'22 Bahnen' - Seiten 097 - 140

  • Wie seht ihr eigentlich als weitere Volksdroge Deutschlands das Thema rauchen in diesem Roman thematisiert? Meinem Empfinden nach kenne ich in meinem Umfeld immer weniger rauchende Menschen, aber hier im Roman ist rauchen stark unterrepräsentiert, oder? Ich kann mir nur an Viktor erinnern, die ritterähnliche Figur.

    Rauchen wird so gut wie nicht thematisiert. Ich kenne auch nur wenige Raucher, diese rauchen aber seit vielen Jahren.

    In meinem Umfeld wird eher Alkoholkonsum verharmlost. Das mag daran liegen, dass ich in einer Weingegend lebe. Dem Alkoholkonsum werden Attribute wie Geselligkeit, Entspannung, gute Laune, Feierabend... zugesprochen. Auch wenn Jugendliche betrinken, gehört das zum guten Ton. Es wird sich eher Sorgen gemacht, wenn dies nicht passiert. Ich finde das durchaus bedenklich.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Teil 1: Vor den Sommerferien

    Teil 2: Sommerferien

    Teil 3: Nach den Sommerferien

    :anbet Darauf wäre ich nicht gekommen, aber macht Sinn!


    Zur Drogenproblematik: für mich war das ein Gelegenheitskonsum in jugendlichen Jahren. Ohne jetzt Drogenkonsum verharmlosen zu wollen steht dieser gelegentliche Konsum zu besonderen Anlässen für mich im Gegensatz zur Alkoholsucht der Mutter, die jeden Tag ihre Dosis braucht und die die Auswirkungen nicht mehr kontrollieren kann. Die zwei Seiten einer Medaille sozusagen. Und da sich Tilda jetzt ja auch von Drogen distanziert hat, wirkt das jetzt auf


    Rauchen kommt meines Wissens gar nicht vor (raucht Viktor?) - aber das würde das Buch wohl auch überfrachten.

    Viktor ist in der Tat eine interessante Figur, ich fand ihn jedoch beim Lesen immer ein bisschen schwer fassbar ...

    baro bringt das "Problem" auch für mich auf den Punkt: Viktor ist zu wenig greifbar, um viel sagen zu können. Wobei wir natürlich sehr viel über ihn wissen, über seine Lebenssituation und auch über seinen Charakter. Zum Beispiel, dass er sehr feinfühlig ist. Aber irgendwie bleibt er für mich "im Dunst", so ein wirkliches Bild kann ich mir nicht machen. Auf alle Fälle passt er zu Tilda, denn auch er hat kein "normales" Leben und mit seinen Dämonen zu kämpfen und kann so wohl auch nachfühlen, wie es Tilda geht.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Zur Drogenproblematik: für mich war das ein Gelegenheitskonsum in jugendlichen Jahren. Ohne jetzt Drogenkonsum verharmlosen zu wollen steht dieser gelegentliche Konsum zu besonderen Anlässen für mich im Gegensatz zur Alkoholsucht der Mutter, die jeden Tag ihre Dosis braucht und die die Auswirkungen nicht mehr kontrollieren kann. Die zwei Seiten einer Medaille sozusagen. Und da sich Tilda jetzt ja auch von Drogen distanziert hat, wirkt das jetzt auf

    Sehe ich genauso, Pillen einwerfen ist natürlich nochmal was anderes, als am Wochenende mal einen oder auch einen zuviel zu trinken, aber eine Drogensucht sehe ich bei Tilda nicht.

  • Vielleicht habe ich mich missverständlich hinsichtlich des Drogenkonsums ausgedrückt.

    Nicht die Autorin stellt das Drogenproblem als lässig dar, sondern ihre Figuren sind unbekümmert im Umgang, eben als wäre es eine gute Gewohnheit, etwas zu rauchen oder auf Partys die Gelegenheit zu nutzen, etwas auszuprobieren.


    Zur Figur des Viktor möchte ich noch einmal äußern. Aus meiner Betrachtung, das Hören des Buchs liegt schon länger zurück, verkörpert Viktor all das, was Tilda nicht ist bzw. nicht hat; ausgenommen eine Familie.

    Tilda ist intelligent, mittellos und vor allem emotional, Viktor wird als jemand beschrieben, der Tilda überlegen ist, den keine finananziellen Probleme plagen und der erst recht eines ist: Kopfmensch. Völlig pragmatisch betrachtet stellt er eine perfekte Ergänzung zu unserer Protagonistin dar.

    Im Ergebnis bleibt er zwar nebulös und wenig greifbar, doch über wen wenig bekannt ist, bleibt interessant und im Gespräch. Sowohl für Tilda als auch den Leser.


    Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Viktor rauchend erwähnt wurde. Gut möglich ist das durchaus.

    Alkohol und Rauchen dürften als Rauschmittel für einen Roman letztlich reichen, oder ;)?

    Ich selbst bin Nichtraucherin, im Raucherumfeld aufgewachsen, in der Schule umgeben von Rauchern und war während meines Studiums von Rauchern umzingelt.

