Booker Prize 2024

  • Tommy Orange - Wandering Stars

    Ich lese ja ziemlich selten Bücher, die für Preise vorgeschlagen wurden oder solche gar gewonnen haben. Aber das hat meine Aufmerksamkeit erregt; ich habe es mir (allerdings in der deutschen Übersetzung "Verlorene Sterne") vorbestellt und hoffe, es zeitnah nach Erscheinen lesen zu können.


    Danke für den Hinweis, das wäre mir sonst entgangen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • So, morgen wird die Shortlist bekanntgegeben und ich habe so viele Bücher von der Longlist gelesen wie noch nie. Acht an der Zahl, drei davon sehr gut, zwei gut, drei nicht so gut. Insgesamt ein durchaus lohnenswertes Ergebnis.


    Meine persönliche Reihenfolge:


    1. Hisham Matar - My Friends

    2. Percival Everett - James


    So wie ich das sehe, sind das die unbestrittenen zwei Frontrunner, zumindest von den Büchern, die zum Zeitpunkt der Shortlist veröffentlicht sind. Es würde mich sehr wundern, wenn diese beiden Romane es nicht auf die Shortlist schaffen. Beide Romane wären sehr würdige Preisträger.


    3. Charlotte Wood - Stone Yard Devotional


    Der beste Außenseiter, auf eine ähnliche Weise wie Sarah Bernsteins Study for Obedience letztes Jahr. Der etwas andere, stille und schräge Roman auf der Longlist.


    4. Tommy Orange - Wandering Stars


    Ein sehr guter Roman, der aber irgendwie eher wie Bonus Material zu seinem vorherigen Roman There, There wirkt.


    5. Rita Bullkwinkel - Headshots


    Hat mir sehr gefallen und hat Spaß gemacht, wird mit der Shortlist aber knapp. Der Booker Prize wäre schon leicht übertrieben.


    6. Yael van der Wouten - The Safekeep


    Bei dem Roman geht für mich so einiges schief, aber einzelne Teile waren auch sehr stark. Schade, dass die Autorin den Roman irgendwie vermasselt hat, aber immerhin hat sie sich etwas getraut.


    7. Colin Barrett - Wild Houses


    Ein Roman, der vielleicht das Zeug für eine ordentliche Kurzgeschichte gehabt hätte, aber als Roman ist er mir viel zu dünn und substanzlos. Als Krimi zu unspannend, als Literatur zu flach. Ein paar theoretisch interessante Figuren und ein Hauch von "Fargo auf Irisch" retten ihn nicht. Auf Englisch wäre mein Gesamturteil: "too pedestrian."


    8. Samantha Harvey - Orbital


    Sechs Astronauten kreisen auf der ISS um die Erde und machen sich Gedanken über die Welt, inspiriert durch die Schönheit der Erde. Das funktioniert für einige Leser, weil die astronomischen Bilder, die der Roman abruft, leicht Gedanken und Erinnerungen auslösen. Aber der Roman trägt wenig Originelles dazu bei; man könnte genauso gut auf YouTube NASA-Footage der Erde aus dem Orbit anschauen und hätte den gleichen Effekt. Ein Roman ohne Plot oder Figuren, eigentlich nur Sprache und Gedanken. Auf Englisch wäre mein Gesamturteil: "too pretentious."


    Mein Tipp für die Shortlist:


    Hisham Matar - My Friends

    Percival Everett - James

    Charlotte Wood - Stone Yard Devotional

    RIchard Powers - Playground (erscheint erst noch)

    Claire Messud - This Strange Eventful History

    Samantha Harvey - Orbital



  • Die Shortlist:


    Anne Michaels - Held

    Rachel Kushner - Creation Lake

    Samantha Harvey - Orbital

    Percival Everett - James

    Yael van der Wouden - The Safekeep

    Charlotte Wood - Stone Yard Devotional


    4 von 6 gelesen

    3 von 6 richtig getippt


    My Friends nicht auf der Liste (für mich unverständlich) und zwei Bücher die ich schwach fand. Eine etwas enttäuschende Auswahl.

  • Noch ein zusätzlicher Kommentar. Eine Stunde später ;)


    Zum einen habe ich bei meiner Auflistung der Longlist übersehen, dass Stone Yard Devotional von Charlotte Wood tatsächlich auch auf Deutsch erschienen ist, und zwar bei Kein & Aber:

    ASIN/ISBN: 3036950257
    .


