Freiheit - Angela Merkel

  • Ich finde es ja spannend, wenn Außenstehender erklären will, warum ein Mensch handelt wie er handelt. Am Ende weiß nur Frau Merkel, warum sie ihre Entscheidungen so getroffen hat und vermutlich ist es Nachhinein auch für sie genau schwierig zu sagen, warum sie eben genau so und nicht anders gehandelt hat.


    Das hat was von „Was wollte mir der Autor damit sagen“

    Dann dürfte es keine Biographien geben, Streifi. :grin

    Es liegt doch auf der Hand, dass Mensch versucht, in seiner Autobiographie seine eigenen Handlungen zu idealisieren, begangene Fehler zu kaschieren oder zu leugnen usw. Niemand wird schreiben: Ich habe wirklich immer nur Mist gebaut. :lache

    Im Gegensatz dazu ist der Blick eines Außenstehenden oft objektiver und gerade hier sehr nützlich sein, da fast (!) sämtliche Fakten und Kontexte ja auf dem Tisch liegen. Er kann die historische Linse ziemlich scharf stellen.

    Aber wie gesagt: Wollte nur auf die Biographie hinweisen.

  • Ach Biographien darf es ja gerne geben. Muss ja nicht jeder eine Autobiografie schreiben. Ich finde es nur reichlich vermessen, in den Klappentext zu schreiben, dass der Autor dem Leser erklären will was die Person für Intentionen hatte.

    Vor allem ist das ein heißes Eisen, wenn derjenige noch lebt ;-)

  • Der Blick eines Außenstehenden ist zuvorderst der Blick eines Außenstehenden. Mit Objektivität hat das in Summe so gut wie nichts zu tun.

    Nochmal: Dann dürfte es keine Biographien geben. Der Biograph versucht, sich der Wahrheit anzunähern.


    Abe es stimmt schon: oft versucht man, die Biographie in seinem Sinne umzudeuten. Ich bin in der DDR aufgewachsen. Kann da ein Lied von singen.

  • Der Biograph versucht, sich der Wahrheit anzunähern.

    Längst nicht. Viele Biografen und -innen haben versucht (und tun das noch), die biografierte Person in besonders hellem Licht oder in besonderer Dunkelheit erscheinen zu lassen. Ich würde sogar postulieren, dass Biografien, hinter denen wirklich der Versuch steckt, die prominente Figur so wiederzugeben, wie sie tatsächlich war, eine Minderheit darstellen. Übrigens bedeutet das nicht notwendigerweise, dass man Unwahres berichtet. Es kommt darauf an, wie man das tut, was man erzählt und was nicht, wie man es komponiert, wen man zu Wort kommen lässt. Auch Biografen wollen möglichst viele Bücher verkaufen. Objektivität ist kein Verkaufsargument.

  • Längst nicht. Viele Biografen und -innen haben versucht (und tun das noch), die biografierte Person in besonders hellem Licht oder in besonderer Dunkelheit erscheinen zu lassen. Ich würde sogar postulieren, dass Biografien, hinter denen wirklich der Versuch steckt, die prominente Figur so wiederzugeben, wie sie tatsächlich war, eine Minderheit darstellen. Übrigens bedeutet das nicht notwendigerweise, dass man Unwahres berichtet. Es kommt darauf an, wie man das tut, was man erzählt und was nicht, wie man es komponiert, wen man zu Wort kommen lässt. Auch Biografen wollen möglichst viele Bücher verkaufen. Objektivität ist kein Verkaufsargument.

    Ich hatte den Idealfall gemeint. Den unterstelle ich als Philanthrop erstmal jedem Biographen. :grin Und Objektivität ist durchaus ein Veraufsargument, wenn der Leser merkt, dass man ihn betrügt, ist game over. Ansonsten ist es so wie du sagst. Dasselbe gilt für Geschichtsschreibung usw., ja selbst in den Naturwissenschaften gibt es da Zwist, Umdeutungen usw.

    Wie gesagt, ich komme aus der ehemaligen DDR und kann da ein Lied von singen.


    Nachtrag: Ein schönes Beispiel dafür, wie manche Biographen arbeiten, ist die Biographie von Muhammad Ali von Durham. Einige Sachen sind schlicht erfunden. Indem er sie aber erzählte, lenkte er den Fokus der Aufmerksamkeit des Lesers auf das, was Ali eigentlich tatsächlich antrieb.

  • Angela Merkel widmet in ihrem Buch dem Thema Feminismus ein Kapitel.


    Die Frage ist, war Merkel eine Feministin? Ja oder nein?


    Nicht einfach zu beantworten, aber man muss den Zeitbezug sehen.

