Die Bahnhofsmission: Eines Menschen Leben – Veronika Rusch

  • Produktinformation (Amazon):

    • Herausgeber ‏ : ‎ Lübbe; 1. Aufl. 2024 Edition (31. Mai 2024)
    • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
    • Broschiert ‏ : ‎ 448 Seiten
    • ISBN-10 ‏ : ‎ 3757700058
    • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3757700058
    • Reihe: Die Bahnhofsmission 2

    Kurzbeschreibung (Verlag):

    Berlin, 1945. In der Mission am Schlesischen Bahnhof suchen Flüchtlinge, Traumatisierte, Überlebende Zuflucht. Sie werden von Alice in Empfang genommen, der selbst der Krieg mit seinem Elend nichts von ihrem Idealismus hat nehmen können. Und auch Natalie taucht aus dem Exil wieder auf, zusammen mit ihrer Tochter. Als ein Arzt zu den Helfenden stößt, sind sie zunächst dankbar für sein Engagement. Doch nach und nach wird immer deutlicher, dass den angeblich so Selbstlosen ein dunkles Geheimnis umgibt. Natalies Tochter lässt nicht locker, und schließlich stehen die drei Frauen vor einer schweren Entscheidung …

    Zur Autorin (Verlag):

    Veronika Rusch ist Jahrgang 1968. Sie studierte Rechtswissenschaften und Italienisch in Passau und Rom und arbeitete als Anwältin in Verona, sowie in einer internationalen Anwaltskanzlei in München, bevor sie sich selbständig machte. Heute lebt sie als Schriftstellerin mit ihrer Familie in ihrem Heimatort in Oberbayern. Neben Romanen schreibt sie Theaterstücke für Erwachsene und Kinder sowie Dinner-Krimis. Für ihre Krimikurzgeschichte Hochwasser erhielt sie 2009 den zweiten Preis im Agatha-Christie-Krimiwettbewerb.

    Meine Meinung:

    Berlin kurz nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Alice hat mit Müh und Not überlebt und versucht nun über die Runden zu kommen und sich zu überlegen, was ihr die Zukunft bringen soll. Ihr Engagement in der Bahnhofsmission als junges Mädchen kommt ihr dabei in den Kopf und so beschließt sie am Schlesischen Bahnhof die Mission wieder aufleben zu lassen. Unterstützung bekommt sie von einem ihr wohlgesonnenen russischen Offizier und so gelingt es ihr mit einigen Helfern die Bahnhofsmission wiederzubeleben.


    Dieser zweite Teil rund um die Bahnhofsmission spielt 37 Jahre nach den Geschehnissen des ersten Bandes. Was anfangs ungewöhnlich scheint funktioniert aber sehr gut. Alice und auch alle anderen Beteiligten sind gereift, haben ihr Leben gelebt und sich entwickelt. Was den einzelnen Protagonisten in der Zwischenzeit widerfahren ist, wird in Rückblenden so erzählt, dass man nicht das Gefühl hat etwas verpasst zu haben.


    Mir hat gut gefallen, dass eigentlich jeder, der in Band eins eine Rolle gespielt hat auch hier wieder mit dabei ist. So ist das Wiedersehen nicht nur eines der Protagonisten untereinander, sondern auch eines mit den Lesern. Die Autorin nutzt hier auch die Gelegenheit die ganz unterschiedlichen Lebenswege darzustellen, die die damaligen Zeiten hervorgebracht haben. Jeder hat seine Geschichte und dabei ist nichts schwarz oder weiß, sondern alle haben sowohl gute als auch schlechte Seiten an sich. Die Besatzer sind nicht nur brutal, sondern auch freundlich und gebildet, die überlebenden Deutschen nur bedingt geläutert, teilweise hilfsbereit, teilweise verbohrt und auf den eigenen Vorteil bedacht.


    Mir hat das Buch wieder ausgesprochen gut gefallen, es lies sich toll lesen und man ist ein wenig ins Nachdenken gekommen, wie man wohl selbst so eine Zeit durchgestanden hätte. Ich fand das Wiedersehen mit Alice und Natalie ganz toll und hätte mir durchaus gewünscht die beiden noch ein wenig länger zu begleiten. Auch Natalies Tochter und ihre Geschichte fand ich gut eingebunden, zeigt sich doch gerade hier, wie die jungen Menschen versucht haben in dieser wirklich grausamen und nicht leichten Zeit die Lebenslust nicht zu verlieren und nach vorne zu schauen.


    Ein wirklich schönes Buch über eine schwierige Zeit, das ich sehr gerne gelesen habe. Daher eine Leseempfehlung!


