'Jenseits der Ngong Berge' - Seiten 197 - 306

  • Dieser Abschnitt hat es in sich. Ich konnte sehr schlecht einschlafen.


    Ich habe zeitweilig Mitgefühl und auch Verständnis gegenüber Karen gehabt, aber auch Wut entwickelt. Ruth geht es ebenso, denn auch sie setzt sich kontrovers vor einigen Buchseiten damit auseinander.


    Onkel Aage und Karens Mutter haben unendliche Geduld und beweisen weiterhin Großzügigkeit. Die anderen Investoren sind, zu Recht, nicht so nachgiebig.


    Karen liebt das Leben in Afrika. Akzeptiert. Sie ist für mich eine Person mit gespaltener Persönlichkeit. Ihre gesundheitlichen Probleme führen dazu, dass sie wochenlang ausfällt. Ich kann nicht verstehen, als sie mit Übergabe der Plantage, nach Europa mit Broe über Monate reist. Sie es sich gut gehen lassen, sie schicke Kleider kauft und in guten = teuren Hotels wohnen und Karens Mutter dies finanzieren lassen.

    Sie sind keine jungen Leute mehr, warum strengen sie sich nicht an, streben nach finanzieller Unabhängigkeit?


    Bror zeigt noch viel weniger Interesse an der Kaffeeplantage. Wie finanziert er eigentlich sein Leben dort künftig?


    Witterungsbedingte Ernteausfälle, Erkrankungen bei den Natives, politische Unruhen, all das können Bror und Karen nicht beeinflussen, aber, wenn sie Afrika doch so liebt, warum verlässt sie ihre Scholle für Vergnügungen über Monate?


    Bror hat seine Affären und mehrere Liebschaften, Karen und er lassen sich ihre Freiheiten in der Ehe. Karen hat während der Ehe auch ihren Liebhaber, Denys. Ich wusste zwar, dass sie nach der Scheidung von Bror zusammen mit Denys gelebt hat, aber nicht, dass sie in der Ehe bereits miteinander lebten.


    Karen führt den Suizid des Vaters für ihre Probleme an... ich muss aber anmerken, trotz allem hat sie, dank der mütterlichen finanziellen Unabhängigkeit, weiter ein zumindest unbesorgtes Leben geführt. Viele Frauen, die jung Witwe wurden, haben damals, wie heute nicht mehr den selben Lebensstandard für ihre Kinder aufrecht halten können.


    Karen bringt durch Unbesorgtheit andere in Gefahr. Das Baden im Fluss mit dem aufgeschreckten/gestörten Krokodil war eine sehr kritische Situation.


    Schön ist die Beschreibung, als Karen im Busch von der älteren Frau gesegnet wird und die befestigten, für sie vorher unbekannten Wege, entdeckt. Wie Karen sich um Wunden kümmert und verantwortlich fühlt und auch ist, dass es zumindest ausreichend Maisbrei gibt.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • In diesem Abschnitt erlebt Karen durchaus harte Zeiten:


    Sie zweifelt am Sinn und Fortbestand ihrer Ehe, sieht aber keine Alternative als die Ehe, um ihr Leben in Kenia unverändert weiter führen zu können. Sie waren gute Freunde, aber Bror verrät sie durch seine Untreue und später im Abschnitt auch durch sein Verhalten während ihrer Abwesenheit (ich denke hier an das Chaos, dass sie nach ihrer Rückkehr auf der Farm erwartet).


    Interessant finde ich, dass die ganze Familie nun Geld uns Unternehmen steckt, so dass Bror und Karen (naja... eher wohl nur Karen) das größte Kaffeegebiet Britisch-Ostafrikas zu jener Zeit bewirtschaften. Allein deswegen finde ich es so skandalös, wie die beiden das Geld auf ihrer Reise nur so verschleudern.


