Don't kiss Tommy - Theresia Graw

  • Klappentext (Amazon):

    Die Stadt ist umzäunt. Fraternisierung verboten. Zwei ungleiche Freundinnen kämpfen für ihre Träume und gegen die Grenzen der Liebe.

    Nach Kriegsende wird der mondäne Kurort Bad Oeynhausen zum Hauptquartier der britischen Rheinarmee. Durch die Innenstadt wird ein Zaun gezogen, tausende Einwohner müssen ihr Zuhause verlassen und Platz machen für die Besatzer. Auch Anne und ihre Familie sind gezwungen, ihr Kurhotel aufgeben und in eine Baracke außerhalb der Sperrzone zu ziehen. Während ihre Freundin Rosalie gewillt ist, sich die Briten zum Freund und das Leben dadurch ein bisschen einfacher zu machen, lehnt sich Anne auf und gerät immer wieder mit dem Colonel Michael Hunter aneinander. Erst ein verhängnisvolles Feuer lässt beide erkennen, dass sie auf derselben Seite stehen und sich viel näher sind, als sie jemals dachten …



    Bad Oeynhausen, 1945: Nach kurzer amerikanischer Besatzung übernehmen die Briten die Herrschaft und errichten mitten im Kurort Bad Oeynhausen ihr Hauptquartier. Die bisherigen Bewohner werden kurzerhand vor die Tür gesetzt und müssen bei Verwandten oder in Lagern unterkommen. Während Anne in eine primitive Baracke vor der Stadt zieht, marschiert ihre frühere Freundin Rosalie zu einem Bauernhof, wo sie gegen Mithilfe bei Stall- und Hausarbeit eine kleine Kammer und Kost bekommt. Während die eine gegen die britische Bevormundung aufbegehrt, versucht die andere, sich mit den Besatzern zu arrangieren.


    In kurzen, übersichtlichen Kapiteln stellt Theresia Graw die Geschichte von Anne und Rosalie dar, verquickt historische Fakten mit romanhaften Elementen zu einem besonderen Ganzen. Von der ersten bis zur letzten Seiten herrscht spürbare Lebendigkeit, man erkennt das Herzblut der Autorin, welches in jeder einzelnen Zeile steckt. Detaillierte Recherchen lassen überaus realistische Szenen entstehen, die einem bisweilen den Atem stocken lassen über die Gräuel, welche auch nach dem Krieg noch zu erdulden waren – mit ein paar persönlichen Habseligkeiten sind die Oeynhausener aus den eigenen vier Wänden vertrieben worden, Hunger und Kälte nagen an den ohnehin geschwächten Menschen, jeder Tag gleicht einem Kampf ums Überleben. Anne und Rosalie stehen als Beispiel für Schicksale, welche sich so oder ähnlich zugetragen haben und erinnern auch heute noch an jene schreckliche Zeit. Aber auch die Briten sind hervorragend charakterisiert, insbesondere ihre Art zu sprechen ist sehr treffend wiedergegeben.


    Mit viel Feingefühl und stilistischer Wertigkeit erzählt Theresia Graw vom Grauen und vom Hoffen, vom Verzagen und vom Kämpfen. Die Blickwinkel von Anne und Rosalie beleuchten unterschiedliche Herangehensweisen, wobei keine besser ist als die andere, jeder muss seinen Weg finden und für sich zurechtkommen. Sehr emotionale und berührende Augenblicke darf der Leser mit den beiden jungen Damen erleben, und auch heute noch denkt man beim Lesen immer wieder darüber nach, wie man wohl selbst in solchen Situationen gehandelt hätte.


    Ich bin auch von diesem Roman aus der Feder Theresia Graws sehr ergriffen und werde den Nachhall noch länger in mir spüren. Ein hervorragendes Buch aus historischen Gegebenheiten und einer wunderschönen fiktiven Handlung, ich empfehle es sehr, sehr gerne weiter!