    9 von 10 Punkte

    ASIN/ISBN: 3757700058

  • Schon im ersten Band spielt die Bahnhofsmission in Berlin eine Hauptrolle. Damals, anfand des 20.ten Jahrhunderts, war sie zentrale Anlaufstelle für all jene Reisenden, die mehr oder auch weniger freiwillig aus den Zügen stiegen. Die nicht wussten wohin oder an wen sie sich um Hilfe wenden sollten. Die Hilfe, eine Unterkunft oder auch nur eine Tasse Tee zum Aufwärmen und ein freundliches Wort der Unterstützung suchten. Die Jugendliche Alice war schon damals fasziniert davon, den Menschen dort helfen zu können, wo das Schicksal sie nach Berlin gespült hatte. Als sie also nach Kriegsende im inzwischen russischen Sektor aus dem Keller eines zerbombten Hauses klettert, um zu überlegen, wie sie neu anfangen soll in all der Zerstörung und dem Leid und Verlust um sie herum, beschließt sie, die Bahnhofsmission wieder aufzubauen und findet dank ihrer Energie und ihres mutigen Auftretens schon bald Hilfe von anderen Frauen. Und dank eines Offiziers, der gar nicht so furchteinflössend und ablehnend sind wie andere Russen scheint, nimmt das Projekt schnell handfeste Formen an. Mit dem Auftauchen mehrerer Frauen, die ihr schon damals zur Seite standen, ja Freundinnen waren, kommen alte Gefühle, neue Möglichkeiten aber auch unerwartete Bedrohungen auf Alice und die Mission zu.


    Die Autorin schafft es, die Geschichte von Alice und ihren Unterstützerinnen nach 37 Jahren fortzuführen und gleichzeitig aber auch etwas Neues zu erzählen. Die Zeit ist an den Figuren, dem Land und der Bahnhofsmission nicht spurlos vorüber gegangen. Der Bogen wird geschickt gespannt, ermöglicht denen, die den ersten Band kennen, das ein oder andere freudige Wiedersehen und denen, die den Vorgänger nicht gelesen haben, einen leichten und spannenden Einstieg.

    Die Geschichte hatte für mich alles, was ein gutes Buch haben sollte. Nahbar gezeichnete Charaktere, die realistisch und frei von Klischees agieren. Eine Story, die fest und glaubwürdig in die damalige Zeit eingebettet ist und das fiktive Schicksal der Personen anhand realer Geschehnisse erzählt. Die Dramatik, die die Verhältnisse am Bahnhof in den ersten Nachkriegswochen und -Monaten hatte, trifft den Leser dank des klugen Erzählstils der Autorin teilweise mit großer Eindringlichkeit. Man spürt die intensive Recherche und kommt fast zwangsläufig dazu, sich eigene Gedanken machen zu wollen. Und keine Sorge, trotz all der traurigen und berührenden Szenen gibt es auch einen positivenGrundtenor der sich am Ende bahn bricht. Im besten Sinne ein Buch das nachhallt.


    Volle Punktzahl.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Im zweiten Band um die Berliner Bahnhofsmission starten wir im Jahr 1945, als der Krieg aus ist.


    Alice ist in Berlin geblieben und erlebt, wie es nach dem Krieg weitergeht. Steine klopfen und die Suche nach Essen ist an der Tagesordnung, Not und Elend sowie Wohnungslosigkeit herrscht allerorts. Als sie die Zustände am Bahnhof sieht, wo täglich Züge mit Flüchtlingen ankommen, beschließt sie, die Bahnhofsmission wieder aufzubauen. Mit Hilfe der Russen sowie einigen früheren Mitstreiterinnen versucht sie, unter einfachsten Bedingungen den Ankömmlingen zumindest einen Tee und eine Stulle anzubieten und einfachste medizinische Versorgung zu ermöglichen, die dank Dr. Kramm, der ebenso entwurzelt zu sein scheint, auch umgesetzt werden kann.


    Natalie hingegen, die 1908 bereits nach Amerika ausgewandert ist, hat den Krieg unbeschadet überstanden. Ihre erwachsene Tochter Claire begleitet sie nach Berlin, zusammen mit einem Soldaten, der die beiden Frauen überall hin begleiten soll, damit sie im Nachkriegschaos unbeschadet bleiben. Claire kann überhaupt nicht verstehen, was ihre Mutter bei den Nazis will. Doch Natalie ist auf Spurensuche aus der Verganegnheit und trifft tatsächlich auf Alice.


    Mir hat die Fortsetzung sehr gut gefallen. Durch geschickte Erzählweise werden die Jahre zwischen den beiden Büchern gefüllt, so dass dem Leser der Werdegang der verschiedenen Personen klar wird.