    Bei Orbital und The Safekeep glaube ich weiterhin, dass bei der Shortlist Schluss ist. Ich freue mich aber sehr über Stone Yard Devotional und aktuell ist das für mich auch der einzige Roman auf der Liste, der das Zeug dazu hat, James zu schlagen (übrigens das einzige Buch eines männlichen Autors). Da ich eher für den Außenseiter bin, schlägt mein Herz irgendwie für Stone Yard Devotional, und mein Bauchgefühl sagt mir, dass das der Booker-Prize-Träger dieses Jahr wird.


    Held und Creation Lake habe ich mir natürlich bestellt. Wenn man schon vier Nominierte gelesen hat, kann man die letzten beiden auch noch lesen, und ich meine, der Preis wird erst im November vergeben. Ich habe also massig Zeit. Wer weiß, vielleicht überraschen mich ja die beiden Romane, und im Prinzip lag es vor allem an der Nichtbeachtung von Hisham Matars My Friends, weshalb ich enttäuscht war.

    Wenn ich dann Creation Lake und Held gelesen habe, werde ich 10 von 13 Büchern der Longlist gelesen haben. Da ich mir schon vorgenommen hatte, die Shortlist komplett zu lesen, bin ich zumindest erleichtert, dass genau die Bücher, die mich am wenigsten angesprochen haben und teilweise ja auch sehr dick sind, mir erspart bleiben (Messud, Perry und Powers).





  • So, morgen ist es soweit: Der Booker Prize wird vergeben (12.11. um 22:45 auf YouTube). Ich habe zum ersten Mal alle Bücher der Shortlist gelesen – vier davon bereits vor der Verkündung, zwei danach. Mein Bauchgefühl bei der Auswahl der Bücher scheint gut zu sein, denn die beiden Bücher, die ich speziell wegen der Nominierung gelesen habe, waren genau die, die mir am wenigsten gefallen haben.


    Mein Ranking ist wie folgt:


    1. Charlotte Wood - Stone Yard Devotional

    2. Percival Everett - James

    3. Yael van der Wouten - The Safekeep

    4. Samantha Harvey - Orbital

    5. Anne Michaels - Held

    6. Rachel Kushner - Creation Lake


    Ich habe in diesem Thread ja bereits zum Teil verraten, wie mir die Bücher gefallen haben. Ich fand nur zwei Bücher wirklich gut (glücklicherweise beide dafür sehr gut).


    James ist so gut, wie alle sagen. Wohl der Favorit und ein würdiger Gewinner, aber ich persönlich würde mit Stone Yard Devotional auf das Dark Horse setzen – der Außenseiter, den ich mir als Sieger wünsche.

    Heute auch hier von Herr Palomar rezensiert.


    The Safekeep hat stark begonnen, dann aber stark nachgelassen und war für meinen Geschmack viel zu melodramatisch und komplett fehlkonstruiert. Wenigstens hat der Roman etwas versucht. Dass er bei mir auf Platz 3 kommt, ist aber schon mal ein schlechtes Zeichen. Ein Publikumsliebling.


    Orbital ist gut geschrieben, enthält ein paar hübsche philosophische Gedanken, war mir aber viel zu prätentiös und überwiegend schnarchlangweilig. Ein sehr kurzes Buch, das sich aber sehr zieht.


    Ja, und dann zweimal Schulterzucken.


    Bei Held liegt es vielleicht auch an mir. Lyrisch, experimentell, mit sehr viel Pathos, das mir unangenehm auffiel. Die Hauptschwierigkeit war, dass ich keine Ahnung habe, was in diesem Roman passiert ist und warum mir die Autorin das erzählt hat. Hätte ich den Roman als Hörbuch gehört, würde ich denken, ich hätte ihn versehentlich im Shuffle-Modus gehört, so wenig passten die einzelnen Teile für mich zusammen, obwohl der eine oder andere Abschnitt für sich genommen durchaus ansprechend und literarisch geschrieben war.


    Creation Lake war weniger verrätselt, trotzdem eine komische Mischung aus Spionageroman, Umweltthriller und einer extrem unsympathischen Erzählerin, bei der sich das "unsympathisch" erzählerisch für mich nicht erklärt, sondern einfach nur nervt. Dazu kamen lange Abschnitte sowie Überlegungen über Neandertaler(!?). Ich finde es eigentlich gut, wenn ein Roman auf kreative Weise verschiedene Themen, Genres und Sujets mixt. Diese Mischung war jedoch überhaupt nicht meine und eine Qual zu lesen. Vermutlich einfach nicht mein Geschmack.