    Glücklicherweise teilt sich mein Freundeskreis und der meines Mannes in zwei Lager:

    Gesundheitsfanatiker und Heavy Smoker. Ich halte dann gern Abstand, wenn geraucht wird und im Außenbereich toleriere ich es, doch angenehmer sind rauchfreie Verabredungen.

    Übrigens, nach meiner Beobachtung wird durch alle Gesellschaftsschichten geraucht, da spielen weder Bildungsgrad noch Alter, Geschlecht oder Wohnort eine Rolle.

  • Ich lese auch gerne Bücher, in denen gar keine Drogen vorkommen. Nur hier, wo andere Drogen eine so zentrale Rolle spielen, wundert es mich etwas. Viktor raucht glaube ich, als er am Auto lehnt nachdem er Tilda das erste Mal nach Hause gebracht hat und draußen wartet, bis sie ihm den Daumen hoch aus dem Fenster gibt.


    Vielleicht habe ich mich missverständlich hinsichtlich des Drogenkonsums ausgedrückt.

    Nicht die Autorin stellt das Drogenproblem als lässig dar, sondern ihre Figuren sind unbekümmert im Umgang, eben als wäre es eine gute Gewohnheit, etwas zu rauchen oder auf Partys die Gelegenheit zu nutzen, etwas auszuprobieren.

    Da stimme ich dir vollkommen zu.

  • Tilda ist intelligent, mittellos und vor allem emotional,

    Empfindest du Tilda über das ganze Buch gesehen als emotional? Mir kommt sie viel zu rational vor - sie hat einen eng strukturierten Tagesablauf, in dem wenig/nichts schiefgehen darf, damit sie nicht ins schleudern gerät und zieht diesen auch sehr gewissenhaft durch. Für mich ist sie eine Verkörperung einer mathematischen Formel: ihr Leben = Ida + Uni + Job + Schwimmen. Emotional ist sie für mich immer nur dann, wenn diese Routine einmal durchbrochen wird wie beim Abend auf der Party mit Marlene.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Empfindest du Tilda über das ganze Buch gesehen als emotional? Mir kommt sie viel zu rational vor - sie hat einen eng strukturierten Tagesablauf, in dem wenig/nichts schiefgehen darf, damit sie nicht ins schleudern gerät und zieht diesen auch sehr gewissenhaft durch. Für mich ist sie eine Verkörperung einer mathematischen Formel: ihr Leben = Ida + Uni + Job + Schwimmen. Emotional ist sie für mich immer nur dann, wenn diese Routine einmal durchbrochen wird wie beim Abend auf der Party mit Marlene.

    Über weite Strecken des Buches würde ich diese Frage mit Ja beantworten.

    Zweifelslos weist die Figur Tilda eine rationale Seite auf, die ihre Emotionen unter Kontrolle hält. Tilda ist eine starke Persönlichkeit mit vielen Problemen und ihre Kontrolliertheit baut einen Druck enormen auf. Ein Zusammenbruch wäre möglicherweise vermeidbar gewesen, wenn sie an der einen oder anderen Stelle einmal Dampf abgelassen hätte.

  • Ein Zusammenbruch wäre möglicherweise vermeidbar gewesen, wenn sie an der einen oder anderen Stelle einmal Dampf abgelassen hätte.

    Das könnte natürlich sein, für mich ist Tilda aber heillos überlastet. Sie hat nicht nur die Doppelbelastung von Studium und Arbeit, sondern vor allem den psychischen Druck der Verantwortung für Ida UND die Mutter. Viel zu viel in ihrem Alter! Früher oder später musste sich das rächen.


    Was mir gut gefallen hat: Tilda und Ida sind schon sehr reflektiert, was das Verhalten der Mutter angeht. Sie wissen, dass sie nicht "schuld" daran sind und dass sie die Mutter auch nicht ändern können. Wenn diese aus diesem Teufelskreis rauskommen will, kann sie das nur alleine bestimmen. Ich war froh, dass zu dieser eh schon so schwierigen Situation nicht auch noch Schuldgefühle dazu kommen.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Empfindest du Tilda über das ganze Buch gesehen als emotional? Mir kommt sie viel zu rational vor - sie hat einen eng strukturierten Tagesablauf, in dem wenig/nichts schiefgehen darf, damit sie nicht ins schleudern gerät und zieht diesen auch sehr gewissenhaft durch. Für mich ist sie eine Verkörperung einer mathematischen Formel: ihr Leben = Ida + Uni + Job + Schwimmen. Emotional ist sie für mich immer nur dann, wenn diese Routine einmal durchbrochen wird wie beim Abend auf der Party mit Marlene.

    Ich sehe das ganz ähnlich wie du, Lese-rina .

    Ich habe auch lange darüber nachgedacht, wie ich Tilda empfinde. Mir kommt sie nicht emotionslos vor, aber wie versteinert. Eine junge Frau, die ihre Emotionen unterdrückt, weil kein Raum da ist für eigene Gefühle. Sie meistert ihren Alltag wie eine Maschine und funktioniert für ihre Schwester. Erst Viktor schafft es, sie aus dieser Versteinerung zu lösen. Ihn empfinde ich dabei als vorsichtig und empathisch. Aber ich glaube, das habe ich irgendwo schon einmal geschrieben.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin