Der Büchereulen-Adventskalender 2024

  • Der 21. Dezember von Johanna


    Die Mädchen, der Weihnachtsmann und wilde Tiere


    Juliana hockte im Schneidersitz auf dem Sofa, ihr Handy in der Hand.

    Seltsamerweise sah sie gar nicht darauf, was äußerst ungewöhnlich war, sondern starrte aus dem Fenster. Der vor ihr stehende Kakao wurde langsam ebenso kalt, wie es draußen wirkte.


    Mathilde, die vor ihr auf dem Teppich saß, an ihrem Kakao schlürfte und bis eben in ihr Rätselheft vertieft gewesen war – sie liebte Rätsel – guckte sie erstaunt an und meinte: „Was ist denn mit Dir los, Du siehst so traurig aus. Ist das Handy kaputt?“


    „Was?“ tauchte Juliana aus ihrer Versunkenheit auf. „Ach ne, ich bin nur wütend und enttäuscht von den blöden Politikern.

    Da freue ich mich schon so lange darauf, bald endlich wählen zu können und dann bringen die mich einfach um meine Wahl, weil die sich schlimmer verhalten, als ihr in eurem Kindergarten.“ Sie blickte auf Marianne.

    Diese ganz empört: „Wir sind nicht schlimm, sondern lieb und klug.“


    „Eben“ sagte Juliana: „ Ihr benehmt euch vernünftiger und lernt es, Euch zu streiten und dann auch wieder zu versöhnen und weiterzuspielen.

    Die „gnädigen“ Damen und Herren Politiker sind genau dazu nicht in der Lage, geben einfach auf, ziehen die Wahl vor und dann noch so bescheuert, daß die dann eben knapp vor meinem 18. Geburtstag stattfindet und ich nun doch nicht mit wählen kann.“


    Madita tröstete sie: „Wenn die alle so blöd sind, freu Dich doch, bei diesem Affenzirkus nicht mitmachen zu müssen. Dafür darfst Du heute wählen was wir spielen wollen, als kleiner Trost.“

    Juliana lächelte ihre kleine Schwester an „ Du hast ja recht, laßt uns jetzt kurz vor Weihnachten nicht an so ärgerliche Dinge denken. Lieber überlegen wir uns, was wir jetzt machen und ob wir dieses Jahr hoffentlich den Weihnachtsmann treffen und mit ihm wieder viel Spaß haben werden.“



    Plötzlich sah Madita erschrocken in den Garten, da sahen es die andern ebenfalls. Am Fenster tauchte das Gesicht eines Rentieres auf.

    „Rudolph“, rief Marianne erfreut, „was machst Du denn hier?“

    „Oh, oh, das kann nichts Gutes bedeuten.“ sprach Mathilde aus, was auch Juliana dachte.

    „Mädels, zieht Euch warm an, wir müssen raus. Daß Rudolph hier alleine auftaucht, bedeutet bestimmt, daß der Weihnachtsmann in Gefahr ist“, raunte Juliana ihren Schwestern zu.

    In Rekordzeit schlüpften die vier Mädchen in ihre Winterjacken, stürzten vor die Terrassentür und sahen Rudolph an.

    Der drehte sich um, stapfte langsam durch den Schnee im Garten in Richtung Wald.

    Im Schlepptau vier Mädchen, die ihm folgten.


    Ein Stück weiter in „ihrem“ Wald, wie sie ihn nannten, entdeckten sie den Weihnachtsmann neben seinem Schlitten liegend auf dem Boden, das eine Bein seltsam abgewinkelt.


    „Wie gut, daß mein lieber Rudolph Euch gefunden hat“, stöhnte der Weihnachtsmann: „Ich glaube, mein Bein ist gebrochen.“

    „Oh nein, Weihnachtsmann, wie konnte das denn passieren?“ fragte Marianne entsetzt, die sich sofort neben ihn setzte und ihm vorsichtig über den Kopf strich.

    „Tja, liebe Marianne, nun hast Du doch noch recht bekommen. Weißt Du noch, wovor Du früher immer Angst im Wald hattest?“


    „Vor Wildschweinen“ platzte Mathilde heraus. „Aber hier gibt es doch gar keine.“

    „Jetzt schon.“ Sagte der Weihnachtsmann. „Da brach völlig unerwartet eins aus dem Gebüsch hervor, als ich kurz vom Schlitten gestiegen bin um..., na Ihr wißt schon.