    ASIN/ISBN: B0CZTWY5CM

  • Schauplatz ist Bad Oeynhausen. Die Stadt hat nach dem zweiten Weltkrieg kapituliert, die Engländer kommen. Da sie das Zentrum der Stadt zum „Headquarter British Army of the Rhine“ machen wollen, wird es Sperrzone und dafür müssen alle Einwohner ihre Häuser und die Stadt innerhalb kürzester Zeit verlassen. Darunter auch Anne, deren Eltern mit dem Margarethenhof ein angesehenes Hotel hatten und ihre frühere Freundin Rosalie. Anne zieht mit der restlichen Familie in eine Barackensiedlung und Rosalie kommt auf einem Bauernhof unter. Beide kämpfen für ihre Zukunft und die baldige Rückkehr in ihr altes Zuhause. Jede versucht, sich auf ihre Weise durchs Leben zu schlagen. Durch einen Zufall treffen sie sich auf dem Schwarzmarkt wieder und lassen ihre Freundschaft aufleben. Beide arbeiten in ihrem persönlichen Überlebenskampf für die Engländer. Sie haben ihre Zukunftsträume, erleben Rückschläge und meistern zusammen auch diese. Aufgeben gibts nicht! Mehr verrate ich nicht.



    Ich hatte schon mehrere Bücher der Autorin mit Begeisterung gelesen und so ging es mir auch mit diesem. Der Schreibstil liest sich flüssig und die Seiten fliegen nur so dahin. Die Zeit war schrecklich und das beschreibt sie auch so - man spürt diese bedrückende Atmosphäre sowie die große Not der Bürger. Die Figuren charakterisiert sie wiederum so bildhaft, daß man sie genau vor Augen hat und deshalb kann man als Leser richtig eintauchen in die Geschichte. Bemerkenswert ist auch die intensive Recherchearbeit zu diesem Buch und wie die Autorin die fiktive Geschichte und die historischen Gegebenheiten miteinander verbunden hat.


    Ich hatte tolle Lesestunden und empfehle dieses Buch sehr gerne weiter.

  • Die letzten Kriegstage in der Kurstadt Bad Oeynhausen erlebt Anne Gerland als Schwesternhelferin in einem Lazarett. Nun hofft sie, das familieneigene Hotel bald wieder eröffnen zu können. Auch Annes Freundin Rosalie hat die Hoffnung auf ein besseres Leben nach dem Krieg nicht aufgegeben. Die Briten haben den Ort eingenommen und zu ihrem Hauptquartier ausgewählt. Die Einwohner müssen ihre Häuser verlassen und in eine armselige Barackenstadt am Rande von Bad Oeynhausen ziehen. Ein Stacheldrahtzaun trennt diese Sperrzone von der eigentlichen Stadt. Aber Anne und Rosalie denken nicht daran aufzugeben, jede kämpft dabei auf ihre eigene Weise. Anne lehnt sich gegen die Besatzer auf, während Rosalie für die Briten arbeitet. Erst als Anne den Colonel Michael Hunter kennenlernt, wandelt sich langsam ihr Verhältnis zu den Briten.


    Bereits das kess gestaltete Cover hat mein Interesse an dem Buch geweckt. Ich habe bisher alle Bücher von Theresia Graw mit Begeisterung gelesen. So war ich auch auf diesen Roman gespannt und bin nicht enttäuscht worden. Die Autorin hat ihr neues, sorgfältig recherchiertes Buch in Bad Oeynhausen in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges sowie in der Zeit danach angesiedelt. Theresia Graw schildert die Ereignisse bildhaft und sehr emotional. Die Atmosphäre im Ort und die Verzweiflung der Menschen wird überzeugend dargestellt. Der Schreibstil ist flüssig, die Autorin überzeugt mit ihren authentischen Figuren. Besonders beeindruckt hat mich die Entschlossenheit Annes, für ihre Familie und das Hotel Margarethenhof zu kämpfen. Aber auch Rosalie ist eine interessante Protagonistin, die ihr Leben und ihre Zukunft allen Widerständen zum Trotz selbst bestimmt. Am Beispiel von Annes Schwager Diethart wird deutlich, wie engstirnig und uneinsichtig Menschen agieren, die immer noch an den Nationalsozialismus glauben. Die Erzählung spiegelt einen wichtigen Teil der Geschichte der Kurstadt Bad Oeynhausen wider. Ich habe mich mit diesem Roman sehr gut unterhalten gefühlt, vergebe dafür fünf Sterne und spreche eine Leseempfehlung aus.

