"Heumahd" von Susanne Betz

  • 320 Seiten


    Über die Autorin

    Susanne Betz wurde 1959 in Gunzenhausen geboren. Sie studierte Geschichts- und Wirtschaftswissenschaften in Deutschland, den USA und Kolumbien. Danach arbeitete die promovierte Historikerin bei verschiedenen deutschen und amerikanischen Tageszeitungen und Zeitschriften. Seit 1993 ist sie Hörfunkredakteurin in der Abteilung Politik des Bayerischen Rundfunks. Sie lebt mit ihrem Mann in der Nähe von München. »Heumahd« ist nach »Falkenjagd« und »Der elektrische Kuss« und »Tanz in die Freiheit« ihr vierter Roman.


    Kurzbeschreibung

    Als König Ludwig II. 1886 im Starnberger See ums Leben kommt, sind die Menschen im Werdenfelser Land schockiert. Dass ihr Ehemann in einer eiskalten Nacht erfriert, empfindet Vroni Grasegger dagegen als großes Glück: Endlich ist sie nicht mehr seinen Misshandlungen ausgeliefert. Optimistisch übernimmt sie das Sagen auf dem einsamen, gegenüber dem Karwendel gelegenen Bergbauernhof und die Sorge für die behinderte Stieftochter Rosl. Harte Arbeit bei der Heumahd und Missernten bringen Vroni an ihre Grenzen, ebenso wie der Druck aus dem Dorf, dass sie wieder heiraten soll. Da begegnet sie dem Maler Wilhelm Leibl, den eine Schaffenskrise in die Berge führt – und auf Vronis Hof. Zwischen dem homosexuellen Künstler und der jungen Bäuerin entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft. Als Leibl dann noch einen englischen Arzt und Alpinisten mitbringt, verbreitet sich in dem kurzen Bergsommer eine ungekannte Leichtigkeit. Und Vroni schöpft vielfältige Hoffnungen …


    Ein bildmächtiger Roman über eine inspirierende Freundschaft und das einfache Leben einer Bergbäuerin – so kraftvoll und authentisch wie »Herbstmilch«


    Meine Rezension

    Ende des 19. Jahrhunderts im Werdenfelser Land. Vroni Grasegger hat eben ihren Mann verloren. Allzu traurig ist sie darüber aber nicht, ganz im Gegenteil: tief im Inneren frohlockt sie, denn endlich kann er sie nicht mehr mißhandeln.


    Doch ihr Leben bleibt hart: nur von Knecht und Magd unterstützt, muß sie sich um den Bauernhof mit den Tieren kümmern und die Heumahd stemmen. Und dann gibt es auch noch das Rosl, die Tochter aus der 1. Ehe ihres Mannes, das von den Dörflern als Idiotenkind beschimpft wird und um das sie sich liebevoll kümmert. Auch Missernten bleiben nicht aus und das Dorf beäugt sie mißtrauisch und setzt ihr unmittelbar nach Ablauf des Trauerjahres zu, sich endlich wieder neu zu verheiraten.


    Ihre Begegnung mit dem Maler Wilhelm Leibl bleibt nicht ohne Folgen: die beiden freunden sich an und durch den Maler lernt sie den englichen Arzt Reginald kennen, der sich leise in ihr Herz schleicht... Auch die Freundschaft zum Maler bereichert beide enorm, so bekommen sie tiefe Einblicke in das Leben und Denken des jeweils anderen.


    Mir hat dieser ungemein bildhaft geschriebene Roman über ein einsames, dörfliches Leben sehr gut gefallen. Die Autorin läßt hier das karge Landleben um die Jahrhundertwende überaus lebendig vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen. Man leidet mit Vroni und man hofft mit ihr auf ein besseres und vor allem auch einfacheres Leben.


    Doch es wird ihr nicht einfach gemacht: die Dorfgemeinde, allen voran der Pfarrer, verhalten sich – aus heutiger Sicht – absolut übergriffig und die Männer bedrängen sie und werden teils richtig zudringlich. Ihre Magd ist zumindest am Anfang sehr mißgünstig, da sie – bevor er Vroni heiratete – auch ab und an mit dem Grasegger-Bauern das Bett teilte. Vronis Freundschaft zu Wilhelm und Reginald sorgt für Getratsche und sie hat niemanden, dem sie sich und ihre Sorgen einfach mal anvertrauen kann.


    Vroni hat mir da wirklich sehr leid getan, denn ihr Leben ist eines, das von viel Arbeit und vielen Entbehrungen geprägt ist. Dazu die überaus schmerzhaften Erfahrungen aus ihrer Ehe – man wünscht ihr einfach, dass ihr Leben sich endlich zum Besseren wendet.


    Diese ganze Geschichte ist ganz wunderbar anschaulich in Worte verpackt und hat mich sehr gut unterhalten. Ich würde ihr auf jeden Fall 9 von 10 Eulenpunkten geben.


    Fazit: sehr bildhafter und stimmungsvoller Roman über eine starke Frau, ungemein lesenswert. Auch die Leserunde dazu hat wieder sehr großen Spaß gemacht. Klare Leseempfehlung von mir.


    ASIN/ISBN: 3570103455

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ein harter Knochenjob, der einer Bergbäuerin ...