    Ich hörte es rascheln und knistern, drehte mich um und schon stürmte die Wildsau auf mich zu, stieß mich um und rammte mich am Bein.

    Zum Glück schrie Rudolph laut auf, daß das Schwein von mir ließ.

    Da ich hier direkt bei Euch um die Ecke war, habe ich schnell mein Rentier losgeschickt, Euch zur Hilfe zu holen.“


    „Wie kann das denn nur passieren, ich dachte, Du bist gegen so etwas immun? Das muß ja ein echt gemeines Wildschwein gewesen sein.“ Sagte Madita fassungslos.


    Pragmatisch, wie sie war, warf Juliana ein: „Du mußt ins Krankenhaus, das muß geröntgt und geschient werden.

    Mal sehen, wie wir Dich dort hinbekommen.“


    Sie konstruierten aus Ästen und Zweigen eine Art provisorische Trage, die sie dank Julianas Pfadfindererfahrungen ratz fatz fertigstellten, hievten den Weihnachtsmann vorsichtig erst auf Diese, dann anschließend mit viel Kraftanstrengung auf den Schlitten.


    Und ab ging es ins Krankenhaus.


    Als sie so auf dem Schlitten vorfuhren, staunte die Belegschaft der Notaufnahme nicht schlecht, zum Glück lag Schnee, daß es nicht ganz so seltsam anmutete.


    Der Weihnachtsmann kam auf eine Trage und sofort wurde er hinein gefahren und versorgt.

    „Wie lieb von Euch, daß Ihr Euren Großvater hergebracht habt, nun müßt Ihr noch ein wenig warten, er wird gut versorgt werden.“

    Madita, ehrlich wie immer, meinte: „Das ist nicht unser Großvater, das ist doch der Weihnachtsmann.“

    „Aha, alles klar“, schmunzelte die Krankenschwester mit einem nachsichtigen Gesichtsausdruck. Sie glaubte natürlich nicht an die Worte der Kinder.


    Eine Stunde später durften sie ins Zimmer. Den Weihnachtsmann zierte ein prächtiger Gips um sein Bein.


    „Geht es Dir besser?“ fragten die Vier.

    „Oh ja, dank Eurer schnellen Hilfe gab es keine Komplikationen, es mußte nichts operiert werden, zum Glück war es ein glatter Bruch.“ Lächelte der Weihnachtsmann schon wieder.

    „Allerdings bekomme ich jetzt ein Problem mit der rechtzeitigen Auslieferung der Geschenke für die Kinder. Den Schlitten kann ich notfalls auch mit Gipsbein führen, nur mit der Kaminkletterei könnte es schwierig werden.“


    „Das ist das geringste Problem, da helfen wir Dir natürlich. Hauptsache, es geht Dir besser.“ Erklärte Juliana.

    „Würdet Ihr das machen? Das ist ja wunderbar. Auf Euch kann ich mich immer verlassen. Ich sehe zu, daß ich hier morgen rauskomme, da muß ich mir noch etwas überlegen. Aber das schaffe ich schon.“ Meinte der Weihnachtsmann, während er sich gedankenverloren über seinen Bart strich.


    „Die halten Dich hier für unseren Opa und glauben nicht, daß Du der Weihnachtsmann bist.“ Sagte Marianne kläglich. „So schnell lassen die Dich bestimmt nicht gehen.“


    „Laßt mich nur machen, Mädels, das bekomme ich schon hin, wenn ich eine Nacht gut schlafen kann.“ Antwortete der Weihnachtsmann.


    Am nächsten Morgen - Rudolph durfte eine ruhige Nacht im Garten der Mädchen , wo er sehr verwöhnt wurde, verbringen – fuhren sie alle gemeinsam den Weihnachtsmann abholen.


    Sie wunderten sich, daß das problemlos möglich war. Ebenso über die heute alle sehr fröhlich und freundlich wirkenden Ärzte und Schwestern, die alle ihren Freund herzlich mit seinem Gehgips verabschiedeten und ihm noch mitgaben, sich zu schonen und Anstrengungen zu vermeiden.