    Hier habe ich mir nämlich auch fast ein Schleudertrauma beim Kopfschütteln geholt: Als „Vorschuss auf die Gewinne“ leisten sie sich einen schicken Zweisitzer, teuerste Hotels und mehr. Man spürt in den Einschüben aus der Gegenwart auch immer, wie sehr auch Ruth hierfür das Verständnis fehlt. Das zeigt beide – diesmal eben nicht nur Bror – als naiv und völlig lebensfern. Gerade bei der ansonsten so pragmatischen und vernünftigen Karen stört mich das sehr. Aber ja, es mag durchaus auch eine Flucht vor der Realität sein.


    Auch die vielen Ideen, die Bror hat – hört sich alles gut an, aber die Umsetzung langweilt ihn, so dass alle Arbeit an Karen hängenbleibt. Er ist sprunghaft und verantwortungslos. Er führt das Daseins eines Lebemanns, dabei ist er finanziell immer von den Familien abhängig.


    Gut gefallen haben mir die Szenen über Karen: wie sie sich um ihre Leute kümmert und kleinere Gebrechen mit den Hausmitteln aus Rungstedlund behandelt, auch wie sie von der alten Frau „gesegnet“ wird. Ihr Verhalten unterscheidet sich sehr von dem vieler anderer Kolonialisten, die deswegen sicher abschätzig über sie denken oder sie im besten Fall noch als exzentrisch bewerten.


    In diesem Abschnitt wimmelt es nur so von Schicksalsschlägen: schlechte Ernten, Geldnot, der Tod von Brors Zwillingsbruder und Daisys Selbstmord, Dusks Tod, ihr Reitunfall, die beiden Totos, der Vorfall mit dem Krokodil... Mir hat übrigens die Bezeichnung „Shauries“ für Probleme, für die man selbst nichts kann, sehr gut gefallen. Sollte ich in meinen Wortschatz übernehmen. :lache


    Interessant finde ich übrigens auch Denys' Aussehen, der laut Beschreibung und Fotos für mich eher wie ein englischer Dandy als der Draufgänger wirkt, der er zu sein scheint. Klar hat man, wenn man den Film kennt, immer Robert Redford vor Augen. Der machte natürlich vor der Kamera mehr her. :grin


    Ist eigentlich die Herleitung des Names Tania aus Titania verbürgt? Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, konnte dazu aber nichts finden. :gruebel


    Karen leidet hier wieder gesundheitlich, nun erfährt auch ihre Familie von der Syphilis und Brors Anteil daran. Doch auch der Reitunfall legt sie wieder wochenlang lahm und die Typhus ebenfalls. Ich denke mal, dass auch die Krankheiten ein ganz zentrales Thema in Karens Leben sind und die Ursache, dass sie gerade auch in den späteren Jahren so extrem zerbrechlich wirkt.


    Ich habe mich hier auch kaum gewundert, dass Karen zur Scheidung von Bror gedrängt wird, nachdem die Familie nun „Bescheid“ weiß. Es wird bei ihrer Rückkehr ja auch nicht besser: Bror pleite, Rückkehr in chaotische Zustände auf der Farm. Zum Glück wird sie von ihrem Bruder Thomas begleitet, der mit zupackt.


    Als auch ihr Onkel Aage Westenholz sich ein Bild vor Ort macht und ganz angetan ist, hofft man zumindest, dass nun endlich alles gut wird (auch wenn man es natürlich besser weiß...)


    Gucci

    Ich denke mir hier, dass Karens Verhalten sicher mit ihrer Herkunft und der mangelnden Schulbildung zusammen hängt und auch damit, dass ihr Vater als Vorbild sie so früh verlassen hat. Ich denke, sowas kann man weitestgehend durch Bildung lernen und auch dadurch, dass man Schritt für Schritt Verantwortung übertragen bekommt. Aber Karen stammt aus einem wohlhabenden Haus und wuchs sehr behütet auf.


    Ich sehe Karen durchaus ambivalent: auf der einen Seite ein Mensch, der seine Mitmenschen unabhängig von Geschlecht oder Rasse gut behandeln möchte. Eine Frau, die zupackt und sich für nichts zu schade ist. Eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben und selbst ihren Mann steht. Das ist für mich die "afrikanische Karen".