  • Ein wunderbares Buch, das ich leider viel zu schnell durch hatte.

    Ich hätte ja gern noch weitergelesen.

    Aber das zwischendurch unterbrechen ging nicht, dazu war ich zu gespannt, wie es weitergeht.



    Bad Oeyenhausen 1945, eine der wenigen nicht völlig zerstörten Städte am Ende des zweiten Weltkrieges.

    Die Stadt ergibt sich erst den Amerikanern, später errichten die Briten dort ihr Hauptquartier.

    Dafür müssen die Bewohner ihre Häuser für die Besatzer verlassen und sehen, wo sie unterkommen.


    Sowohl Anne, die Im Hotel aufgewachsen ist und es von ihrer Familie übernehmen sollte, als auch Rosalie, die in einem Zimmerchen wohnt, müssen aus der requirierten Stadt an den Rand ziehen und kommen in einer Baracke und einem Bauernhof mehr schlecht als recht unter.


    Rosalie erreicht schnell, daß sie einen Job bei den Briten als Kellnerin erhält, ihr sehnlichstes Ziel ist es, sich mit den Briten zu arrangieren, möglichst einen von ihnen zu heiraten und endlich ein unbeschwertes Leben nach dem Krieg führen zu können.

    Anne hingegen hat große Vorbehalte gegen die Besatzer, die den Bad Oeyenhausenern diese elende Lage beschert haben, mit Wohnzuständen, die den Namen eigentlich nicht verdienen. Mangel an Nahrungsmitteln und Repressalien.



    Letztlich arbeite auch Anne bei den Briten als Übersetzerin, um für sich und ihre Familie - ihre Schwester und den Schwager mit drei kleinen Kindern - sorgen zu können.


    Das Leben der beiden Hauptfiguren Anne und Rosalie wird sehr eindrücklich beschrieben. Meist im Wechsel, so daß der Leser praktisch beide Perspektiven nachvollziehen kann.

    Ihre Hintergründe erfährt und ihre Träume für die Zukunft.


    Das Ganze so authentisch, als wäre der Leser jeweils mit dabei und begleitet die beiden jungen Frauen.

    Erlebt ihre Gedanken, Gefühle, Handlungen und nimmt teil an dem Leid, was in der Zeit, in die eine der schlimmsten Hunger und Kältewinter fällt, nicht ausbleibt.


    In dem beschriebenen Zeitraum von ca. 2 Jahren läßt sich die Entwicklung, die beide Frauen durchmachen sehr gut verfolgen.

    Einer der Punkte, der mir so gut gefallen hat.


    Auch die Nebenfiguren sind interessant, sei es Helmut, der junge Sohn des Bauern, Iris, die Schwester Annes und vor allem Diethart der Schwager, der ein unverbesserlicher Nazi bleibt.

    Die britischen Soldaten und die Offiziere.


    Der Schreibstil ist so flott, daß die Seiten des Buch nur so fliegen.


    Auch die Geschichte des Kurbads ist interessant, da sie doch sehr wenig bekannt ist - ich hatte von dieser besonderen Art der Besatzung so auch noch nichts gehört.




    Fazit

    Ein wunderbarer, auch einfühlsamer Roman über die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, als die Briten ihr Hauptquartier in Bad Oyenhausen errichteten.
    Er beschreibt, wie die ehemaligen Bewohner mit der Ausquartierung fertig werden mußten.
    Wie das Zusammenleben mit den Besatzern funktionierte und der Umgang miteinander gelebt wurde.


