Nideggen ist ein kleines, beschauliches, geradezu pittoreskes Örtchen in der Eifel. Hoch über dem Ort thront die Burg. Hier sollte am Abend ein „Mordsvergnügen“ mit gleich drei Krimilesungen und musikalischer Untermalung stattfinden.
Nach einem Abendessen in der Altstadt ging es für uns über kleine, kopfsteingepflasterte Sträßchen hoch zur Burg. Dort empfing uns ein mit Fackeln beleuchteter Weg. Überhaupt war das ganze Gelände mit Fackeln, Feuerschalen, elektrischen Kerzen oder Laternen erleuchtet. Eine ganz besondere Atmosphäre.
Wir erkundeten zunächst das Gelände und begrüßten dann als Erstes Dieter, der sich über Eulenbesuch freute. Auf dem Außengelände wurden die Besucher schon musikalisch unterhalten. Gegen eine freiwillige Spende wurden Wasser, Cola und verschiedene Weine ausgeschenkt. Auch für den einsetzenden Regen hatte man vorgesorgt und ausreichend Regenschirme bereitgestellt.
Bald schon ging es los: Ein Grußwort der Veranstalterin, die Vorstellung der beteiligten Autoren. Dies alles eher kurzgehalten, denn die Schirme waren zu Beginn der Veranstaltung tatsächlich nötig. Zusammen mit den Eintrittskarten hatten wir farbige Kärtchen erhalten – wir waren Teil der rosa-farbenen Gruppe. Insgesamt gab es drei Gruppen, welche von in Umhänge und Hüte gewandeten Damen zu den jeweiligen Lesungen begleitet wurden.
Erste Station unserer Gruppe war die kleine Kapelle im Untergeschoss des Bergfrieds. Ein eher kühles Gewölbe, das mit Kerzen ausgeleuchtet war. Wir fanden Platz in einer durchaus beengten Kirchenbank, die bei jeder Bewegung kippelte. Entsprechend verkrampft war die Sitzhaltung. Ein Glück, wenn man nicht ganz so hochgewachsen war, so hatte man die Chance, seine Beine einigermaßen zu sortieren.
Die Lesung begann – erster Autor: H. Dieter Neumann. Dieter las jedoch nicht direkt aus seinem Krimi vor, sondern erzählte zunächst frei von seiner beruflichen Laufbahn und wieso er erst spät in das Autorengeschäft eingestiegen ist. Seine ersten Bücher erschienen in einem kleinen Verlag, bevor dann schließlich Piper auf ihn aufmerksam wurde. Man hatte bestimmte Vorstellungen von den Krimis, die von ihm geschrieben werden sollten. Hoch im Norden sollten sie spielen, im echten Norden (nicht bloß im Norden Niedersachsens). Hier bot sich das schleswig-holsteinische Grenzgebiet und die besondere Situation der in diesem Gebiet lebenden dänischen Minderheit geradezu an – die Idee zu den Kira Lund-Krimis entstand.
Dieter entführte uns nun kurz in die deutsch-dänische Geschichte dieses Gebietes. In Deutschland wenig bekannt, lebt man in dieser Region eng mit den dänischen Nachbarn (und umgekehrt auf der anderen Seite der Grenze die Dänen mit den deutschen Nachbarn) zusammen. Die Grenze zwischen Deutschland und Dänemark wurde nach der Volksabstimmung 1920 gezogen. Aber wie es mit Grenzziehungen ist – manche werden dadurch eben ausgegrenzt. Allein in Flensburg, einer Stadt mit knapp 100.000 Einwohnern, machen die dänischen Staatsbürger, die ihren Erstwohnsitz dort haben, heute noch 25 % aus. Die dänische Minderheit ist im schleswig-holsteinischen Landtag vertreten (unter Befreiung von der 5%-Hürde).
Vor diesem Hintergrund entstand die Reihe um Kira Lund, einer dänisch-stämmigen TV-Journalisten im schleswig-holsteinischen Grenzgebiet. Gelesen wurde aus „Stumme Gräber“, der aktuelle und dritte Teil der Reihe, der eben genau diese Grenzbeziehungen zu Dänemark thematisiert. Der Prolog ist äußerst spannend und die Zuhörenden waren völlig gebannt von Dieters Vortrag. Gleich nach dem Prolog wurde noch eine Passage über Kira und ihre Arbeit verlesen, ein kurzer Schwenk zu Helene Christ als Nebenfigur durfte natürlich auch nicht fehlen. Viel zu schnell ging diese erste halbe Stunde Lesungszeit vorbei! Man wollte Dieters Stimme gerne noch weiter lauschen, doch für unsere Gruppe ging es nun zur nächsten Lesung hoch in das oberste Geschoss des Bergfrieds.
Der Weg dorthin hatte es in sich: Zunächst erklommen wir eine schmale, steile Treppe, bis wir vor dem Eingangsbereich des Bergfrieds standen. Innen ging es weitere Stufen hoch, eine Kurve, noch mehr Stufen, wieder eine Kurve, wieder mehr Stufen und schmale Gänge. Leider blieb wenig Zeit, sich darüber hinaus umzusehen. Schade, denn der Weg führte mitten durch das Burgmuseum. Oben angekommen blieb Zeit zum Verschnaufen. Es wurde heißer Tee ausgeschenkt und es lagen Decken aus – der Raum sollte der kälteste der Veranstaltung sein. Der Dachstuhl ist offen gebaut, ein Blick nach oben lohnt sich. Wir saßen inmitten weiterer Ausstellungsszenarien, diesmal auf richtigen Stühlen.
