aufwand und Bescheinigungen alles nötig war... Marion versucht noch, Henris Matrosenlaufbahn zu verhindern. Hier habe ich mich sehr über sie geärgert: reicht es nicht, dass sie ihrem Mann die Seefahrerei verhindert hat? Will sie jetzt auch noch ihrem Sohn den Lebenstraum nehmen? Doch es gelingt Henri, seinen Traum zu verwirklichen und er bekommt von seinem Vater Erwin das Löwenmesser, „das in die Welt muß“.


    Und wieder wird die Völkerfreundschaft genannt, die bei der Havarie der Fiete Schulze ebenfalls zu Hilfe geeilt kommt. Auch die Republikflucht, bei der die Triton und die Najade witwirken, passiert in diesem Abschnitt. Über diese Vorkommnisse hatte ich im Rahmen meiner Recherche über die Völkerfreundschaft bereits gelesen und war erfreut, dass beide auch Einzug in das Buch gefunden haben.


    Wie bereits vermutet, ist Karin schuld daran, dass Henris Traum von der Seefahrt endete. Wie, das erfahren wir sicher noch im letzten Abschnitt. Da Ausreiseanträge Repressalien für den Rest der Familie bedeuten, kann sicher dies der Auslöser gewesen sein.


    Bei Simones 18. Geburtstag hat mir der kleine Nebensatz gefallen, dass beinahe Henri der 1. Matrose hätte sein können, den sie küsst. Aber nun kreuzen sich ihre Wege ja endlich: Mit 18 darf Simone selbst bestimmen, was sie will und auch sie geht den umständlichen Weg zur See – auf der Völkerfreundschaft, auf der Henri inzwischen fest als Matrose arbeitet, wird sie Stewardess.


    Hier hat mir die Beschreibung des Bordlebens der jungen Besatzung gut gefallen. :thumbup:

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Der Abschnitt hat mich vergessen lassen, dass ich mir zwischendurch Notizen mache.


    Wir haben Coco kennen gelernt - eine Strelitzie, die Simone bei ihrer ersten gemeinsamen Fahrt von Henri geschenkt bekommen hat und die sie, bzw. vermutlich Ableger davon, weiterhin hegt und pflegt. Da sie, wie wir wissen einige Jahre mit dem Schiff immer wieder unterwegs war, wird wohl Dora oder Simones Mutter die Pflanze während der Seereisezeiten versorgt haben.


    S. 252 "weiße Kieler Bluse" nicht ;)Rostocker oder Wismarer Hemd


    Wir sind dabei, wie Henry und Simone ihre ersten Reisen als Besatzung auf der Völkerfreundschaft verbringen und sich auf Simones erster Reise kennen lernen. Mir gefällt, wie Henri sich seiner Großmutter anvertraut, von Simone erzählt und diese die richtigen Worte ausspricht.


    Der Sprung ins leere Schwimmbecken ist gut ausgegangen. Simone hat Glück gehabt, sich nicht schwerwiegend verletzt zu haben. Aber die Szene zeigt, wie viel ausgelassene Freude und auch Freiheit, wie auch Kameradschaft sie dort erlebt haben. Die Besatzung hat eine gute Zeit dort.


    Da ich öfter schon in Warnemünde war, kann ich mir vieles gut vorstellen, bzw. sehe es vor mir. Jahrelang habe ich auf der Rückreise noch in Wismar gehalten oder auch in Warnemünde Stunden verbracht.


    Elli erzählt weiterhin nichts Persönliches von sich und reagiert nicht erschreckt, wenn von den Flüchtenden berichtet wird, die das Schiff als Fluchtmittel genutzt haben.


    Um diese Schiffsreisen als Besatzung zu begleiten, hatte man also nur u.a. die Chance, wenn man keine Westverwandtschaft hatte. Kann natürlich auch gut sein, dass die Völkerfreundschaft keine Rolle bei Karins Flucht gespielt hat. Ihr Bruder weckt ihr Fernweh durch Karten und Souvenirs, lauter schöne Dinge, dazu seine Berichte und Bilder, das wird bei ihr "Warum kann ich das nicht erleben?" hervorrufen.


    Die Berufswahl von Eltern und Geschwistern, Freunden etc. beeinflusst die eigenen Ideen. War es überhaupt "erlaubt"/ möglich, dass Paare auf dem gleichen Schiff arbeiteten? Hat der Staat einen Riegel vorgeschoben, wenn ein Kind schon zur See fuhr, dass Geschwister ihr Fernweh nicht gleichermaßen beruflich stillen durften?