    Und dann sehe ich die "dänische Karen", die vor Problemen lieber die Augen schliesst und davonläuft, als sich ihnen zu stellen, weil sie es nie gelernt hat. Beide sind im Widerstreit, aber oft gewinnt die afrikanische Karen - zum Glück. Denn die ist die lebenstauglichere von beiden. ;)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Mir ging es ähnlich wie euch. Kopfschüttelnd habe ich gelesen, wie Karen und Bror nach Europa fahren und es sich gut gehen lassen. Sie geben Geld aus, das nicht ihres ist. Als Vorschuss auf zu erwartende Gewinne kaufen sie sich einen schicken Zweisitzer. Für zwei Menschen, die schon jenseits der dreißig sind, benehmen sie sich recht verantwortungslos.


    Zitat

    Ich denke mir hier, dass Karens Verhalten sicher mit ihrer Herkunft und der mangelnden Schulbildung zusammen hängt und auch damit, dass ihr Vater als Vorbild sie so früh verlassen hat. Ich denke, sowas kann man weitestgehend durch Bildung lernen und auch dadurch, dass man Schritt für Schritt Verantwortung übertragen bekommt. Aber Karen stammt aus einem wohlhabenden Haus und wuchs sehr behütet auf.


    Ich sehe Karen durchaus ambivalent: auf der einen Seite ein Mensch, der seine Mitmenschen unabhängig von Geschlecht oder Rasse gut behandeln möchte. Eine Frau, die zupackt und sich für nichts zu schade ist. Eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben und selbst ihren Mann steht. Das ist für mich die "afrikanische Karen".


    Und dann sehe ich die "dänische Karen", die vor Problemen lieber die Augen schliesst und davonläuft, als sich ihnen zu stellen, weil sie es nie gelernt hat. Beide sind im Widerstreit, aber oft gewinnt die afrikanische Karen - zum Glück. Denn die ist die lebenstauglichere von beiden. ;)


    Batcat Wahrscheinlich hast du mit deiner Einschätzung Recht und Karens Verhalten gründet in ihrer Herkunft. Sie stammt aus einer wohlhabenden Familie in der es ihr an nichts fehlte.

  • Sie sind keine jungen Leute mehr, warum strengen sie sich nicht an, streben nach finanzieller Unabhängigkeit?


    Bror zeigt noch viel weniger Interesse an der Kaffeeplantage. Wie finanziert er eigentlich sein Leben dort künftig?

    Hallo aus dem Zug, es sind viele Fragen aufgelaufen, ich hoffe, dass ich alle finde und heute im Laufe des Tages beantworte.

    Wie finanziert Bror seine Leben zukünfitg? Bror macht horrende Schulden. Zeitweise muss er sich sogar verstecken, damit man ihn nicht einsperrt. Es ist Karen, die dem Gläubiger davon abhält , Bror weiter zu verfolgen. Später wird Bror nur noch als Safari-Führer arbeiten und damit auch nicht besonders reich. Er stirbt ziemlich arm und allein bei einem Autounfall in Dänemark.


    Warum streben sie nicht nach finanzieller Unabhängigkeit? Gute Frage. Ich kann es mir nur so erklären, dass beide als Kinder reicher bzw. adliger Familie nicht gelernt haben, sich darum zu kümmern. Als hätten sie ein Recht darauf, dass die Familie sie immer weiter unterstützt. Was die Familie ja auch macht. Es scheint also in ihrer Zeit gar nicht so gewesen zu sein, dass irgendwer ihnen gesagt hätte "Was denkt Ihr Euch eigentlich dabei?" Das ist für uns gar nicht so leicht nachzuvollziehen - obwohl ich denke, dass das auch in manchen Kreisen genauso noch passiert. Und eigentlich will Karen ja erfolgreich und unabhängig sein. Sie möchte so gerne, dass die Farm ein Erfolg wird. Aber sie findet den Moment nicht, abzuspringen und zu sagen, das wird hier nichts mehr. Weil sie sich von diesem Lebenstraum erst verabschieden kann, als alles in Trümmern liegt?

  • Ist eigentlich die Herleitung des Names Tania aus Titania verbürgt? Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, konnte dazu aber nichts finden.

    ja, so gut verbürgt, wie es eben geht. 100 Prozent gibt es da selten. Denys nannte sie aber ziemlich sicher als Erster so. Und sie hat einmal verfügt, dass auf ihrem Grabstein, sollte sie in Afrika sterben und begraben werden, Tania Blixen stehen sollte.