Der Autor, Andreas Heineke, begrüßte uns schmunzelnd mit den Worten, dass er noch nie vor Publikum gelesen habe, dass schon vorher so außer Atem war. Auch er las zunächst nicht, sondern erzählte von seinen Anfängen als Autor. Dass er eigentlich erst einen Liebesroman geschrieben habe und er daraufhin von Hejo Emons, dem Gründer des Emons-Verlags, angesprochen wurde. Dieser meinte, er habe den Roman zur Hälfte gelesen – ob denn noch jemand umgebracht würde? Dies musste Heineke verneinen, merkte aber an, dass er auch Kriminalromane schreiben könne. Und so wurde er Autor bei Emons.
Dann erzählte er von seiner Liebe zu Frankreich und speziell zur Provence, in die er sich gerne zum Schreiben zurückzieht. Die Themen, von denen er berichtete und die in seinen Provence-Krimis jeweils eine Rolle spielen, sind vielfältig. So erhielten wir Informationen zur schwierigen Trüffelzucht (um gezielt Trüffel zu züchten, werden Bäume mit Trüffelsporen an den Wurzeln gepflanzt – hieraus kann sich nach 25 bis 30 Jahren ein Ertrag ergeben – eventuell!), zum Weinanbau und der Klimakrise (Wein wird sich verändern, die Weinlese beginnt immer früher und die Reben vor Umweltschäden zu schützen wird immer schwieriger), eine in Frankreich im Untergrund angesiedelte Organisation, die gezielt gegen importierte ausländische Weine vorgeht. Und er erzählte von Peter Mayle und seinem Buch „Mein Jahr in der Provence“, welches ihn überhaupt erst inspiriert hat, dieses Fleckchen Erde besuchen zu wollen. Von seiner Recherchearbeit erfuhren wir auch – und dass ihm die Recherche zum Thema „Wein“ und die damit zusammenhängenden Geschmacksproben am meisten gefallen haben.
Schließlich las Heineke noch aus seinem Krimi „Auslese à la Provence“. Erst den Prolog, welcher ebenfalls harter Tobak ist. Und dann noch etwas „Lustiges“, eine Szene, in der es um den Kommissar und seinen Kumpel den Rechtsmediziner geht. Die Lesung war auch hier wieder sehr kurzweilig, der Autor ebenfalls sehr sympathisch. Viel zu schnell mussten wir wieder weiterziehen.
Nach diesem unterhaltsamen Ausflug in die Provence führte uns unsere Begleiterin in die untere Etage hinab, diesmal über eine gut ausgebaute Wendeltreppe und erneut quer durch verschiedene Ausstellungsräume. Im dritten Raum warteten dann gepolsterte Sessel auf uns – und das Duo Dr. Peter Jackob und Peter Metzdorf. Während der eine Peter der Autor ist (Dr. Jackob), ist der andere Peter (Metzdorf) Hauptkommissar a.D. Beide zusammen führten äußerst unterhaltsam durch die nächste halbe Stunde. Im Zwiegespräch zwischen „richtigem“ und „falschem“ Kommissar erhielten wir interessante Einblicke in die kriminalistische Polizeiarbeit und die davon oftmals weit abweichende literarische Umsetzung. Geklärt wurden zum Beispiel Fragen, ob sich ein Kommissar denn auch Krimis im Fernsehen anschaut und wie bei bundeslandübergreifenden Ermittlungen vorgegangen werden muss. Gelesen wurde natürlich auch, aus dem Krimi „Am Limit“, in dem es um Doping geht. Und am Ende wurde uns allen anhand eines Tangram-Spiels noch aufgezeigt, wie Polizeiarbeit zusammenspielen muss, damit der „gesetzliche Rahmen“ gewahrt bleibt. Eine äußerst fesselnde halbe Stunde! Das Zwiegespräch der beiden ist üblicherweise übrigens abendfüllend, die sonst zweistündige Veranstaltung lohnt sich für Krimi-Interessierte mit Sicherheit.
Viel zu schnell gingen die Lesungen vorbei. Als wir wieder vor den Bergfried traten, empfingen uns die beiden Musikerinnen mit Nino Rotas Thema aus „Der Pate“. Und auch die weitere musikalische Untermalung passte stilecht zur Kriminacht.
Es gab noch Gelegenheit, das ein oder andere Buch zu erwerben, sich signieren zu lassen und mit den Autoren ins Gespräch zu kommen. Im Anschluss fand noch ein kleines Grüppchen im Burgrestaurant zusammen um gemeinsam einen Absacker zu trinken und sich zu unterhalten. Dieter stieß irgendwann ebenfalls dazu und plauderte noch ein wenig aus dem sprichwörtlichen Nähkästchen.
Der Abend war in der Tat ein Mordsvergnügen – ein Event, dass man sich merken sollte und dessen Besuch sich wirklich lohnt. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Dieter; zum einen für die Lesung an diesem Abend, aber zum anderen auch für das Aufmerksammachen auf diese schöne Veranstaltung!