Zitat:
„Wie will man physikalische Effekte in Tausenden Quadratkilometern Fläche aufhalten? Ich habe absolut keine Idee und frag’ mich schon seit Längerem, ob dies nicht schlicht das Ende der gesellschaftlichen Ordnung ist, das Ende der Zivilisation, vielleicht das Ende der Welt.“
So hat es mir gefallen:
Antinomie – aus dem Altgriechischen übersetzt bedeutet es in etwa: „Unvereinbarkeit von Gesetzen.“ Und genau darum geht es in diesem Buch.
Müsste ich ein Emoji für die Handlung nehmen, wäre es wohl 🤯. Denn mit dem Buch gelingt Steffen Vogt ein spannender und anspruchsvoller Techno-Thriller, der die Grenzen der Realität dehnt. Schon der Einstieg in die Geschichte im Jahr 1961 – eine Zeit, die vom Kalten Krieg und globaler Unsicherheit geprägt ist – ist hervorragend gelungen. Der mysteriöse „Black Storm“, der unerklärlich tobt und die Hintergrundstrahlung weltweit steigen lässt, dient als Vorbote für die düsteren Entwicklungen in der Gegenwart. Und hier entfaltet Vogt sein ganzes Können: Die übernatürlichen wie unlogischen Anomalien, die Geheimorganisation SUP und der junge Jan, der mitten im Zentrum dieser Ereignisse steht, schaffen ein beklemmendes Szenario, das gleichzeitig wissenschaftlich fundiert und aufregend spekulativ wirkt.
Der Autor nimmt sich gerade in der ersten Hälfte des Buches sehr viel Zeit, um die Figuren, insbesondere Jan, vorzustellen. Diese Tiefe macht ihn zu einer spannenden Figur, da Jan auch der Mittelpunkt dieser Geschichte ist. Für meinen Geschmack hat sich Vogt sogar etwas zu viel Zeit für die Figurenausarbeitung genommen – so viel wäre gar nicht nötig gewesen. Die dichte Atmosphäre und das hohe Erzähltempo, vor allem im zweiten Teil des Buches, machen das aber mehr als wett. Besonders gut hat mir gefallen, wie Vogt die Ereignisse rund um den Globus gekonnt in die Sichtweisen der Figuren einbaute, zum Beispiel durch Radio, Fernsehen oder Zeitung. Das wirkt sehr viel natürlicher, als die Ereignisse nur zu beschreiben. Das Ganze verstärkt den Eindruck, dass die Welt tatsächlich am Rande des Zusammenbruchs steht.
Ab der zweiten Hälfte des Buches geht es dann so richtig zur Sache: Das Kopfkino läuft auf Hochtouren, und das Finale ist – im besten Sinne des Wortes – mindblowing. Vogt liefert ein Spektakel, das völlig überwältigt. Ein kleines Manko: Die technische und wissenschaftliche Dichte des Buches dürfte für Leser:innen, die mit diesen Themen gar nichts zu tun haben, etwas überfordernd sein. Hier könnte in kommenden Auflagen ein kleines Glossar eine willkommene Ergänzung sein.
Antinomie ist ein intelligenter, spannender und anspruchsvoller Thriller, der die Grenzen der Wissenschaft ausreizt. Für Fans von Techno-Thrillern ist dieses Buch ein absolutes Muss und definitiv keine Lektüre für zwischendurch.
9/10 Leseempfehlung