  • Mir ging es ähnlich wie euch. Kopfschüttelnd habe ich gelesen, wie Karen und Bror nach Europa fahren und es sich gut gehen lassen. Sie geben Geld aus, das nicht ihres ist. Als Vorschuss auf zu erwartende Gewinne kaufen sie sich einen schicken Zweisitzer. Für zwei Menschen, die schon jenseits der dreißig sind, benehmen sie sich recht verantwortungslos.

    absolut, sehe ich genau so. Aber man darf auch nicht vergessen, dass sie aus einer gesellschaftlichen Schicht kamen, in der es auch üblich war, sich Luxus zu gönnen. Nie hat jemand von ihnen erwartet, sie sollten 2. Klasse fahren... nur Onkel Aage wird am Ende (habt Ihr das schon?) strenger.

  • In diesem Abschnitt passiert ja richtig viel. Ich habe mir versucht ein paar Notizen zu machen, aber wahrscheinlich habe ich mir nicht alles notiert, was hier wirklich wichtig ist.


    Mir geht es in großen Teilen so wie Euch: ich kann oft das Verhalten von Tanne nicht verstehen und nachvollziehen. Sie benimmt sich wie ein verwöhntes Kind, obwohl sie schon erwachsen ist und eigentlich viel mehr Verantwortung übernehmen müsste. Sie gibt viel mehr Geld aus, als gut für sie ist. Sie kümmert sich zwar einerseits mit ganzem Herzen um die Leute auf der Farm, versucht sich für die Bildung der Kinder einzusetzen und kümmert sich um die medizinische Versorgung. Das finde ich wirklich toll und bewundernswert von ihr. Aber auf der anderen Seite gönnt sie sich ein protziges Leben obwohl sie weiß, dass es so schlecht um die Finanzen der Farm steht und sie leiht sich ständig Geld von ihrer Familie ohne groß darüber nachzudenken.


    In diesem Abschnitt geht es auch immer wieder um Tannes Gesundheit. Da kommt sie mir vor wie ein kleines "Stehaufmännchen" . Es ist schon Wahnsinn, wie oft sie krank ( Syphilis, Thyphus...) ist oder sich Verletzungen zuzieht und sich dann doch immer wieder erholt und die schwere körperliche Arbeit auf der Farm durchführen kann. Da bewundere ich sie dann wieder um ihren Kampfgeist.


    Ich habe mich auch lange gefragt, warum sie so lange an der Ehe mit Bror festgehalten hat und nicht eher einer Scheidung zugestimmt hat. Sie liebt ihn nicht, Bror kümmert sich überhaupt nicht um die Farm und macht sowieso was er will. Da ist es doch für Tanne wirklich besser, als es endlich zu der Scheidung kommt.


    Was mir hier noch aufgefallen ist. Tanne hat eine Lieblingsstute mit Namen Rouge :love: Ich selbst hatte für mehrere Jahre ein Pferd mit dem Namen Rouge ( deswegen auch mein Nickname hier im Forum ) Leider ist mein Pferd schon relativ früh wegen einem Herzfehler gestorben. Aber ich freue mich hier beim Lesen immer, wenn das Pferd Rouge erwähnt wird. :-]

  • Gut gefallen haben mir die Szenen über Karen: wie sie sich um ihre Leute kümmert und kleinere Gebrechen mit den Hausmitteln aus Rungstedlund behandelt, auch wie sie von der alten Frau „gesegnet“ wird.

    Diese kleine Episode mit der Segnung von Tanne hat mir auch extrem gut gefallen. Und der Name, der ihr gegeben wird: "Lioness" passt ja auch hervorragend zu ihr. Um die Dinge die ihr wichtig sind kämpft sie wie eine Löwin.

    Es muss für sie bestimmt auch schwer gewesen sein, dass sie wegen der Erkrankung keine Kinder haben konnte. Ich habe beim Lesen ständig das Gefühl, dass sie sehr kinderlieb ist und sich besonders um die Kinder auf der Farm sorgt und kümmert.

