Kai Bliesener - Hotel Silber: Neue Zeit, alte Schuld

  • Kai Bliesener, geboren 1971 in Waiblingen, war als Kommunikationsexperte, Mediendesigner und Pressesprecher für verschiedene Verbände und Unternehmen tätig. Er arbeitet als Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für das Theaterhaus Stuttgart sowie als freiberuflicher Autor und Texter. Er lebt mit seiner Familie in Weinstadt.

    "Die Leute können dir sagen, dass du den Mund halten sollst, aber das hindert dich nicht daran, deine eigene Meinung zu haben." (Anne Frank)

    Stuttgart 1945: Im gefürchteten Stuttgarter Hotel Silber soll die neue Kriminalpolizei aufgebaut werden. Paul Kramer bewirbt sich dafür. Doch gleichzeitig muss er an einen Ort zurückkehren, an dem er wenige Tage vor Kriegsende von der Gestapo gefoltert wurde. Selbst nach Ende des Kriegs sind der Hass und die Ideologie des Nationalsozialismus allgegenwärtig. Es zeigt sich recht schnell, wer von seinen Kollegen noch immer auf welcher Seite steht. Besonders nachdem bei einer Razzia ein Jude per Kopfschuss getötet wurde. Paul soll nicht nur in dem Fall ermitteln, sondern außerdem den Tod von Vera Wallner aufklären. Dabei werden die Ermittlungen für ihn zur größten Gefahr.


    Meine Meinung:

    Nach seinem letzten Krimi aus den Fellbacher Weinbergen war ich schon sehr gespannt auf sein neustes Buch. Diesmal geht es in die Geschichte Stuttgarts ins Jahr 1945. Nachdem nun der Krieg zu Ende ist, suchen die Alliierten Bürger, mit denen man die neue Kriminalpolizei aufbauen möchte. Was natürlich nicht so einfach ist in einem Land, wo sich fast jeder zu Hitler und seinen Idealen bekennen musste. Für Paul, der seiner Folter und der Gestapo gerade noch mit dem Leben davonkam, ist es die Gelegenheit. Im Hotel Silber gibt es auch ein Wiedersehen mit seiner großen Liebe Hilde, dessen Vater ihn der Gestapo ausgeliefert hat. Jedoch ist es nicht einfach für die Kripo und Polizei, die zu Beginn noch ohne Waffen Streit und Unruhen schlichten müssen. Selbst als Stuttgarterin habe ich bisher nichts über das Hotel Silber gewusst, sodass ich überaus neugierig auf dieses Buch war. Das ehemalige Hotel wurde schon kurz vor dem Krieg zum Polizeipräsidium, bis es 1936 dann an die politische Polizei, die sogenannte Gestapo, überging. In den drei Verwahrzellen im Keller wurden viele Menschen inhaftiert und gefoltert, unter anderem der Politiker Kurt Schumacher sowie die Widerstandskämpferinnen Liselotte Hermann und Lina Haag. Wie viele Menschen in dieses Hotel hineingingen und nicht mehr herauskamen, ist mir nicht ersichtlich. Außerdem geht es um den Tod des jüdischen Bürgers Jakob Beerbaum, der bei einer Schwarzmarktrazzia getötet wird. Mit viel Liebe zum Detail nimmt uns der Autor in die Machenschaften der Gestapo und ihre extremen Foltermethoden mit und natürlich mit den Vorkommnissen, die anschließend bei der Kripo geschehen. Als großer Fan von realistischen Geschichtsereignissen ist dieser Krimi genau das Richtige für mich. Ich hätte nicht vermutet, dass vieles aus dem Buch nach wahren Begebenheiten entstammt. Das ist natürlich eine ganz andere Art von Krimi, wie man ihn sonst liest, hier fließt natürlich noch zusätzlich viel deutsche Geschichte mit hinein. Ermitteln unter schwersten Bedingungen kann man da nur sagen, und interessante Charaktere machen diesen Kriminalfall zu einem ganz bemerkenswerten Buch. Bei dem ich insbesondere mit Paul mitfiebere. Sehr detailliert und gefühlvoll zeigt uns der Autor, wie es Menschen erging, die mit Hitlers Regime nicht klarkamen oder einfach anders waren, wie Homosexuelle, Juden, Kommunisten, Roma oder Widerstandskämpfer. Ich jedenfalls kann den Krimi nur weiterempfehlen, besonders wenn man mehr über die Zeit vor und nach dem Krieg erfahren will. Von mir bekommt dieser Krimi 5 Sterne. :thumbup:


    ASIN/ISBN: 374082123X

    "Lebe jeden Tag so, als ob du dein ganzes Leben lang nur für diesen einen Tag gelebt hättest."

  • Von der Gestapo Hauptzentrale zur Gedenkstätte ... so geht Geschichte!

    Der Roman „Hotel Silber“ von dem mir bis dato unbekannten Autor Kai Bliesener konnte mich wirklich restlos überzeugen. Er behandelt ein delikates Thema: wie lief es in Deutschland, nachdem der Zweite Weltkrieg verloren war? Um einen kleinen Einblick zu bekommen, begebe ich mich lesender Weise nach Stuttgart. Hier lerne ich den jungen Polizeibeamten Paul Kramer kennen, der selbst in den letzten Kriegstagen, als sich viele schon längst ergeben hatten, noch in die Mühlen der Gestapo gelangt und in den heiligen Hallen deren Hauptquartiers „Hotel Silber“ gequält und gefoltert wird. Er hat Glück, überlebt die Tortur und findet sich schließlich Wochen später bei der neu gegründeten deutschen Polizeigruppe wieder. Während die Polizeilandschaft noch überwiegend von den Alliierten Streitkräften geprägt ist, versucht man auch mit deutschen Polizisten wieder für Recht und Ordnung zu sorgen. Schnell kristallisiert sich heraus, wer aus dem schrecklichen Krieg gelernt hat und wer am liebsten weitermachen würde wie zuvor. Während Paul an der ehrlichen Aufklärung vorliegender Verbrechen interessiert ist, gibt es genug Kollegen, denen das gar nicht schmeckt. Schnell gerät Paul selbst wieder in das Visier der Unverbesserlichen und muss um sein aber auch um das Leben seiner Freundin Hilde fürchten …

    Kai Bliesener schildert das Leben im Jahr 1945 auf sehr anschauliche Weise. Er schafft es eine lebendige Atmosphäre zu kreieren, die den Leser mitreißt und mehr als einmal mit dem Kopf schütteln lässt. Hier würde ich mir wünschen, dass ich mit Paul Kramer noch viele weitere Fälle lösen darf. Wird es wohl eine Fortsetzung geben? Ich vergebe für den vorliegenden Band sehr gerne mit fünf Sternen die volle Punktzahl und spreche auch eine uneingeschränkte Empfehlung aus. Toll, dass ich auf diesem Ausflug nach Stuttgart mit von der Partie sein durfte.