    Nur noch ein Leseabschnitt. Bin traurig, weil ich den tollen Roman bald fertig gelesen ist. Ich kann ihn schwer aus der Hand legen. Er hätte mind. noch 100 Seiten mehr haben dürfen.;)


    Das Buch gefällt mir sehr gut, bin froh, dass ich es nicht nur lese, sondern durch die Leserunde so viel mehr an Informationen und Austausch zum Thema erhalte.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

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  • Gucci

    Mich haben die Lebensumstände deprimiert: dass bei den seltenen Auslandsreisen, die nur höchst verdienten Genossen genehmigt wurde, Familienmitglieder als "Pfand" zurückbleiben mussten. Dass nicht jeder den Beruf ergreifen durfte, den er wollte. Dass Familienmitglieder bestraft wurden, wenn einer nicht nach der Pfeife der DDR tanzte.


    Um so unverständlicher war mir immer, dass es Menschen gab, die sich die alten Zeiten zurücksehnten, in denen für die Menschen "von oben" gedacht und entschieden wurde und die mit der Freiheit und den vielen Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten nach der Wende nicht klarkamen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Wie versprochen, möchte ich euch auch zu diesem Abschnitt noch ein paar zusätzliche Informationen liefern. Ihr seht hier Ausschnitte aus Werbeheften der "Völkerfreundschaft" und einen Erinnerungsteller von der Völkerfreundschaft, auf dem man auch gleich ein Menü ablesen kann. Diese Prospekte waren eine tolle Quelle, aber ich habe von ehemaligen Schiffsbesatzungsmitgliedern auch zahlreiche private Fotos der Inneneinrichtung und von den Außenanlagen bekommen. Die kann ich euch leider aus rechtlichen Gründen nur als "Haufen" zeigen, damit ihr einen Eindruck davon bekommt.

  • Wow, der Teller ist ja ein Schmuckstück! Vielen Dank für die Einblicke!


    Marion finde ich sehr selbstsüchtig. Klar ist es schwierig, das eigene Kind gehen zu lassen, aber sie kann doch nicht immer alle einschränken, um sie zu beschützen oder die eigene Angst zu bekämpfen. Gut, dass es Henri gelungen ist, zur See zu fahren. Dass er Erwins Löwenmesser bekommt, ist eine so große Geste. Ganz toll.


    Und wieder sind es die Details, die die Geschichte so anschaulich machen. Das Essen am Fähranleger, die Arbeiten auf dem Schiff, die Anekdote mit dem "verstellbaren Augenmaß" :lache


    Wir erfahren von Frida, dass sie wirklich ein Leben auf dem Abstellgleis geführt hat, immer wieder auf die "Völkerfreundschaft" zurückkehrte, sobald es ihr möglich war und das Andenken an Per über allem gehalten hat. Wie süß, dass die anderen sie dazu überreden können, ihr nackten Füse in die Ostsee zu halten mit dem Argument, dass sie doch ganz viele neue Sachen auf der Reise mit Per gemacht hat.


    Der Vorfall mit der Kollision ist ja unglaublich! Was die Menschen auf sich genommen haben, um zu fliehen. Weiß man denn, wer der Mann war, der geflohen ist? Irgendeine wichtige Persönlichkeit? Die Gerüchte im Buch reden ja von einem Spion.


    Simone passt ja sehr gut zu Henri. Was sie alles unternimmt, um genügend Geld zu verdienen, um ihren Traum vom Meer zu verwirklichen. Die Episode mit dem Kuss eines Matrosen zum 18. Geburtstag ist ja auch süß. Wie schade, dass es nicht Henri war. Und sehr schade, dass sich die Eltern so gar nicht für Simone zu freuen scheinen, als diese den Arbeitsplatz auf der "Völkerfreundschaft" bekommt. Toll, was sie auf dem Schiff erlebt, der Zusammenhalt der Mannschaft und auch die Chance, die Welt zu sehen.

    Da bekommt man tatsächlich Fernweh.

  • Der Vorfall mit der Kollision ist ja unglaublich! Was die Menschen auf sich genommen haben, um zu fliehen. Weiß man denn, wer der Mann war, der geflohen ist? Irgendeine wichtige Persönlichkeit? Die Gerüchte im Buch reden ja von einem Spion.