  • Was mir hier noch aufgefallen ist. Tanne hat eine Lieblingsstute mit Namen Rouge Ich selbst hatte für mehrere Jahre ein Pferd mit dem Namen Rouge ( deswegen auch mein Nickname hier im Forum ) Leider ist mein Pferd schon relativ früh wegen einem Herzfehler gestorben. Aber ich freue mich hier beim Lesen immer, wenn das Pferd Rouge erwähnt wird.

    diese Geschichte von Dir hat mich sehr berührt, die Verbindung hatte ich noch gar nicht gezogen...

  • LIebe Eulen, mir ist aufgefallen, dass Ihr Karens Verhalten immer wieder auch sehr kritisch beurteilt, vor allem den sorglosen Umgang mit Geld, die Erwartung, dass man ihr das Leben ermöglicht, das sie führen will. Ich sehe das genauso kritisch wie ihr und es war mir wichtig, das zu zeigen und sie nicht zu einer Heiligen zu machen. Denn gerade hier, in dem Schnittpunkt von egozentrischer, verwöhnter Tochter und der Farmherrin, die sich für ihre Leute einsetzt, die versucht, die Farm zu retten, sehe ich auch das, was mich so an ihr fasziniert. Eine Karen, die immer das richtige macht, fände ich langweilig. Aber eine Karen, die sich anstrengt, die ihre Grenzen überwindet, die ihren Stolz überwindet, die finde ich spannend. Eine Frau, die alles verliert und sich aus dieser Tiefe herauskämpft, von der lerne ich auch etwas. Nicht, dass ich mir ihre Methoden aneignen möchte (andere unter Druck setzen z.B.), aber diese tiefe Lebensbejahung, dieses Nichtaufgeben, dieses Kämpfen, das mag ich an ihr. In diesem Punkt hat sie auch vieles mit Frida Kahlo gemeinsam.

  • Mit Frida Kahlo werde ich mich auch noch beschäftigen. Hab schon so einige Bücher zusammengetragen, die nun bei meiner Kollegin im Regal stehen.

    Genau, Maren, das gefällt mir am Buch, dass Du Karen so beschrieben hast und dadurch nicht erwartet hast, dass wir von ihr grenzenlos begeistert sind und schreiben "was für eine tolle Frau". Als ich nach diesem dritten Leseabschnitt schrieb, schlecht geschlafen zu haben, lag das daran, weil ich mich über Karen geärgert habe, Ich fragte mich, wie Du wohl darauf reagierst, dass ich wütend auf Karen geworden bin? Sehe ich es zu kritisch? Finden die anderen ihre Ansprüche der Zeit angemessen? Eigentlich muss es Dich gefreut haben, denn Du hast Emotionen bei mir hervorgerufen.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Ich fragte mich, wie Du wohl darauf reagierst, dass ich wütend auf Karen geworden bin?

    Liebe Gucci,

    damit habe ich gar kein Problem. Im Gegenteil, ich freue mich darüber, dass Ihr Euch mit Karen so intensiv auseinandersetzt, denn das habe ich ja auch getan. Ich wollte mit meinem Post vorhin nur sagen, dass genau das für mich Menschen ausmacht, über die ich gerne schreibe: Menschen können oft so kleinlich und hässlich zueinander sein, selbstsüchtig und neidisch und dann wieder wachsen sie über sich hinaus und sind zu großen, schönen, ehrlichen Gefühlen fähig, stürzen sich in die Arbeit, um für andere da zu sein, stellen die eigenen Bedürfnisse zur Seite, treten mutig für andere ein, wagen es, sich gegen den Rest der Welt zu stellen. Menschen haben Brüche in ihrem Leben, stürzen ab und liegen am Boden und rappeln sich auf. Für dieses Aufrappeln und den Neuanfang bewundere ich Karen Blixen. Aber ich sehe zugleich ihre kritischen Seiten. Doch wenn sie über sich selbst lacht, mag ich sie besonders. ;-)

