Sagen wir es mal so, es täte allen Seiten gut, mal von den Extremmeinungen weg zu kommen. In der Mitte liegt der Weg
Thomas Gottschalk - Ungefiltert
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Ich finde, das (größtenteils anonyme) Gottschalk-Bashing mindestens ebenso fragwürdig. Und ich bin auch der Meinung, dass er nicht ganz unrecht hat, was ein paar grundsätzliche Fragen anbetrifft, etwa solche der Toleranz und des Anspruchs auf die ethische und moralische, mit extrem großen Löffeln gefressene Weisheit. Gerade die Woken üben sich ganz besonders in Intoleranz, das scheint mir unwiderlegbar zu sein
Ich denke, Gegenstimmen zu übertriebener Wokeness wären durchaus wichtig, aber Thomas Gottschalk wird sicherlich nicht derjenige sein, der zu einer Ausbalancierung dieser Debatte beiträgt. Ich persönlich finde es naiv, da irgendetwas anderes als Kalkül von Gottschalk hineinzulesen.
Es ist doch so, dass Entertainer und Komiker wie Gottschalk ein bestimmtes Auftreten in den 80ern und später hatten, das zu der Zeit erfolgreich war, inzwischen aber eher aus der Zeit gefallen wirkt, was durchaus auch etwas mit gesellschaftlichen Fortschritten zu tun hat. Nun hat er in seiner Position die Möglichkeit, entweder still auf Mallorca oder so seinen Lebensabend zu genießen, sich neu zu erfinden oder aber mit der alten Masche relevant zu bleiben. Das ist nicht nur seine Taktik, sondern auch die anderer in ähnlicher Position: Man macht das „aber man darf ja überhaupt nichts mehr sagen“ zum Programm, womit man gleichzeitig genau dem Publikum gefällt, das dieser alten Zeit nachtrauert (was ja auch deren Recht ist) und eine Wut gegen diesen Kulturwandel in sich trägt. Dadurch wird man direkt zu einer Art Vorkämpfer für diese gefühlte Ungerechtigkeit. Dieses Publikum ist so groß, dass ich sogar Verständnis für jeden habe, der genau auf dieses Zielpublikum abzielt, um relevant zu bleiben; monetär wird es sich sicherlich auch lohnen. Aber ich sehe darin keine politische Gesellschaftskritik, nur Kalkül.
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Na ja, wenn Du die CRT vertrittst oder der Überzeugung, dass man kulturelle Aneignung betreibt, wenn man sich ein Chili kocht oder zu Techno tanzt, oder dass jemand transphob ist, weil er oder sie irgendwie an die Existenz biologischer Geschlechter "glaubt", dann hältst Du das selbst nicht für eine Extremmeinung, sondern für die Wahrheit und das Richtige, und dann ist ein Abrücken davon in Richtung irgendeiner "Mitte" schwierig. Ich denke auch nicht, dass das erforderlich wäre (fast alle Meinungen sind nämlich absolut okay und dürfen vertreten werden), aber das Unerbittliche daran, das Strikte im Umgang, davon müsste man abrücken. Das ist aber in weiter Ferne oder sogar illusorisch. Stattdessen übt man sich in clickbaitgeiler Bigotterie und beleidigt die Alten Weißen Männer kategorisch, vergeht sich also gleich an vier eigenen Grundsätzen, was an dieser Stelle absolut in Ordnung zu sein scheint, weil die Grundsätze nicht für alle gelten.
Das ist natürlich alles nicht wirklich ein Grund, sich aufzuregen, und es wäre angebrachter, dem mit einer gewissen (gerne auch weißealtemännermäßigen) Coolness zu begegnen, was aber nur dann wirklich machbar ist, wenn die eigene Situation so gefestigt ist, das damit keine existentielle Bedrohung einhergeht. Ich weiß, das Gefasel über Cancel Culture in allen Varianten nervt auch, aber faktisch befinden wir uns in einer komplett irren Situation: Da werden Nazis und populistische Stalinisten in die Landtage gewählt und dürfen dort wortreich in und auf die Demokratie kacken, und andererseits musst Du Dir anhören, Sexist, Rassist oder in einer beliebigen Kategorie phob zu sein, weil Du eine Formulierung verwendet hast, ohne Dich vorher abzusichern, dass sie dem derzeitigen Wokenessstandard entspricht. Das ist schon skurril und nicht unproblematisch, und es hat eigentlich wenig mit Extremen zu tun, sondern viel mehr damit, dass Fraktionierung und Polarisierung an die Stelle aller Diskurse getreten sind. Und dass Attacken auf Personen einfacher sind als die dezidierte Reaktion auf die von ihnen vertretenen Meinungen. Genau wie hier, im Fall Gottschalk übrigens.