    Guck mal, hier gibt es einen Bericht dazu: https://www.spiegel.de/geschic…22-4d0f-a4e9-2d7fb3fdfb22

  • Um diese Schiffsreisen als Besatzung zu begleiten, hatte man also nur u.a. die Chance, wenn man keine Westverwandtschaft hatte

    Es wurde ja auf jede nur erdenkliche Art versucht, Republikflucht oder auch nur den Gedanken daran zu verhindern. Das erschreckt mich in jedem Roman aufs Neue. Das es möglich war ein ganzes Volk so lange einzusperren und die Menschenrechte zu beschneiden. <X

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Die Hexenholzkrone 2 - Tad Williams



    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Marion finde ich sehr selbstsüchtig. Klar ist es schwierig, das eigene Kind gehen zu lassen, aber sie kann doch nicht immer alle einschränken, um sie zu beschützen oder die eigene Angst zu bekämpfen. Gut, dass es Henri gelungen ist, zur See zu fahren. Dass er Erwins Löwenmesser bekommt, ist eine so große Geste. Ganz toll.

    Ich stimme dir natürlich zu. Auch wenn ich nachvollziehen kann, dass es ihr sehr schwer fällt, das geliebte Kind so ziehen lassen zu müssen. Damals gab es ja auch noch nicht die heutigen Kommunikationsmöglichkeiten. Das ist heute alles so viel leichter zu bewerkstelligen.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Die Hexenholzkrone 2 - Tad Williams



    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

    geli73 und Rosenstolz gefällt das.
  • Es wurde ja auf jede nur erdenkliche Art versucht, Republikflucht oder auch nur den Gedanken daran zu verhindern. Das erschreckt mich in jedem Roman aufs Neue. Das es möglich war ein ganzes Volk so lange einzusperren und die Menschenrechte zu beschneiden. <X

    Um so mehr erschreckt mich die politische Entwicklung in diesem Teil des Landes. Aber das ist ein Thema, das nicht hierher gehört und ja bereits auch anderweitig Diskussionsthema ist.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Um so mehr erschreckt mich die politische Entwicklung in diesem Teil des Landes. Aber das ist ein Thema, das nicht hierher gehört und ja bereits auch anderweitig Diskussionsthema ist.

    Ich finde ja, das gehört überall hin - aber ja, wird anderweitig ja immer wieder diskutiert. Bei Histos kommt mir das in letzter Zeit aber immer öfter hoch, dass wir Menschen nix lernen aus der Vergangenheit.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Die Hexenholzkrone 2 - Tad Williams



    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

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  • Ich habe das auch aus der umgekehrten Perspektive schrecklich gefunden: Karin steigt in den Zug ein und weiß, dass sie ihre Familie nie wieder sehen wird. Wie kann sie da fröhlich winken? Nur, um irgendwo mal ein paar Palmen zu sehen?

    Ich denke nicht, dass es so einfach war. Karin wird es sicher nicht nur um ein paar Palmen gegangen sein.


    Sie hat ja mitbekommen, wie es war: dass man den Mund nicht aufmachen durfte. Dass man nicht frei über den Beruf entscheiden durfte, mit dem man sein Leben lang sein Brot verdienen musste. Und natürlich auch, dass man nicht alles bekam und sich schon gleich gar nicht frei bewegen konnte. Und auch nicht frei seine Gedanken äußern durfte. Sie hatte ja in der eigenen Familie überzeugte Systemanhänger.


    Ich denke, wenn man anders dachte als vom System gewollt, war es noch schlimmer, denn man konnte nur frei denken, diese Gedanken aber nur den allerwenigsten mitteilen. Und selbst da gab es vermutlich viele Enttäuschungen. Als die Stasi-Akten geöffnet wurden, mußten ja viele Menschen feststellen, dass sie selbst innerhalb der eigenen Familie bespitzelt und angeschwärzt wurden.


    Um die Palmen ging es vermutlich den allerwenigsten Republikflüchtlingen und Ausreisewilligen. Aber die "Schuld" daran zu tragen, dass es den zurückgebliebenen Familienmitgliedern schlechter ging, das war schon auch eine große Verantwortung.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Alles bekannt, Batcat und trotzdem ist es ein heftiger Schritt, die Familie zurückzulassen.


    Bei der Ausreise war sie doch gerade mal 20 Jahre alt und an einen Mauerfall zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht zu denken. Die Eltern hätten dann mit Glück vielleicht im Rentenalter mal in den Westen gedurft, aber vorher hätte es kein Wiedersehen und lediglich postalischen Kontakt geben können.