    Dann ging es auch schon los. Geschenke aufladen und an die richtigen Adressaten verteilen, Kamine sichten, klettern, wieder hochsteigen, auf den Schlitten hüpfen.

    Die Mädels machten sich durchaus gut, so als Kaminkletterinnen.

    Nach getaner Arbeit wollten die vier Mädchen gerne noch eine Extrarunde mit dem Schlitten fahren, da er jetzt leichter und flotter unterwegs war.


    Als sie über ihren Wald flogen, kurz über den Baumwipfeln, passierte das Malheur.

    Eine plötzliche Windbö brachte den Schlitten zum Schlingern und Marianne, die gerade vor Freude etwas herum hüpfte, kullerte über den Rand und plumpste vom Schlitten.


    Madita schrie auf, versuchte noch, nach Marianne zu greifen.

    Der Weihnachtsmann leitete sofort eine Rettungsmaßnahme ein, schoß mit dem Schlitten nach unten, um so das Mädchen noch mit dem Schlitten aufzufangen.


    Marianne aber, die ja wie bekannt, immer und überall herum kletterte, war in einer hohen Tanne hängengeblieben und rutschte und kletterte langsam abwärts.


    Kaum war sie am Boden, landete auch schon der Schlitten neben ihr.

    Die Passagiere wollten schon aussteigen, da sahen sie, daß Marianne stocksteif stehenblieb, sich nicht rührte.

    Da bemerkten es auch die anderen. Etwa 50 Meter entfernt stand das fiese Wildschwein und machte sich zum Angriff bereit.


    Juliana hielt Rudolph fest, der sich dem Schwarzkittel entgegenstellen wollte, aber natürlich keine Chance gegen ein wildgewordenes Wildschwein hatte und band die Zügel fest an den Schlitten.


    Mathilde und Madita reagierten intuitiv. Bevor noch das Schwein losrennen konnte, sprangen sie vom Schlitten, machten sich bereit und stellten sich in Position.


    Wie gut, daß sie gerade erst vor ein paar Tagen ihre letzte Karateprüfung absolviert hatten und mental noch so richtig im Kampfmodus waren.

    Das Wildschwein guckte zwar etwas verwirrt, stürmte dann aber auch schon los.

    In dem Moment schnappte sich Juliana Marianne und sprang mit ihr auf den Schilitten.



    Die Wildsau raste auf Mathilde und Madita zu, kam bei den beiden an und sah sich dann unversehens mit etlichen Schlägen, Stößen und Tritten konfrontiert.

    Schlag auf Schlag ging es, die beiden Mädchen wirbelten herum und teilten aus.

    Kurze Zeit später lag das Wildschwein reglos im Schnee.


    „Cool“ krächzte Marianne aus dem Schlitten, die sich, jetzt in Sicherheit, schnell wieder von ihrem Schrecken erholt hatte.

    Frech, wie gewohnt, fragte sie: „ Gibt’s jetzt Wildschweinbraten zu Weihnachten?“

    Dank der langsam abebbenden Anspannung mußten alle befreit lachen.


    Da regte sich plötzlich das Wildschwein, blinzelte böse: „Ihr spinnt doch wohl, mich essen zu wollen. Mit Euch will ich nix mehr zu tun haben, ich wandere aus.“

    Sprach es, stand auf, schüttelte sich und flitzte in den Wald.


    Perplex starrten die vier Mädchen auf die jetzt leere Stelle.

    Konsterniert meinte Madita: „Daß Bären sprechen können, wissen wir ja mittlerweile, aber Wildschweine?“


    „Ok“, vermeldete Mathilde lakonisch. „Dann also wieder Würstchen mit Kartoffelsalat.“