    Mit sehr authentischen Figuren, die den Leser an ihrem Leben teilhaben lassen.


    Ich kann den Roman nur wärmstens empfehlen.

  • Bad Oeynhausen im Jahr 1945. Am Ende des Krieges marschieren erst die Amerikaner ein und dann übernehmen die Briten die Stadt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die gesamte Innenstadt wird geräumt und die Einwohner ziehen zu Verwandten oder in Baracken. Gerade für Anne ist das ein harter Schlag, verliert sie dabei doch das Hotel der Familie. Ihre ehemalige Freundin Rosalie findet jedoch schnell eine Anstellung bei den Briten und versucht damit ihr Leben wieder auf einen besseren Weg zu bringen.

    Das Buch schildert uns die Lage in der Stadt aus zwei Sichtweisen. Rosalie versucht sich mit den Briten gut zu stellen, während Anne den Besatzern sehr abwehrend gegenüber steht. Das ändert sich erst, als auch sie mehr Kontakt hat und mit Colonel Michael Hunter jemanden kennenlernt, der ein wirkliches Interesse am Wiederaufbau in Deutschland hat. Man bekommt bei den Gesprächen der beiden sehr gut mit, welche Beweggründe die Briten für ihre Aktionen hatten.


    Natürlich gibt es auch Besatzer, denen die Deutschen an sich egal sind. Sie tun ihren Dienst und werden besser versorgt als zu Hause. Und die hübschen Fräuleins sind ein netter Zeitvertreib.


    Mir hat das Buch gut gefallen, auch wenn ich am Anfang ein wenig Probleme mit Anne und Rosalie hatte. Ihre Vorstellungen, wie Dinge laufen, waren mir einfach an vielen Ecken zu naiv. Allerdings entwickeln sich beide im Laufe des Buches merklich weiter und am Ende war ich mit beiden versöhnt. Man lernt viel über die wirklich ungewöhnliche Situation in der Stadt, die noch bis 1955 anhalten sollte. Das Buch endet im Jahr 1947, bietet aber im Epilog einen Ausblick auf die Zukunft der Stadt und der Protagonisten. Das hat mir ausgesprochen gut gefallen.


    Daher von mir eine Leseempfehlung für dieses schöne Buch.


    9 von 10 Punkte

  • Headquarter in Bad Oeynhausen ... die Briten übernehmen die Stadt!

    In den letzten Wochen und Monaten habe ich einige Bücher gelesen, die während des Zweiten Weltkriegs spielten und so war ich sehr glücklich darüber, mich nun auch mal der Zeit nach dem verlorenen Krieg widmen zu dürfen. Denn verloren hatten wir Deutschen haushoch, da biss die Maus keinen Faden ab. Das bekamen unter anderem auch die Einwohner von Bad Oeynhausen zu spüren, deren Stadt die britische Militärregierung vereinnahmte, ihr Headquarter dort einrichtete und die Einwohner zum Teufel jagte. Guter Rat war teuer, wo sollte man unterkommen? Die Innenstadt wurde mit Hilfe von Stacheldraht abgeriegelt und so blieb den ehemaligen Einwohnern, die sich auf einen raschen Neustart gefreut hatten, nichts anderes übrig als in Barracken zu ziehen oder sonstige Wohnmöglichkeiten aufzutun. Erstere Variante wählte Anne und ihre Familie, die ihr geliebtes Kurhotel, das während des Krieges bereits als Lazarett gedient hatte, nun an die Briten verloren. Auch Rosalie, Annes ehemalige beste Freundin, ist auf der Suche. Sie ist dank des Kriegs, bei dem sie ihre Familie verlor, Mutter Seelen allein auf der Welt. Durch Zufall lernt sie den jungen Bauerssohn Helmut kennen und findet schließlich bei ihm und seinem Vater Unterschlupf auf dem Hof. Doch so will sie nicht enden, sie strebt nach einer Beziehung mit einem der schmucken britischen Offiziere, die ihre Heimatstadt belagern. Hocherhobenen Hauptes will sie eines Tages das deutsche Festland verlassen und in England ein neues Leben beginnen. Anne hingegen sehnt den Tag herbei, an dem sie das geliebte Hotel wieder in Schwung bringen kann, nachdem die „Tommys“ endlich nach Hause gegangen sind. Beide Mädchen träumen, doch mit jedem Monat, der ins Land zieht, wird die Not größer und bald scheinen ihre Träume in unerreichbare Ferne gerückt …