    Wenn man die junge Bäuerin Vroni Grasegger durch den Roman „Heumahd“ begleitet, wird einem schnell bewusst, wie beschwerlich die Arbeit und das Leben schlechthin vor weit über hundert Jahren auf einem kleinen Bergbauernhof gewesen sein muss. Auch Vroni wird bald klar, dass sie zwar nicht mehr den Gewalttätigkeiten ihres Mannes ausgeliefert ist, die Arbeit aber ohne seine Arbeitskraft nun auch nur noch auf drei Schultern verteilt werden kann. Dazu kommt noch die Betreuung der kleinen Rosl, die der Grasegger Bauer mit in die Ehe gebracht hatte und die an Downsyndrom leidet. Doch Vroni ist ehrgeizig und fleißig und versucht gemeinsam mit dem Knecht Korbinian und der Magd Josepha den Alltag zu meistern. Da taucht auf einmal ein Kunstmaler auf dem abgelegenen Hof auf, der schließlich noch einen jungen Arzt im Schlepptau hat, welcher Vroni ganz schön aus Gleichgewicht bringt. Während dies die Leute im Dorf misstrauisch beäugen und die Bergbäuerin geradezu nötigen wieder zu heiraten, hat Vroni ganz andere Gedanken im Kopf. Doch was für eine Zukunft wird ihr und dem kleinen Rosl beschert sein? Dürfen die Zwei auf ein wenig Glück hoffen?

    Schon lange habe ich keinen Roman mehr gelesen, der eine derartige Bild- und Sprachgewalt aufweist wie dieser hier aus der Feder der Autorin und Hörfunkredakteurin Susanne Betz. Als Leserin fühlte ich mich auf wunderbare Weise in eine vergangene Bergwelt katapultiert und sah direkt das liebe Gesicht von Rosl, den in sich gekehrten Knecht und die brummige Magd Josepha vor mir. Ich schnitt und wendete Heu mit der Bäuerin und litt mit ihr, als sie es mit Tränen in den Augen verschimmeln sah. Ich fühlte mich allen Charakteren auf die ein oder andere Weise ungewöhnlich nah und war fast ein wenig traurig, als das Buch gelesen war. Von mir gibt es auf jeden Fall eine dicke, fette Empfehlung gepaart mit fünf „bergigen“ Sternen. Liebe Susanne, ich habe mich wirklich sehr gut unterhalten gefühlt, vielen Dank dafür!

  • Mich hatte schon der Klappentext angesprochen, da meine Mutter aus dem ländlichen Bayern und von einem kleinen Bauernhof stammt und ich große Hochachtung vor den Menschen habe, die mit dieser Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Ich hatte also gewisse Erwartungen an das Buch.


    Erzählt wird die Geschichte der jungen Vroni Grasegger, deren gewalttätiger Mann überraschend nach einer Sauftour auf dem Heimweg erfriert. Plötzlich ist sie den Gatten los, der sie nachts geschlagen und gedemütigt hat. Der aber auch den kleinen Bauernhof am Laufen hielt, der Vieh und Hilfskräfte im Griff hatte, der wusste, wann man welche Wiesen mähen, welches Holz schlagen musste, wie viel die Kälber beim Verkauf bringen sollten und wie der Haushalt zu finanzieren sei.

    Aber Vroni ist eine starke Persönlichkeit. Während sie mit Mut und Schläue beginnt, alles zu lernen, was man für einen ländlichen Kleinbetrieb in der Abgeschiedenheit der Berge braucht, beginnt sich die Dorfgemeinschaft zu fragen, wer denn der nächste Bauer auf dem Graseggerhof werden würde. Denn eine Frau ohne Ehemann ist außerhalb ihrer Vorstellungskraft. Und die Frau hat dem Manne natürlich nach der katholischen Lehre auch untertan zu sein. Aber eben das möchte die Vroni nicht mehr und sie zögert und wägt ab, als die ersten Bewerber sich ins Zeug werfen. Und dann taucht der Maler Wilhelm Leibl - eine reale Person - auf und im Schlepptau hat er einen jungen Engländer, der die Berge erklimmt und Vronis Herz zum Klopfen bringt.


    Das Buch hat eine sehr klare Sprache und ich mochte den pragmatischen und undramatischen Ton, in dem die Menschen beschrieben und Schicksalsschläge wie auch hormonelle Gefühle beschrieben wurden. Eine Erzählweise, die wunderbar zur zupackenden und anstrengenden Lebensweise der Protagonisten passte, in der es eher rau und direkt zuging. Herrliche starke Nebenfiguren wie die kleine Stieftochter von Vroni, die am Downsyndrom leidet, oder eine Bäuerin, die sich für alles interessiert, was mit wissenschaftlichen Entdeckungen wie z.B. dem Velociped zu tun hat, aber auch Vronis Magd, die mich sehr an die Ida aus den Michelfilmen erinnerte. Eine Heldin, die nach dem Tod des Mannes zu sich selbst findet und zu einer gestandenen Frau wird. Und eine weitere große Rolle spielen die Natur, die Berge, die landwirtschaftliche Arbeit, der Jahreslauf der Natur.


    Das Buch hat all meine Erwartungen vortrefflich erfüllt und ich vergebe hervorragende 9 Punkte dafür.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Das Lächeln der Fortuna - Extended Version - Rebecca Gablè


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)