  • Der 22. Dezember von Salonlöwin


    Nachgeschärft


    Samstag, 21.Juni 2025 - Sommersonnenwende - am Rande einer mittleren Großstadt

    Wie viele Menschen mochten an diesem Sommertag in den strahlend blauen Himmel schauen und an Weihnachten denken, überlegte Arnd Boe, als er bepackt mit seinem Fahrrad durch eine lichte Kleingartensiedlung fuhr. Kaum ein Tag würde sich besser für ein Sommerfest eignen als der Tag, an dem die Sonne ihren Höchststand erreichte. Obwohl die Wege zwischen den Gärten versandet waren, bereitete es ihm keine Schwierigkeiten, mit dem Fahrrad hindurchzufahren. In der Ferne hörte er ein Radio und für einen Moment wunderte er sich, warum nicht wie für einen Samstagnachmittag üblich über Fußballspiele berichtet wurde, um sich sogleich an das Saisonende zu erinnern. Stattdessen lief im Radio ein altbekanntes Lied, das offensichtlich nicht nur ihm gefiel, sondern auch dem Radiobesitzer, der den Regler inzwischen weit aufgedreht hatte. Arnd sang leidenschaftlich und lückenhaft mit, während er gleichzeitig verzweifelt versuchte, sich an den Liedtext zu erinnern. Als er jeglichen Gedanken an Alter und Vergesslichkeit weggewischt hatte und kurz abgelenkt war, schlitterte er in eine Hecke und kam beinahe zu Fall. Er blickte an sich und an seinem Rad herunter; glücklicherweise hatten sein Rucksack und die Satteltaschen keinen Schaden genommen, lediglich sein rechtes Knie war aufgeschrammt. Er rief sich zur Ordnung, denn heute ging es nicht um ihn. Als Organisator eines Sommerfests hatte er sich im Hintergrund zu halten und für einen Augenblick dachte er an seine berufliche Versetzung und über den Anlass für dieses Sommerfest nach.

    Gut anderthalb Jahre lag es zurück, dass ihm sein Vorgesetzter auf dem Bürogang begegnet war und ihn mit einer einladenden Geste in sein Büro gebeten hatte. Selbst als langjähriger Mitarbeiter im Kulturamt wusste Arnd die ungewohnt ausladende und freundliche Armbewegung seines Chefs nicht zu deuten, ahnte jedoch, worauf sie hinauslief. Sein Vorgesetzter würde ihm deutlich machen, dass er dieses Mal zu weit mit seiner öffentlichen Kritik am kulturellen Angebot der Stadt gegangen sei. Im schlimmsten Fall drohte ihm eine Strafversetzung ans Ende des Büroganges und anstelle von größeren Events würde er fortan Kleinkunst betreuen. Doch was folgte, hätte er sich nicht in seinen kühnsten Träumen vorstellen können. Der Mann, der bis vor kurzem noch nicht einmal das Dehnungs-E in Arnds Familiennamen erkannte und ihn ausschließlich mit Herrn Bö ansprach, nannte ihn nun vertraulich bei seinem Namenskürzel Abo und erklärte ihm, dass Wahlen bevorständen, die Kassen leer seien und die lokale Politik dringend gute Publicity benötige. Deshalb habe man an höherer Stelle beschlossen, eine Nachbarschaftshilfe ins Leben zu rufen, für die Arnd der richtige Mann sei. Ferner stelle man ihm für seine neue Position ein erstklassiges Lastenrad zur Verfügung, das symbolisch für eine neue Quartierskultur stehe. In seiner Sprachlosigkeit hatte Arnd es gerade noch geschafft, wenigstens diese unsinnige Idee abzuwehren. Mittlerweile hatte er sein im Bauhof zugewiesenes Büro eingerichtet, eine Hausaufgabenhilfe organisiert, einen Schachclub für Rentner ins Leben gerufen und dafür gesorgt, dass das stillgelegte Naturbad unter Leitung einer Behinderteneinrichtung wiedereröffnet wurde.


