'Jenseits der Ngong Berge' - Seiten 389 - Ende

  • Es ist sicher eine schwere Rückkehr für Karen: mittellos, krank und gescheitert ins Elternhaus zurück zu kommen, dem sie einst jung und ambitioniert den Rücken gekehrt hat. Zu wissen, dass sie wieder abhängig ist von der Familie.


    Ihr Schwager Knud – mit dem sie sich noch überwirft – empfängt sie auch gleich mit Vorwürfen, wieviel Land für sie verkauft werden musste und wovon sie künftig leben will. Und noch immer ist sie unbescheiden: statt dankbar zu sein, dass ihr Bruder Thomas sie unterstützen wird, denkt sie sich „Ein Taschengeld – ich habe es ihm wieder und wieder gesagt. Ich kann nicht arm sein“. :bonk


    Dieses Anspruchsdenken läßt mich ab und an sprachlos zurück. Warum sie sich eigentlich überhaupt auf Knud als Verleger eingelassen hat, hat mich gewundert. Sie hätte ahnen können, wie das enden wird. Aber gut – vielleicht war es auch ihre einzige Möglichkeit zu dieser Zeit, um überhaupt in der Heimat veröffentlicht zu werden.


    Auch im letzten Abschnitt musste ich mir ab und an die Augen reiben über das, was ich las: „Türen schließen... ich bin gewöhnt, dass das einer meiner Boys macht“. Das zeigt wieder, wie dekadent und privilegiert ihr afrikanisches Leben war, auch wenn sie gut zu „ihren“ Leuten war.


    Interessant fand ich hier, welche überaus bekannten Personen der Zeitgeschichte sie im Lauf ihres Lebens überall auf der Welt trifft, erst als Farmerin und später als Autorin.


    Dass sie auf ihre journalistischen Artikel aus ihrer Deutschland-Reise 1940 nicht stolz ist, war mir in dem Zusammenhang klar. Interessant, dass sie diese unreflektierten Berichte (sie wollte ja ihre „Gastgeber“ - die Nazis – nicht schlecht erscheinen lassen) dennoch später unverändert veröffentlichte, auch wenn sie wußte, dass sie sich damit der Kritik aussetzen wird. Zumindest scheint sie selbst nicht so gedacht zu haben und zuhause Juden auf der Flucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten geholfen zu haben. Ist das eigentlich überliefert?


    Lettow Vorbeck kommt hier auch noch mal zur Sprache, da Karen ihn während der Deutschlandreise besucht und Ruth sie mit dessen Greueltaten während des 1. Weltkrieges konfrontiert.


    Die Fotos von Richard Avedon und Cecil Beaton, die hier erwähnt werden, habe ich mir natürlich auch angesehen. Karen wirkt darauf sehr, sehr fragil.


    Das Ende hat mir sehr gut gefallen, es rundet für mich ein ganz wunderbares Buch ab: als Karen Ruth ihre künftige Grabstelle zeigt und auch die „Nachgeschichte“ von Ruth und Akil in Nairobi. Da schloß sich für mich der Kreis. Was bleibt, ist für mich die Geschichte einer kontroversen Frau, die ein sehr abenteuerliches Leben geführt hat.


    Liebe Maren Gottschalk , auch wenn ich hier mit Sicherheit noch das eine oder andere in der Leserunde schreiben werde, an dieser Stelle schon mal meinen herzlichsten Dank für Deine engagierte Leserundenbegleitung. <3

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Sagt mal, würdet ihr die Rezi zum Buch unter Belletristik einstellen oder unter Biographien? Bei biographischen Romanen bin ich mir hier immer so unsicher. :gruebel

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Sagt mal, würdet ihr die Rezi zum Buch unter Belletristik einstellen oder unter Biographien? Bei biographischen Romanen bin ich mir hier immer so unsicher. :gruebel

    Ich bin zwar noch nicht fertig mit dem Buch, habe mir aber schon die gleiche Frage gestellt. Also so ganz spontan und nach Gefühl hätte ich das Buch zu Biographien eingeordnet. Aber ich hab keine Ahnung, ob es richtig ist.:gruebel

  • S. 411, 9. Zeile von oben


    wischt... Fusel vom Ärmel.


    Wohl kaum minderwertigen Schnaps, es ist das Wort mit 2 x ss. 😉 = Fussel

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Sagt mal, würdet ihr die Rezi zum Buch unter Belletristik einstellen oder unter Biographien? Bei biographischen Romanen bin ich mir hier immer so unsicher. :gruebel

    Nicht unter Belletristik.

    Ich würde abwägen zwischen "Biographien" und "Historischer Roman" und mich dann für "Biographien" entscheiden.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Die Sache mit dem Verstecken von jüdischen Mitbürgern ist nicht so leicht zu recherchieren. Karen Blixen hat es aber selbst so erzählt, dass die Nazis vorne ins Haus rein sind und die Flüchtlinge hinten raus.

    Ich sage mal so: es würde aufgrund ihrer fürsorglichen Ader zumindest zu ihr passen - trotz der Geschichte mit den deutschen Artikeln. Es hat sich für mich nicht widersprüchlich angefühlt beim Lesen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich sage mal so: es würde aufgrund ihrer fürsorglichen Ader zumindest zu ihr passen - trotz der Geschichte mit den deutschen Artikeln. Es hat sich für mich nicht widersprüchlich angefühlt beim Lesen.

    Das sehe ich auch so. Ihre Artikel über Deutschland sind naiv und unbedacht. Sie hat die Situation völlig falsch eingeschätzt. Dass sie die Artikel später publizieren ließ ohne sie zu ändern, zeigt ihre Ehrlichkeit im Umgang mit der eigenen Blindheit.

    Der Entschluss, Flüchtlingen zu helfen, widerspricht dem überhaupt nicht. Er kam außerdem später, als Dänemark bereits ein paar Jahre Besatzung hinter sich hatte. Ich denke nicht, dass Karen Blixen so eine Geschichte erfunden hätte, um sich in besserem Licht zu zeigen, dafür war sie eben zu ehrlich und auch zu überzeugt von sich. Ihre Einstellung war doch, dass man sie so nehmen musste, wie sie war.

  • So, nun habe ich den späten Feierabend genutzt und den Roman zuende gelesen. Nach vier Stunden Frontalunternehmensversammlung, das richtige Abendprogramm.


    Maren Gottschalk ist es gelungen, dass ich durch das Buch nun eine sehr gute Vorstellung von Karen Blixen habe. Man merkt, dass viel Recherche zu dieser Romanbiografie betrieben wurde.


    Der Dänemark Abschnitt hat mir auch sehr gut gefallen. Sagenhaft, wie die dänische Bevölkerung ihre jüdischen Mitbürger gerettet hat. Das berührt, wie auch zu lesen, wie man sich untereinander gewarnt hat, wenn die Deutschen zur Inspektion kamen. Im Krieg sind die Menschen über sich hinaus gewachsen, wurden zu Löwen und haben füreinander und miteinander gekämpft.


    Karens Anspruchdenken nach der Rückkehr ist unglaublich.

    Die Baronin ist nicht gewohnt Türen zu schließen, da es dafür in Ostafrika Boys gab. Immerhin kontert die Mutter, dass sie dies schnell wieder lernen kann. Diese Überheblichkeit!


    Sich mit dem Vorhandenen zu begnügen, hat sie erst der Krieg gelehrt. Trotzdem ist es ihr sicher immer weit besser gegangen als der Vielzahl. Sie hatte viel Land, auf dem man etwas anbauen konnte. Ihre medizinische Behandlung, der Versuch die Beschwerden zu mildern, wird auch der finanziellen Möglichkeiten von Mutter Dinesen zu verdanken sein. Thomas will ihr Taschengeld zahlen, Kost und Logis sind ohnehin frei und sie meint, dass sie "nicht arm sein kann".


    Ich bin froh, mich zur Leserunde angemeldet zu haben und dankbar, dass die Autorin diese so engagiert begleitet. Mir hat gut gefallen, dass Ruth stellvertretend für uns Leser Karen besucht und ihr Fragen stellt.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)