Claire Keegan las am 2.Oktober 2024 in Hamburg

  • Claire Keegan las am 2.Oktober 2024 im Rolf-Liebermann-Studio in Hamburg


    Spätestens seit letztem Jahr, als der Film "The Quiet Girl" für einen Oscar in der Kategorie Bester Ausländischer Film nominiert wurde, dürfte der Name Claire Keegan einen größeren Bekanntheitsgrad erlangt haben. Vorlage für den Film um ein Mädchen, das von ihrer schwangeren Mutter zu einer fremden Familie geschickt wird, bildete Claire Keegans Erzählung "Foster" ("Das dritte Licht").

    Claire Keegan, die selten auf Lesungsreise geht, erhielt dieser Tage den mit 50.000 Euro dotierten Siegfried-Lenz-Preis und stellte sich am vergangenen Mittwoch im geschichtsträchtigen Rolf-Liebermann-Studio, einer früheren Synagoge und jetzigen Spielstätte für Musikaufführungen, den Fragen des Moderators Jan Ehlert und las gemeinsam mit Julia Nachtmann aus ihren Büchern.

    In der Begründung für die Auszeichnung mit dem Siegfried-Lenz-Preis ging die Jury insbesondere auf das Stilmittel der sprachlichen Verknappung ein und wie Claire Keegans Figuren mit Einsamkeit und Verlust umgehen.

    Neben der Ausweglosigkeit spiele das Thema Misogynie eine auffallende Rolle, bemerkte Jan Ehlert, dessen Fragen mir an diesem Abend etwas zu zeitgemäß ausfielen und Claire Keegan erzählte - um jedes Wort ringend - vom Leben in Irland, von einer Verfassung, die es bis 1991 Männern erlaubte, ihre Ehefrauen zu vergewaltigen und das die Autorin das Modell Ehe für sich ausgeschlossen habe.

    Die Rolle der katholischen Kirche habe in ihrer Kindheit allerdings eine geringere Rolle eingenommen, da sie in den Wicklow Mountains aufgewachsen sei und die nächste Kirche etwas entfernt gelegen habe. In ihrem Haushalt habe es wenige Bücher gegeben, so Claire Keegan ein Kochbuch und natürlich eine illustrierte Bibel mit grausamen Bildern, wie beispielsweise einem gekreuzigten Jesus, die sie geprägt hätten.

    Ihre Geschichten konzipiere sie nicht, erzählte Claire Keegan, sie entwickelten sich und es käme vor, dass sie bis zu dreißigmal eine Geschichte umschreibe. Sie sehe sich dabei als Leserin ihrer Geschichte und sie sei schwer zufriedenzustellen. Was ihrer Ansicht nach oft verkannt werde, sei der Humor in ihren Geschichten, in denen es immer um Gerechtigkeit gehe. Ihre Figuren wüssten, ob sie richtig oder unrichtig handelten, selbst wenn sie in einem Umfeld leben, das ihr Handeln rechtfertigte. Nachdrücklich versicherte die Autorin, dass sie keine kryptischen Geschichten schreibe, sondern es ihr um klare und authentische Geschichte gehe, die man nicht erklären müsse.

    Julia Nachtmann las überzeugend, wenn auch etwas dramatischer als die Autorin selbst, die deutschen Texte aus "Reichlich spät" und "Kleine Dinge wie diese".

    Der Abend im vollbesetzten Rolf-Liebermann-Studio endete mit Claire Keegans Resumee, dass ihre Geschichten nicht kurz, sondern nur so lang seien, wie sie müssen, um das auszudrücken, was sie ausdrücken wolle. Dem Publikum dürfte dieser Abschluss ebenso gefallen haben wie dem Entscheidungsgremium zur Vergabe des Siegfried-Lenz-Preises, den die Autorin zwei Tage später entgegennehmen durfte.


    Im Rahmen von "Der Norden liest" wurde dieses Lesung aufgezeichnet und ist ab Ende November 2024 in der Mediathek des NDR nachzuhören.