  • Ich finde es gut, wenn ein Buch solche Emotionen hervorruft: dass man über die Protags oder eben hier über die reale Person nachdenkt. Das zeigt, dass die Lektüre in die Tiefe geht beim Leser und nicht nur so an einem vorbeiplätschert. Das ist ja ab und an auch OK, wenn man z.B. ein Buch bei 30° am Strand konsumiert. Aber ich mag es schon auch, wenn mein Buch mich über die bloße Lektüre hinaus noch ein wenig beschäftigt.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Diese kleine Episode mit der Segnung von Tanne hat mir auch extrem gut gefallen. Und der Name, der ihr gegeben wird: "Lioness" passt ja auch hervorragend zu ihr. Um die Dinge die ihr wichtig sind kämpft sie wie eine Löwin.

    Es muss für sie bestimmt auch schwer gewesen sein, dass sie wegen der Erkrankung keine Kinder haben konnte. Ich habe beim Lesen ständig das Gefühl, dass sie sehr kinderlieb ist und sich besonders um die Kinder auf der Farm sorgt und kümmert.

    Eure Gedanken dazu, ob Kinder in Tannes Leben vieles geändert hätten, finde ich sehr interessant. Ich glaube auch, dass sie Kinder sehr mochte und vielleicht auch dem (einsamen, traurigen) Kind in sich selbst gerne noch Trost hätte geben wollen. Wie sie dann als Mutter wirklich gewesen wäre - da habe ich keine klare Meinung zu, ich halte ganz vieles für möglich. Daher habe ich Eure Ausführungen mit Interesse gelesen, ohne viel dazu zu sagen.

  • Ich finde es gut, wenn ein Buch solche Emotionen hervorruft: dass man über die Protags oder eben hier über die reale Person nachdenkt. Das zeigt, dass die Lektüre in die Tiefe geht beim Leser und nicht nur so an einem vorbeiplätschert.

    Ich bin absolut der gleichen Meinung. Ich finde es immer gut in Büchern, wenn die Personen nicht nur eindimensional dargestellt werden, nicht nur Schwarz und Weiß , sondern verschiedenen Schattierungen haben und sich auch weiterentwickeln dürfen. Eine Person ein einem Roman muss mir nicht immer sympathisch sein, aber sie muss glaubwürdig sein. Und ich mag es mehr, wenn ich mich auch mal über sie aufregen und ärgern kann, als wenn alles nur lieb und nett ist, dabei aber einfach oberflächlich bleibt und bei mir keine Emotionen hervorruft.

  • Ja, Tanne ist ein ambivalenter Mensch… Ers kauft sie sich allerlei unnötigen schnick Schnack, allerdings wird sicher in Europa von ihr erwartet, dass sie sich entsprechend kleidet. Und ich kann verstehen, dass sie in ihrem „Urlaub“ sich auch mal was gönnen will.

    Aber sie verkauft ja später ihre Kleider auch wieder um das Leben auf der Farm zu finanzieren. Das fand ich dann doch einen guten Schritt.


    Ich glaube, was man auch nicht vergessen darf ist folgendes: Frauen sind zu ihrer Zeit auf die Ehe vorbereitet worden. Da war nichts mit Verantwortung übernehmen. Für den Haushalt gab es Personal und die Verantwortung hat der Mann in der Ehe getragen. Das das mit Bror so gar nicht funktioniert geht ihr vermutlich auch viel zu spät auf. Die Aktion mit den Freunden, die er im Haus wohnen lässt und die Schießübungen aufs Mobiliar (was für eine blödsinnige Idee!!!) sind vermutlich nochmal ein richtiger Schock gewesen. Sich nicht zu kümmern oder alles zu zerstören sind ja nochmal zwei paar Schuhe.


    Man merkt Tanne an, dass sie gelebt hat. Sie hat Erfahrungen gemacht, sich durchgekämpft und überlebt, auch wenn manchmal nur knapp. Und sie hat gelitten. Ich denke das prägt und daher kann ich ihre Eigenheit im Alter auch gut nachvollziehen. Ich finde das richtig gut beschrieben. Menschen verändern sich durch solche Erfahrungen und das ist hier toll beschrieben. Nur Bror scheint ohne jegliche Reflektion zu leben. Der lernt ja mal nie was dazu und wird immer depperter.