    Berührend, ohne jedoch auch nur einen Moment rührselig zu wirken, beschreibt die bekannte Autorin Theresia Graw mit „Don’t kiss Tommy“ ein realitätsnahes Szenario. Während die beiden Protagonistinnen Anne und Rosalie ihrer Fantasie entsprangen, zeichnet sie ein echtes Bild von Deutschland nach dem verlorenen Krieg, das an die Nieren geht. Man kann sich heute schwer vorstellen, wie hart das Leben damals gewesen sein muss, wie Hunger aber auch große Hitze und Kälte den Menschen zusetzten und so manchen sogar das Leben kostete. Es muss schwer gewesen sein, sich den Besatzern zu unterwerfen und manch einer mag daran zerbrochen sein. Auch für Anne und Rosalie ist der Weg nicht mit Rosenblättern bestreut aber sie finden schließlich ihren Platz im Leben. Ich habe mit gefiebert und an den Seiten geklebt. Der flüssige Schreibstil blätterte mir diese fast wie von selbst um und ich freute mich über ein schlüssiges und keineswegs kitschiges Ende. Von mir gibt es ein von Herzen kommende Leseempfehlung und natürlich absolut verdiente fünf funkelnde Sterne.

  • Der Krieg ist verloren - eine neue Zeit beginnt


    Ich lebe in der ehemaligen englischen Besatzungszone Hannover, etwa 100 km von Bad Oeynhausen entfernt. Weil mir Theresia Graw´s Gutsherrin-Saga so gut gefallen hat, habe ich bereits einen Eindruck von ihrem Schreibstil. Diese Romane mag ich sehr gern und immer mal wieder denke ich an deren Handlung. Nun führt uns die aktuelle Geschichte in den ostwestfälischen Kurort Bad Oeynhausen. Dort war ich schon und habe dadurch ein bisschen Kopfkino während des Lesens gehabt.


    Ab der ersten Seite habe ich die Geschichte sehr gern gelesen. Ich mag die parallelen Erzählstränge mit den beiden Protagonisten Anne und Rosalie. Es ist spannend, abwechselnd die Geschichte der beiden Frauen erzählt zu bekommen. Sie waren mal beste Freundinnen und nun nach dem Krieg spielt es kaum eine Rolle, welches Leben man zuvor geführt hat. Alle Bewohner der Stadt Bad Oeynhausen werden ihrer Wohnungen und Häuser verwiesen, die Briten errichten dort ihr Hauptquartier. Die ostwestfälische Bevölkerung bekommt Plätze im Barackenlager zugewiesen und wer kann, versucht bei Verwandten anderswo aufgenommen zu werden. Anne betrieb mit der Mutter ein Hotel. Ihre verheiratete Schwester Iris lebte im eigenen Haus mit ihren drei kleinen Kindern. Ihr Mann Diethard verehrte Hitlers Politik, es ging ihnen sehr gut. Nun liegt bei jedem Erwachsenen ein Kind mit im Bett. Essen, Holz zum Heizen, alles ist knapp und unbezahlbar. In ihrem Hotel ist der britische Club. Eine Stacheldrahtbarriere, die nur mit Passierschein überwindbar ist, trennt sie von ihrer Kurstadt. Dieses für mich unbekannte Kapitel der deutschen Geschichte war mir zuvor unbekannt.