    Früher war Feministin ein Reizwort. Radikal wie Alice Schwarzer? Das wollte Angela Merkel vermutlich nicht sein.


    Ich denke, Merkel war sicher keine lupenreine Feministin, doch eine Frau, die zum Teil auch Vorbild sein konnte Und vielleicht reicht das auch.

  • Für mich sind Feministinnen Frauen, die versuchen die Rechte der Frauen voranzubringen udn für die Gleichstellung der Frauen kämpfen. Frau Merkel war für mich keine Feministin. Wurde sie auch mal gefragt und hat es wohl auch so gesehen. Ich denke, es interessierte sie nicht besonders. Dieses Ungleichgewicht. Sie sah sich nicht als erstes als Frau sondern einfach als Angela Merkel. Sie definierte sich nie besonders über Weiblichkeit oder feminine Themen. Ich denke, sie belächelte den Versuch der Männer sie am Anfang ihrer Karriere klein zu reden und hat einfach weitergemacht.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Das Buch habe ich gelesen. Ich habe prinzipiell wenig Erwartungen an Autobiographien von Politiker/innen. Wie ich den Beiträgen dieser Rubrik entnehme, haben sich ja schon hochkompetente Autoren über die Politik Angela Merkels geäußert.

    Als Historiker bin ich tief beeindruckt davon.

    Ich bin dankbar, von so überzeugender Seite darüber aufgeklärt zu werden, was für ein Glücksfall Frau Merkel als Kanzlerin war.

    Es sind immer die Besten, die Recht behalten.

    Ironiemodus aus. 😂😂😂

  • Das Buch habe ich gelesen. Ich habe prinzipiell wenig Erwartungen an Autobiographien von Politiker/innen. Wie ich den Beiträgen in dieser Rubrik entnehme, haben sich ja schon hochkompetente Autoren über die Politik Angela Merkels geäußert.

    Als Historiker bin ich tief beeindruckt davon.

    Ich bin dankbar, von so überzeugender Seite darüber aufgeklärt zu werden, was für ein Glücksfall Frau Merkel als Kanzlerin war.

    Es sind immer die Besten, die Recht behalten. 😂😂😂

    Ja, nicht wahr? :lache

    Irrlicht und Hexe (7. Hexenregel: Unterschätze nie die Kraft des Wortes - es hat eine besondere Kraft, es kann befreien, anstoßen und verändern, aber auch verletzen und zerstören)

  • Für mich sind Feministinnen Frauen, die versuchen die Rechte der Frauen voranzubringen udn für die Gleichstellung der Frauen kämpfen. Frau Merkel war für mich keine Feministin. Wurde sie auch mal gefragt und hat es wohl auch so gesehen. Ich denke, es interessierte sie nicht besonders. Dieses Ungleichgewicht. Sie sah sich nicht als erstes als Frau sondern einfach als Angela Merkel. Sie definierte sich nie besonders über Weiblichkeit oder feminine Themen. Ich denke, sie belächelte den Versuch der Männer sie am Anfang ihrer Karriere klein zu reden und hat einfach weitergemacht.

    Vorweg, ich habe die Biografie nicht gelesen, möchte jedoch den obigen markierten Punkt aufgreifen, von dem ich nicht weiß, ob er beabsichtigt oder unbeabsichtigt, dem Kern der Wahrheit stark nahekommt.

    Die Stärke Angela Merkels besteht in meiner Wahrnehmung darin, dass sie auf das "Frausein" nie einen gesteigerten Wert gelegt hat; zum einen, weil es nicht ihrem Naturell entspricht und zum anderen, weil sie in der DDR geboren wurde und dort gleichberechtigt aufwuchs. Benachteiligungen existierten in der DDR viele, doch die Gleichberechtigung von Mann und Frau wurde überwiegend gelebt; abgesehen von Aufgaben im Haushalt, einem Leben im Pastorenhaushalt und ähnliches.

    Chancen auf Bildung und Bezahlung erlebten die Frauen als ausgewogen und Angela Merkel wählte ganz offensichtlich einen Beruf, der ihr als Physikerin ein gleichberechtigtes und vor allem finanziell unabhängiges Leben geboten hätte, sofern sie nicht in die Politik gegangen wäre.

    Angela Merkel hat ihr Leben gelebt, sie diskutierte nicht über Gleichberechtigung, sie lebte sie. Und darauf kommt es meines Erachtens als Frau an.

    Dass ich als Frau und Wählerin mir von der ehemaligen Bundeskanzlerin und früheren Bundesministerin für Frauen und Jugend unter anderem einen intensiveren Einsatz für die Abschaffung des § 218 StGB gewünscht hätte, möchte ich nicht verhehlen, auch wenn mir bewusst ist, dass sie damit an die Grenzen ihres christlichen Glaubens und die ihrer Partei gestoßen wäre.