  • Mir geht es in großen Teilen so wie Euch: ich kann oft das Verhalten von Tanne nicht verstehen und nachvollziehen. Sie benimmt sich wie ein verwöhntes Kind, obwohl sie schon erwachsen ist und eigentlich viel mehr Verantwortung übernehmen müsste. Sie gibt viel mehr Geld aus, als gut für sie ist. Sie kümmert sich zwar einerseits mit ganzem Herzen um die Leute auf der Farm, versucht sich für die Bildung der Kinder einzusetzen und kümmert sich um die medizinische Versorgung. Das finde ich wirklich toll und bewundernswert von ihr. Aber auf der anderen Seite gönnt sie sich ein protziges Leben obwohl sie weiß, dass es so schlecht um die Finanzen der Farm steht und sie leiht sich ständig Geld von ihrer Familie ohne groß darüber nachzudenken.

    LIebe Eulen, mir ist aufgefallen, dass Ihr Karens Verhalten immer wieder auch sehr kritisch beurteilt, vor allem den sorglosen Umgang mit Geld, die Erwartung, dass man ihr das Leben ermöglicht, das sie führen will. Ich sehe das genauso kritisch wie ihr und es war mir wichtig, das zu zeigen und sie nicht zu einer Heiligen zu machen. Denn gerade hier, in dem Schnittpunkt von egozentrischer, verwöhnter Tochter und der Farmherrin, die sich für ihre Leute einsetzt, die versucht, die Farm zu retten, sehe ich auch das, was mich so an ihr fasziniert. Eine Karen, die immer das richtige macht, fände ich langweilig. Aber eine Karen, die sich anstrengt, die ihre Grenzen überwindet, die ihren Stolz überwindet, die finde ich spannend. Eine Frau, die alles verliert und sich aus dieser Tiefe

    Ich erkläre mir ihre "schwierigen" Seiten mit verschiedenen Gegebenheiten. Zum einen kommt sie ja aus einer Familie, in der Äußerlichkeiten, Status etc.p.p. sehr wichtig sind. Und es wird ja auch beschrieben, dass sie ihr Geld auch dafür braucht, diesen Duktus der Oberschicht durch Einladungen etc. auch weiter aufrechtzuerhalten. Dazu ist sie fast ein wenig gezwungen, denn sonst hätte sie nur noch Kontakt zur afrikanischen Native-Bevölkerung. Die weiße Gesellschaft in Kenia war zu der Zeit eine herrschaftliche mit Baronen und Grafen und viel Geld. Wenn sie irgendwie dabei sein wollte, musste sie Geld in die Hand nehmen und leider war das dann oft so, dass es für uns Prassen ist. Aber in den Kreisen ganz normal und selbstverständlich. Und ich unterstelle ihr einfach mal auch ganz profan, dass ihre teueren Kleiderkäufe auch eine Ersatzbefriedigung waren. Für die viele Zeit, in der sie ohne einen Partner schwer schuftend auf einer relativ einsamen Farm verbrachte. Und natürlich war sie eine Frau ihrer Zeit, die andere Frauen an ihrer Seite gebraucht hätte, um zu reflektieren, wie sie sich verhalten wollte und wie schwer es war, modern und klug zu handeln. Statt dessen hatte sie einen Ehemann, der von Anfang an andere Frauen hatte, der sie krank machte, der sie im Endeffekt als Staffage ausnutzte und der sicherlich noch dem alten Rollenbild anhing. Und auch Ihr Liebhaber war nicht wahnsinnig modern, was Frauenrechte betraf. Wenn es drauf ankam, dann war er genauso ein Chauvinist, wie alle andren. Also hat sie sozusagen allein agiert und sich durchlaviert. So sehe ich ihr Hin und Her. Sie war keine Johanna von Orleans. Aber sie wäre gerne eine gewesen. Das ist ja auch schon mal was. Ich bewundere Frauen, die zumindest versuchen auszubrechen aus ihrem Umfeld. Auch wenn ihnen das nicht immer gelingt.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)