    Rosalie kommt aus einfachen Verhältnissen, sie hat ihre Eltern und ihren Bruder an den Krieg verloren. Rosalie arbeitet hart, sie muss zwar nicht Hunger leiden und auch nicht Frieren, hat ein richtiges Bett. Auf dem Hof muss sie richtig anpacken, kümmert sich um Mahlzeiten, Haus und Wäsche. Andererseits hat sie dadurch auch eine Ersatzfamilie, einen Ort wohin sie gehört. An den Wochenenden arbeitet sie als Bedienung im englischen Club Sie locken die schönen Dinge, die bei ihrem Aufwachsen in einfachen Verhältnissen, sie nur bei anderen bewundern konnte und die die britischen Soldaten in den englischen Geschäften der Kurstadt kaufen können. Annes Wünsche sind nicht ichbezogen, es geht um einfache Lebensmittel, ein paar Kohlen, für die Familie in der Baracke.


    Anne und Rosalie können beide zupacken und sind mutig, Probleme anzugehen und auch anzusprechen.


    Ich lese deshalb so gern Historische Romane aus der Zeit, weil man, obwohl man schon viel über die Zeit erzählt bekommen und gelesen hat, immer wieder neue Puzzleteile der Vergangenheit dazu kommen. So gefällt mir die Situation vom nahen Bad Oeynhausen mithilfe dieses Romans zu erfahren.


    Das Buch hat das Potential für das Monatshighlight. Es waren schöne Lesestunden mit einem tollen Roman. Er hat mir sehr gut gefallen und ich bin gespannt auf das nächste Buch der Autorin und ja, ich freue mich sehr darauf.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Bad Oeynhausen in der Stunde Null. Zum Glück beweist die Stadt Vernunft und ergibt sich widerstandslos und die englischen Besatzer übernehmen die Vorherrschaft über die Stadt. Doch die Zeiten sind nicht einfach: Tausende Bewohner müssen ihr Zuhause verlassen und in Baracken hausen, da die Engländer nahezu die gesamte Innenstadt für sich beanspruchen und hermetisch abriegeln.


    Der Margarethenhof, das Hotel von Annes Familie, fällt somit in die Hände der Engländer und ihr lang ersehnter Wunsch, das Hotel endlich wieder eröffnen zu können, rückt damit in unbekannte Ferne. Ihr Wunsch nach mehr normalem Leben und ihre Fürsorge für andere lassen sie immer wieder auf Colonel Mike Hunter treffen... und Kämpfe mit ihm ausfechten.


    Ihre Schwester Iris hat andere Sorgen: ihr Mann Diethart hängt immer noch den vergangenen Zeiten nach und plötzlich steht Frank vor ihr. Frank, der 1938 aus Nazideutschland flüchten musste und nun zu den Besatzern gehört.


    Und dann ist da noch Rosalie, Annes einstige Freundin, die sowieso noch nie viel hatte, aber in den letzten Kriegsmonaten auch noch ihre kleine Familie verloren hat. Sie kriecht bei Helmut und seinem Vater auf dem Bredekamphof unter, weil sie nicht weiß, wohin sie sonst sollte.


    Diese Protagonisten begleiten wir in diesem ganz wunderbaren Buch durch die ersten Nachkriegsjahre. Leicht haben sie es nicht: sie werden von Hunger geplagt und wissen nicht, wie sie überleben sollen. Die Natur ist mit kalten Wintern und Hochwasser auch nicht gnädig zu ihnen. Im starken Kontrast dazu steht das anscheinend „leichte Leben“, das die Besatzer führen, während es der Bevölkerung an allem mangelt. Es sind schwierige Zeiten, die von den Menschen noch einmal alles fordern.


    Die Beschreibung des Lebens in der Nachkriegszeit hat mir sehr gut gefallen. Ganz ähnliche Geschichten z.B. von der Kohlebeschaffung oder dem Durchsuchen bereits abgeernteter Felder habe ich genau so von meinen Großeltern gehört. Mir gefällt, dass hier sehr viel „Zeitgeschichte“ eingeflossen ist, wie z.B. die Schwangerschaftstests dieser Zeit oder das „fringsen“. Klasse fand ich auch, dass die Story vor der realen Geschichte Bad Oeynhausens in der Nachkriegszeit stattfindet. Hier hat es mir wieder Spaß gemacht, Themen wie z.B. „Stadt ohne Stufen“ oder den Kirchenbrand im Internet nachzulesen.