    Als Arnd das Freibad erreichte, erblickte er als Erstes den Aufsteller, der über das Sommerfest zugunsten der Nachbarschaftshilfe informierte. Dann sah er Bernd, der etwas verloren am Eingang stand, Bekannte begrüßte und ihn ungewohnt umarmte. Sie hatten sich seit dem vergangenen Weihnachtsfest nicht mehr gesehen und kurz erinnerte sich Arnd an den letzten Heiligabend zurück. Wie jedes Jahr hatte er sich am Abend des 24. Dezember zur Weihnachtsparty seines Freundes aufgemacht. Als er am Pepper’s, einer in die Jahre gekommenen Kneipe, ankam, entdeckte er wie all die Jahre zuvor ein DIN A4 großes Poster im Fenster, das einen mit Chilischoten geschmückten Tannenbaum zeigte und ab 22 Uhr „The Hottest Christmas Party In Town“ versprach. Zugegebenermaßen handelte es sich hierbei um die einzige Weihnachtsparty weit und breit, doch an deren Einzigartigkeit und an ihrem Gastgeber zweifelte niemand. Jedenfalls nicht bis zu dem Zeitpunkt, an dem Bernd zu fortgeschrittener Stunde die Schließung seiner Kneipe zum Jahresende verkündete. Der Schock saß tief und Bine, die als Erste ihre Sprache wiederfand, fragte verzweifelt, was nun aus Stammtisch, Sommerfest und Weihnachtsparty werden würde. Er akzeptiere die Kündigung des Pachtvertrags, antwortete Bernd ruhig, um dann noch leiser als bisher hinterherzuschicken, dass er ein Angebot, in seinem alten Beruf als Maschinenschlosser zu arbeiten, erhalten habe und er an seine Rente denken müsse. Noch bliebe ihm genug Zeit dafür. Maja, die inzwischen realisiert hatte, dass es nie wieder eine Weihnachtsparty im Pepper’s geben würde, schluchzte laut und Karsten, der mittlerweile am anderen Ende des Landes lebte und jedes Jahr nur für die Weihnachtsfeier zurückkam, reichte ihr ein Taschentuch. Sie saßen bis tief in die Nacht zusammen und versicherten sich, sich wiederzusehen, auch wenn jeder wusste, dass das Verfallsdatum dieses Versprechens nach ihrer Ausnüchterung am nächsten Morgen bereits erreicht sein würde.


    Als alle Gäste des Sommerfests mit Getränken versorgt waren, setzte sich Arnd zu Bernd auf die oberste Stufe des Nichtschwimmerbeckens und sah in das Gesicht seines Freundes, das erholt und beinahe faltenfrei wirkte. Ob Falten verschwinden konnten? Er wusste es nicht, doch unmöglich schien es nicht. Bernd zeigte auf ihr gemeinsames Spiegelbild im Wasser und bedauerte, dass im Freibad Ausschankverbot für Alkohol herrschte. Dieses Problem ließe sich lösen, entgegnete Arnd und holte aus seiner Satteltasche ein Sixpack irischen Biers, das unverkennbar für das Pepper’s gestanden hatte. Als sie die letzte Dose geleert hatten, gingen sie in Richtung Ausgang. Während sich Bernd mit einem angedeuteten Faustschlag gegen die Brust seines Freundes verabschiedete, zog Arnd aus seinem Rucksack eine leicht geknitterte Papierrolle, auf der eine grüne Baumspitze zum Vorschein kam und überreichte sie grinsend mit dem Hinweis auf ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk.

    Auf dem Weg nach Hause spürte er, wie der Alkohol ihm zu Kopf stieg. Arnd dachte an seinen Chef, den er möglicherweise unterschätzt hatte, an den Nutzen eines Lastenrads und an den vergessenen Liedtext, der ihm nun wieder einfiel und großzügig versprach, dass das Beste vor ihnen läge. Der Mond schien in dieser Nacht außergewöhnlich groß und hell, als wolle er den Weg weisen. Arnd trat kräftiger in die Pedale und spürte wie der leichte Wind seine Müdigkeit vertrieb und plötzlich fühlte er eine unendliche Dankbarkeit für die Freiheit, die ihm sein Beruf bot.



    Nachlese

    Die Geschichte ist meiner Fantasie entsprungen, doch das Pepper’s und Bernd haben tatsächlich existiert, nur unter anderem Namen. Auch das jährliche Sommerfest mit einer Spendenaktion für einen wohltätigen Zweck und die Weihnachtsparty, die ich nie besucht habe, haben stattgefunden. Vor einigen Jahren wechselte der Inhaber der Kneipe und die einzigartige Atmosphäre und das Stammpublikum gingen verloren. Auch mich zog es nicht mehr dorthin. In diesem Jahr wurde der Kneipenbetrieb dann endgültig wegen Zahlungsschwierigkeiten eingestellt. Die Zeit vergeht, was bleibt, sind meine Erinnerungen an einen warmherzigen Menschen, der mich in seiner Kneipe gastlich empfing.