„Aber überleben allein reichte nicht aus. (…) Bloß fortzudauern war vielleicht für eine Mauer ein Erfolg oder für eine Festung, aber nicht für einen Menschen.“ (S. 238)
304 Seiten, 1 Stammbaum, gebunden mit Schutzumschlag
Originaltitel: Wandering Stars
Aus dem Amerikanischen von Hannes Meyer
Verlag: Hanser Berlin, 2024
ISBN-10: 3-446-28001-4
ISBN-13: 978-3-446-28001-4
Zum Inhalt (Verlagsangabe)
Orvil Red Feather kommt nicht los von den Schmerzmitteln. Er weiß, er ist ein Klischee: verletzt ins Krankenhaus rein, geheilt und abhängig wieder raus – eine zeitgenössische Tragödie. Doch die Sucht zieht sich schon lange durch seine Familie. 1864 kämpft Jude Star, ein Vorfahre Orvils, als Kind gegen die brutale Austreibung seiner indigenen Sprache und Kultur. Am Ende ist es der Alkohol, der ihn kurzzeitig in seiner Trauer auffängt und schließlich niederstreckt.
Meisterhaft verknüpft Tommy Orange die Schicksale zweier Jungen, zwischen denen 150 Jahre Kolonialgeschichte liegen, und zeigt uns Amerika in neuem Licht: als ein Kontinuum von Vertreibung und Gewalt, das nur hin und wieder von lichten Momenten des Widerstands unterbrochen wird.
Über den Autor (verlagsangabe)
Tommy Orange, geboren 1982 in Oakland, ist Mitglied der Cheyenne und Arapaho Tribes. Sein erstes Buch, Dort, dort, war für den Pulitzerpreis 2019 nominiert und erhielt den American Book Award 2019. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Angels Camp, Kalifornien.
Informationen im Internet:
- Die Seite zum Buch beim Verlag (mit Leseprobe)
- Der Wikipedia-Eintrag zum Autor (in englischer Sprache)
Meine Meinung
Im Vorwort zu einem der Bände der „Spanish-Bit-Saga“ schreibt der Autor Don Coldsmith über ein Gespräch mit einem indianischen Freund. Der riet ihm, seine Geschichte nicht über etwa 1800 hinausgehen zu lassen, da es dann nicht mehr schön (für die Indianer) würde. Die Saga ging dann auch Anfang des 19. Jahrhunderts zu Ende. Spätestens nach der Lektüre dieses Buches hier ist überdeutlich klar, was mit „nicht mehr schön“ sehr harmlos umschrieben ist.
„Verlorene Sterne“ setzt mit dem Massaker am Sand Creek ein, das die erste Hauptfigur des Romans als Kind überlebt. Episodenhaft geht es durch die Jahrzehnte bis in die Jetztzeit. So lernen wir die Vorfahren der eigentlichen Hauptfiguren und deren meist tragisches Schicksal kennen. Gerade in diesem historischen Teil empfand ich es als Vorteil, von den meisten der geschilderten historischen Ereignisse und Orte schon in anderen Büchern gelesen zu haben.
Da die Erzählperspektive immer wieder wechselt, habe ich sehr oft den Stammbaum, der vorne im Buch enthalten ist, zu Rate gezogen. Ich empfand es streckenweise so verwirrend geschrieben (zumal ich, es sei zugegeben, den Wechsel der Erzählperspektive nicht immer gleich bemerkt habe), daß ich ohne diesen Stammbaum Probleme gehabt hätte, der Handlung zu folgen; dies wurde in der Gegenwart dann leichter, was nicht mit „leicht“ gleichzusetzen ist.
Wobei, „leicht“ ist an diesem Buch gewißlich gar nichts. Weder der Inhalt noch die Sprache, die ich als nüchtern und emotionslos empfand. Vielleicht ist dies auch der Grund, weswegen mich das Buch emotional weder fesseln noch erreichen konnte: es ist überwiegend von schlimmen, traumatischen, gebrochenen Lebensläufen die Rede. Aber diese empfand ich als so nüchtern und distanziert erzählt, daß sie mich gefühlsmäßig praktisch überhaupt nicht berührt haben.
Insgesamt weiß ich nicht so recht, was ich von dem Buch halten soll. Es war prinzipiell eine interessante Geschichte, aus der man viel über das Leben der heutigen Natives erfahren kann. Aber mit seinem Erzählstil konnte der Autor mich nicht so recht erreichen, so daß ich mich mit dem Lesen schwer tat. Wäre es ein anderer Inhalt gewesen, hätte ich vermutlich abgebrochen, mich hat jedoch interessiert, etwas über das Leben der Natives heute zu lesen (und nicht, wie in meinen meisten anderen Büchern, über das in längst vergangenen Zeiten). Zumindest in dieser Hinsicht hat der Autor meine Erwartungen erfüllt. Der von mir als sperrig empfundene Schreibstil machte das Lesen allerdings eher zur Arbeit denn zum Genuß. Die geradezu überschwenglichen Kurzmeinungen auf der Buchrückseite kann ich allerdings nicht nachvollziehen.
PS: Erst nach Lektüre des Buches entdeckte ich, daß es quasi einen „Vorgängerband“ gibt, in dem die hiesigen Hauptfiguren erstmals eingeführt werden. Auch wenn „Verlorene Sterne“ bei mir eher im unteren Mittelfeld landet, werde ich mir „Dort dort“ zulegen und auch lesen, da ich den früheren Werdegang der Figuren durchaus kennen lernen möchte. Allerdings gehe ich mit im Vergleich zu diesem Buch deutlich reduzierten Erwartungen ans Lesen.
Mein Fazit
Eine Art Familiengeschichte von Sand Creek bis heute, nüchtern und distanziert erzählt. Teilweise so deprimierend, wie das Leben der heutigen Natives.
ASIN/ISBN: 3446280014 |
Hier noch die amerikanische Originalausgabe:
ASIN/ISBN: 1787304558 |