    Ja, genau so hätte sich die Geschichte auch „in echt“ zutragen können. Mir hat die Lektüre des Buches und vor allem auch unsere Leserunde wieder sehr großen Spaß gemacht. Einzig und allein mit dem Buchtitel „Don't kiss Tommy“ bin ich nicht ganz glücklich, er suggeriert ein Buch mit weniger Anspruch als es letztlich ist. Der Untertitel wird dem Buch besser gerecht. Aber das ist jetzt schon „Meckern auf sehr hohem Niveau“.


    An dieser Stelle auch noch mal herzlichen Dank an den Verlag für das Buch und eine ganz klare Leseempfehlung. 10/10 Eulenpunkte für mein Monatshighlight. Das Buch macht auf jeden Fall große Lust auf weitere Romane der Autorin.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Authentisch und historisch gut recherchiert!

    Da ich noch kein Buch über die Nachkriegszeit gelesen habe, musste ich dieses Buch einfach lesen.

    Zum Inhalt von "Don`t kiss Tommy: Eine Liebe in der Stunde Null":

    Die Stadt ist umzäunt. Fraternisierung verboten. Zwei ungleiche Freundinnen kämpfen für ihre Träume und gegen die Grenzen der Liebe.

    Nach Kriegsende wird der mondäne Kurort Bad Oeynhausen zum Hauptquartier der britischen Rheinarmee. Durch die Innenstadt wird ein Zaun gezogen, tausende Einwohner müssen ihr Zuhause verlassen und Platz machen für die Besatzer. Auch Anne und ihre Familie sind gezwungen, ihr Kurhotel aufgeben und in eine Baracke außerhalb der Sperrzone zu ziehen. Während ihre Freundin Rosalie gewillt ist, sich die Briten zum Freund und das Leben dadurch ein bisschen einfacher zu machen, lehnt sich Anne auf und gerät immer wieder mit dem Colonel Michael Hunter aneinander. Erst ein verhängnisvolles Feuer lässt beide erkennen, dass sie auf derselben Seite stehen und sich viel näher sind, als sie jemals dachten …

    Mein persönliches Fazit:

    Die Autorin Thereisa Graw hat mit diesem Buch ein sehr gut historisch recherchiertes Werk geschaffen. In fünf Teilen wird ziemlich eindrücklich beschrieben, wie die Hauptprotagonisten Anne und Rosalie die schwere Zeit durchleben, nachdem die Briten Bad Oeynhausen zu ihrem Hauptquartier ernannt haben und alle Menschen außerhalb der Sperrzone in einer Barackenstadt leben müssen. Beim Begriff "Baracke" musste ich auch an die Konzentrationslager denken... Es sind keine einfachen Jahre, da ist einmal das Hochwasser, dann der Dürresommer und der bittere Winter...

    Doch es passieren auch positive Dinge, wie etwa, dass sich gegenseitig geholfen wird, dass eine Freundschaft wieder auflebt usw.

    Am Ende wird den beiden Hauptprotagonisten eines klar: Die Liebe ist das Wichtigste und mit ihr kann man vieles erreichen! <3

  • Bad Oeynhausen - klar, vom Namen her ein Begriff.

    Aber mehr hätte ich zu dieser Stadt nicht sagen können.

    Das hat sich nun geändert.

    1945 - der Krieg ist zu Ende. Den Menschen geht es schlecht. Keiner weiß, was kommen wird.

    Nach Bad Oeynhausen kommen erst einmal die britischen Besatzer und alles wird anders.

    Viele Menschen müssen ihre Häuser verlassen, ihr gewohntes Leben aufgeben, stehen quasi vor dem Nichts und müssen mit einfachsten Bedingungen klarkommen.

    Das ist nicht einfach und verlangt ihnen alles ab.

    Im Buch wird die Geschichte von Anne und Rosalie erzählt, einst beste Freundinnen aber nun seit Jahren zerstritten.

    Die Umstände bringen immer wieder Berührungspunkte und tatsächlich klären sich einige Dinge im Laufe der Jahre.

    Und es zeigt sich, dass ein Neubeginn immer möglich ist.

    Die Darstellung der Nachkriegszeit wird sehr anschaulich beschrieben, ich habe mit den Menschen mitgelitten und viel Neues über die Besatzungszeit erfahren.

    Das Buch hat mich wirklich gut unterhalten und ich bin froh, dass ich mich vom Titel nicht abschrecken lassen habe.

    Denn auf den ersten Blick hätte ich hinter dem Buch etwas anderes erwartet.

    Umso schöner die positive Überraschung beim Lesen.

  • Inhalt:

    Die Stadt ist umzäunt. Fraternisierung verboten. Zwei ungleiche Freundinnen kämpfen für ihre Träume und gegen die Grenzen der Liebe.

    Nach Kriegsende wird der mondäne Kurort Bad Oeynhausen zum Hauptquartier der britischen Rheinarmee. Durch die Innenstadt wird ein Zaun gezogen, tausende Einwohner müssen ihr Zuhause verlassen und Platz machen für die Besatzer. Auch Anne und ihre Familie sind gezwungen, ihr Kurhotel aufgeben und in eine Baracke außerhalb der Sperrzone zu ziehen. Während ihre Freundin Rosalie gewillt ist, sich die Briten zum Freund und das Leben dadurch ein bisschen einfacher zu machen, lehnt sich Anne auf und gerät immer wieder mit dem Colonel Michael Hunter aneinander. Erst ein verhängnisvolles Feuer lässt beide erkennen, dass sie auf derselben Seite stehen und sich viel näher sind, als sie jemals dachten … (thalia.de)



    Meine Meinung:

    „Stunde Null“- sicher, den Ausdruck habe ich schon mal gehört, aber was bedeutet das eigentlich? Das erfährt man sehr eindringlich in Theresia Graws Roman. Alles ist auf Null gesetzt, die Bevölkerung muss nach dem Krieg neu anfangen. Das war ohnehin schwer genug, den Einwohnern von Bad Oeynhausen wird es aber noch zusätzlich schwer gemacht, da sich die britischen Besatzer in der Stadt niederlassen und die Einheimischen aus ihren Häusern an den Stadtrand verdrängen. Wie unterschiedlich die Menschen mit dieser Situation umgehen sehen wir am Beispiel der beiden Freundinnen Anne und Rosalie, deren Weg wir in der Geschichte mitverfolgen – während Anne versucht, sich aus eigener Kraft wieder eine Existenz aufzubauen, wählt Rosalie den vermeintlich bequemeren Weg, sich mit den Besatzern anzufreunden und vom Wohlstand der Besatzer zu profitieren. Beides ist nicht leicht und nicht ungefährlich, so dass wir Leser uns mit ihnen freuen und mit ihnen mitleiden können.

    Der Titel (der mich im Buchhandel übrigens eher abgeschreckt hätte) verrät, dass auch die Liebe in der Geschichte eine Rolle spielt – sie zieht sich wie ein roter Faden hindurch, taucht immer wieder auf, ohne dabei eine zentrale Rolle einzunehmen, was mir persönlich gut gefallen hat.



    Fazit:

    Ein tolles Leseerlebnis, dass ich so nicht erwartet habe – wie schon geschrieben hätten mich der Titel und auch das Cover in der Buchhandlung eher abgeschreckt. Ich hoffe aber, dass es anderen nicht so geht, es würde sie um einige unterhaltsame Lesestunden bringen. Von mir gibt es die volle Punktzahl und eine unbedingte Leseempfehlung. Danke an Theresia Graw und die Organisatorin der Leserunde, ohne die ich auf dieses tolle Buch nie aufmerksam geworden wäre!