  • Vorweg, ich habe die Biografie nicht gelesen, möchte jedoch den obigen markierten Punkt aufgreifen, von dem ich nicht weiß, ob er beabsichtigt oder unbeabsichtigt, dem Kern der Wahrheit stark nahekommt.

    Die Stärke Angela Merkels besteht in meiner Wahrnehmung darin, dass sie auf das "Frausein" nie einen gesteigerten Wert gelegt hat; zum einen, weil es nicht ihrem Naturell entspricht und zum anderen, weil sie in der DDR geboren wurde und dort gleichberechtigt aufwuchs. Benachteiligungen existierten in der DDR viele, doch die Gleichberechtigung von Mann und Frau wurde überwiegend gelebt; abgesehen von Aufgaben im Haushalt, einem Leben im Pastorenhaushalt und ähnliches.

    Chancen auf Bildung und Bezahlung erlebten die Frauen als ausgewogen und Angela Merkel wählte ganz offensichtlich einen Beruf, der ihr als Physikerin ein gleichberechtigtes und vor allem finanziell unabhängiges Leben geboten hätte, sofern sie nicht in die Politik gegangen wäre.

    Angela Merkel hat ihr Leben gelebt, sie diskutierte nicht über Gleichberechtigung, sie lebte sie. Und darauf kommt es meines Erachtens als Frau an.

    Dass ich als Frau und Wählerin mir von der ehemaligen Bundeskanzlerin und früheren Bundesministerin für Frauen und Jugend unter anderem einen intensiveren Einsatz für die Abschaffung des § 218 StGB gewünscht hätte, möchte ich nicht verhehlen, auch wenn mir bewusst ist, dass sie damit an die Grenzen ihres christlichen Glaubens und die ihrer Partei gestoßen wäre.

    OT: Für mich stellt genau DAS Feminismus dar. Angela Merkel ist auch eine knallharte Machtfrau gewesen, sonst hätte sie auch nicht so lange Bundeskanzlerin bleiben können. Ich für meinen Teil habe sehr großen Respekt vor ihr. Vor ihrer abwartenden, ruhigen Art. Sie hat sich auch nicht auf das "Frau sein" reduzieren lassen. Mir graut ein bisschen vor der politischen Zukunft.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Ein ziemlich bewegender Abschnitt namens Nachhaltigkeit behandelt Merkels Zeit als Umweltministerin (1994–1998) und Befürworterin der Kernenergie.

    Endlagerung in Gorleben und möglicher Ausstieg aus der Kernenergie war für viele Menschen, auch schon vor dieser Zeit, ein emotionales Thema.

    Merkel gesteht in diesem Zusammenhang Fehler ein. Zum Beispiel schlecht gewählte Worte und Scheitern bei Konsensgesprächen.

    Sie gibt im Prinzip auch zu, dass ihr direkter Vorgänger als Umweltminister Klaus Töpfer wohl engagierter war als sie.

    Immerhin eine selbstkritische Einschätzung, die sich manche mehr gewünscht haben.

  • Ich bin im Hörbuch jetzt bei 40 Prozent. Der Anfang, ihre Kindheit, Jugend und die ersten beruflichen Schritte in der DDR, waren gut zu hören und für mich als Wessi auch mit neuen Informationen gefüllt.

    Danach wird es etwas zäher, aber immer noch gut hörbar. Ich höre jetzt "häppchenweise" im Auto und finde ihre Innenansichten immer noch faszinierend. Mangelnde Selbstkritik kann ich definitiv nicht unterschreiben. Sie sagt oft genug, dass sie im Nachhinein einiges anders gemacht hätte.

    Das Feminismus Kapitel fand ich auch gut. Am Ende sagt sie (sinngemäß - Hörbuch zitiert sich schwieriger), dass sie die Frage, ob sie Feministin sei, heute mit "Ja - auf meine Weise" beantworten würde. So sehe ich das auch - ich bin der Meinung, dass ich mehr für die Gleichberechtigung tue, indem ich mit Blümchenbluse und Lippenstift bei Kunden in die Werkstatt gehe und mit den Maschinenbedienern arbeite (die mich respektieren), als wenn ich ständig auf gendern (was ich gelegentlich nutze) bestehen würde.


    Bisher gefällt mir die Biografie jedenfalls gut und ich finde Frau Merkel weiterhin sympathisch. Man kann begründete Meinungen akzeptieren, ohne sie teilen zu müssen.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss