Angelika Godau: Herbstjunges, Roman (Bd. 7), Zweibrücken 2024, Independently published, ISBN 979-8-88250629-1, Softcover, 242 Seiten, Format: 12,7 x 1,4 x 20,32 cm, Buch: EUR 12,95, Kindle: EUR 3,99.
„Wir hatten Pläne, wenn du dich noch daran erinnerst? Wir wollten reisen, noch etwas von der Welt sehen, davon haben wir noch so gut wie nichts umgesetzt.“
„Na ja, die Umstände waren eben dagegen …“
„Ja, aber jetzt sind die Umstände ganz normal. […] Alle sind gesund und munter, Zeit für dich, loszulassen und deine Aufmerksamkeit mal deinem vernachlässigten Ehemann zuzuwenden.“ (Seite 218)
Krise hier und Krise dort …
Ach ja! Dialoge wie in dem obigen Zitat haben Jonathan Brinkmann (66) und seine Frau Inge (78) in allen sieben Büchern der Reihe geführt. Öfter! Sie hatten ja sogar mal erwogen, nach Teneriffa auszuwandern, wo Jonathan eine Immobilie besaß. Aber Inges chaotische Patchwork-Sippe kann man keine Sekunde aus den Augen lassen! Kaum blinzelt man, kommt schon die nächste Katastrophe ums Eck:
Scheidung, lebensbedrohliche Krankheit, wilde Eskapaden der pubertierenden Enkelin (die ich immer noch nicht leiden kann!), Intrigen des Ex-Schwiegersohns … Krise hier, Krise dort. Und auch Else, die Haushälterin mit Familienanschluss, konnten Brinkmanns in einer Notlage unmöglich hängen lassen.
Jetzt läuft zur Abwechslung mal alles normal. Gut, ihre Tochter Sarah Hellwig (40) ist schwanger. Aber es sind noch ein paar Wochen bis zur Entbindung, sie hat einen fürsorglichen und verantwortungsbewussten Lebensgefährten und dazu noch die medizinisch vorgebildete Else an ihrer Seite. Da wird doch Brinkmanns eine einwöchige Reise nach Frankreich drin sein! Erst will Inge nicht … es könnte ja doch was mit Sarah und dem Kind sein oder sich sonstwas Fürchterliches ereignen – aber dann fahren sie doch.
Eifersüchtig auf die Ex?
Inge hat nach wie vor gemischte Gefühle, nicht nur wegen ihrer Familie, die jetzt daheim in Deutschland allein klarkommen muss, sondern auch, weil Jonathan früher mit seiner ersten Frau an diesem Urlaubsort war. Daher kennt er das Reiseziel. Für Jonathan und Inge ist es ja jeweils die zweite Ehe. Und Inge fragt sich, ob es nicht irgendwie absurd ist, auf eine Tote eifersüchtig zu sein.
Das fragt sich auch ihre Tochter Sarah, die mit dem verwitweten Polizisten Stefan liiert ist.
Der hat zwei Töchter, da bleibt es nicht aus, dass ab und zu seine verstorbene Frau erwähnt wird. Sarah selbst lässt sich gerade von Axel scheiden. Der ist so offensichtlich ein Ar***, dass er für Stefan keine Konkurrenz darstellt. Von dem kann man ruhig reden.
Haushälterin Else hat ein ähnliches Problem, wahrscheinlich noch schlimmer:
Die Frau ihres neuen Lebensgefährten liegt seit Jahren im Koma und wird nie wieder aufwachen. Er besucht sie noch regelmäßig. Zur Eifersucht kommt bei Else noch das schlechte Gewissen: Ist es denn okay, dass sie mit Sebastian zusammen ist? Er hat ja eine Frau. Nimmt sie ihr durch diese Beziehung etwas weg?
Dubiose Urlaubsbekanntschaften
Nichts davon müsste die Eheleute Brinkmann jetzt in ihrem Frankreich-Urlaub belasten. Sie könnten sich entspannen – wenn sie hier nicht ihre ganz persönliche Katastrophe erleben würden:
Bei einem Strandspaziergang werden sie Opfer eines Raubüberfalls. Und sie lernen dadurch eine Frau kennen, die beim besten Willen nicht einzuschätzen ist: versnobte Adelige, prolliger Emporkömmling, Wohltäterin oder zwielichtige Gestalt? Ex-Polizist Jonathan glaubt an letzteres, hat er doch unter ihren Bekannten ein paar Leute ausgemacht, die ihm schon mal, ähem, beruflich begegnet sind …
Drama! Ein Vermisstenfall!
Unterdessen daheim: Inges Enkel Lars (14) ist außer sich: Sein Freund Jörg will sich etwas antun, weil sein Vater ihm den Umgang mit Lars verboten hat. Die beiden sind nämlich nicht nur Kumpels, sie lieben einander, und damit kann Jörgs Vater nicht umgehen. Lars‘ Familie ist da zum Glück etwas fortschrittlicher.
Eine fieberhafte Suche nach Jörg beginnt, ein Polizeigroßeinsatz erfolgt – und dann verschwindet in all dem Trubel und in der Aufregung auch noch Oma Inges Hund Georg. Wenn Inge von Frankreich zurückkommt und ihrem vierbeinigen Liebling ist was passiert … nicht auszudenken!
Lara wieder in Hochform
So geht es gerade weiter: Eine Verlobungsfeier läuft total aus dem Ruder, Inges Enkelin Lara (fast 16) ist gerade dabei, ihren Freund Mike genauso zu vergraulen, wie sie es mit ihrem Ex Arne gemacht hat. Ja, ich weiß: In dem Alter ist es normal, sich auszuprobieren, sich schnell zu verlieben und sich ebenso schnell wieder zu entlieben. Aber keiner der Kerle hat es verdient, sich so empathie- und respektlos behandeln zu lassen, wie Lara es tut.
Dieses Mädchen ist von einer so ätzenden Ruppigkeit, dass ich mich frage, ob sich das wirklich mit der Pubertät vertut oder ob sie diese rücksichtslose Egozentrik nicht doch von Axel, ihrem Vater, geerbt hat. (Ich werde es nicht mehr erfahren, weil Band 7 nun der unwiderruflich letzte Teil der Reihe ist, die ursprünglich nur auf 5 Bände angelegt war.)
Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was in diesem Buch passiert. Ein Gesangssolo und einen Fernsehauftritt gibt es zum Beispiel auch noch. Manches ist lustig, manches ist ernst, aber turbulent und spannend ist es immer.
Wird die Brinkmann-Hellwig-Sippe jemals ihr Chaos sortiert bekommen?
Und klappt das mit ihrem Plan, dass Jonathan und Inge ausziehen und ihr Haus Sarah, Stefan und den 5 Kindern überlassen? Und ihre Else noch dazu?
Ein ruhiges Leben? Bei Brinkmanns?
Jonathan würde sicher aufatmen, wenn er endlich mit seiner Frau allein wäre. Aber Inge ist doch nichts anderes als diesen galoppierenden Familien-Irrsinn gewöhnt. Die könnte doch mit einem ruhigen und friedlichen Leben gar nicht umgehen! Oder? Na ja, bei denen kommt ja sowieso immer alles anders als geplant und gedacht …
Ich habe schon viele Buchserien gelesen, doch es ist selten, dass ich – so wie hier – nach einem Jahr den neuen Band zur Hand nehme und sofort die ganze Vorgeschichte parat habe. Hier weiß ich gleich wieder, wer wer ist und wer welches Problem (verursacht) hat. Die Romanfiguren sind für mich fast sowas wie reale Bekannte geworden. Nur bei Sarahs unsympathischem Ex-Gatten muss ich jedes Mal überlegen, ob er Alex oder Axel heißt. Den Kerl verdrängt mein Gedächtnis eben gern.
HERBSTJUNGES ist amüsante Unterhaltung mit durchaus ernstem Hintergrund und ein gelungener Abschluss der 7-teiligen „Herbst“-Reihe. Ein bisschen werden mir diese Chaoten schon fehlen …
Die Autorin
Angelika Godau, geboren in Oberbayern, hat in verschiedenen Regionen Deutschlands gelebt und fast 10 Jahre lang in der Türkei. Sie hat als Journalistin gearbeitet, Psychologie studiert und in Mannheim eine eigene Praxis betrieben. Heute lebt sie mit ihrem Mann, zwei Hunden und einer Katze in Zweibrücken, schreibt Bücher und engagiert sich im Tierschutz.
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ASIN/ISBN: B0CWV73C9Q |