    Besonders die Schilderungen der Umstände in der zerbombten Stadt, mit unzähligen Flüchtlingen, den Ruinen und der Not fand ich beeindruckend, so dass ich ein klares Bild vor Augen hatte. Einquartierungen waren an der Tagesordnung, ebenso das Organisieren von Lebensmitteln. Dass Alice da die Kraft hatte, anderen zu helfen, war bewundernswert.


    Die Zustände durch Claires Augen zu sehen, hat mir ebenso gefallen. Sie ist in Amerika aufgewachsen, die Deutschen sind Feinde, die das ganze Elend selbst verursacht haben und nun büßen müssen. Doch beim genaueren Hinsehen bemerkt auch sie das Elend, dass oftmals Frauen und Kinder trifft.


    Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, die vielschichtige Schilderung der Personen, das Wiedersehen mit altbekannten Protagonisten und vor allem die Darstellung des Nachkriegsdeutschlands am Beispiel von Berlin, die mich in die Vergangenheit hat reisen lassen.


    10 Punkte

  • Inhalt



    Berlin, 1945. In der Mission am Schlesischen Bahnhof suchen Flüchtlinge, Traumatisierte, Überlebende Zuflucht. Sie werden von Alice in Empfang genommen, der selbst der Krieg mit seinem Elend nichts von ihrem Idealismus hat nehmen können. Und auch Natalie taucht aus dem Exil wieder auf, zusammen mit ihrer Tochter. Als ein Arzt zu den Helfenden stößt, sind sie zunächst dankbar für sein Engagement.

    Doch nach und nach wird immer deutlicher, dass den angeblich so Selbstlosen ein dunkles Geheimnis umgibt.

    Natalies Tochter lässt nicht locker, und schließlich stehen die drei Frauen vor einer schweren Entscheidung ... (Quelle: thalia.de)



    Meine Meinung


    „Eines Menschen Leben“ spielt 36 Jahre nach Ende des ersten Teils – das hat mich zunächst ein wenig irritiert, ich habe mich gefragt, ob ich den Faden wieder aufnehmen könnte, ob es noch eine Verbindung zum ersten Teil geben würde und ob die vertrauten Figuren wieder auftauchen würden.

    Doch schon der Prolog zieht einen mitten ins Geschehen – man hat gleich das Gefühl, mitten in die Szene einzutauchen, man fühlt die Angst und die Sorge der Menschen. Und damit entwickelt die Geschichte einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Durch die intensive und bildreiche Beschreibung der einzelnen Szenen und Figuren hat man wirklich das Gefühl, man befinde sich im Berlin der Nachkriegszeit, man sieht diese zerstörte Stadt vor Augen und trifft die verschiedensten Menschen. Es gelingt der Autorin sehr gut darzustellen, dass es dabei nicht nur Schwarz und Weiß gibt, dass sich hinter einem „Besatzer“ nicht nur ein Feind, sondern eben auch ein Mensch verbirgt. Nach und nach tauchen die vertrauten Figuren aus dem ersten Teil („Aller Tage Hoffnung) wieder auf und man erfährt, wie es ihnen in den letzten Jahren ergangen ist. Mit vereinten Kräften macht man sich daran, den Kriegsflüchtlingen und Vertriebenen zu helfen. Dass nicht jeder Helfer automatisch ein guter Mensch ist, sorgt zusätzlich für Spannung.



    Fazit


    Es gibt Bücher, die gut unterhalten. Und es gibt Bücher, die einen berühren und bewegen. Veronika Ruschs zweiter Roman rund um die Bahnhofsmission zählt zu Letzteren.Während des Lesens hatte ich tatsächlich mehrfach Gänsehaut oder Tränen in den Augen – das passiert mir sonst eher selten.Veronika Rusch schafft es aber, einen wirklich mitzunehmen und einem das Gefühl zu geben, man sei mittendrin im Geschehen. Ich habe das Buch mit einem lachenden und einem weinenden Auge beendet – einerseits nahm die Geschichte für alle ein gutes Ende, andererseits musste man diese liebgewonnenen Figuren nun zurücklassen und erfährt nicht mehr, wie es ihnen weiter ergeht – aber so geht es mir oft bei sehr guten Büchern. Für diesen Roman gibt es von mir auf jeden Fall die volle Punktzahl und eine unbedingte Leseempfehlung!


    Ein Dankeschön geht an VeronikaRusch für unterhaltsame und bewegende Lesestunden und die engagierte Begleitung der Leserunde.


    Ebenfalls Danke sage ich dem Verlag für das Leseexemplar und hollyhollunder für die Organisation.