Margit Weiss - Maddalena geht

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)

    „Maddalena betrachtet die Bewegung des Pferderückens und erinnert sich, wie sie hinaus bis Innsbruck wanderte und annahm, sie würde nie zurückkehren. Wie würde es diesmal sein?“

    Maddalena lebt um 1900 als Hebamme in Buchenstein, einem abgelegenen ladinischen Bergtal. Arbeit hat sie genug: In den armen, streng gottesgläubigen Bauernfamilien sind zehn und mehr Kinder keine Seltenheit. Nach einer Geburt beschließt Maddalena, aus der Enge ihres Lebens auszubrechen. Sie macht sich zu Fuß über die Dolomiten auf den Weg in den Norden und stellt sich Wahrheiten, denen sie bisher ausgewichen ist. Unterwegs blickt Maddalena immer wieder auf ihr erstes Weggehen zurück, das sie als 19-Jährige nach Innsbruck in die Hebammenlehranstalt und in eine heimliche Liebesgeschichte führte.

    Nach der Lebensgeschichte der Hebamme Maddalena Decassian


    Autorin (Quelle: Verlagsseite)

    1963 in Kufstein geboren. Studium in Wien, lebt in Kufstein, tätig als Psychotherapeutin und Autorin. Ihre Familie mütterlicherseits stammt aus dem ladinischen Buchenstein. Bei Raetia: „Wenn der Apfellastwagen kommt. Erinnerungen an eine Südtirolersiedlung“ (2023) und „Maddalena geht. Roman“ (2024).


    Allgemeines

    Erschienen bei Edition Raetia am 26.06.2024 als HC mit 208 Seiten

    Gliederung: Erzählung in 35 Kapiteln – Glossar ladinischer Wörter – Danksagung

    Erzählung in der dritten Person aus der Perspektive der Hebamme Maddalena Decassian

    Handlungsort und -zeit: Buchenstein (abgelegenes Bergtal) um 1900, Innsbruck um 1885


    Inhalt

    Maddalena Decassian, Ehefrau eines Schmiedes, arbeitet in einem abgelegenen ladinischen Bergtal als Hebamme. Die Arbeit als Geburtshelferin macht ihr grundsätzlich Freude, aber sie wird täglich mit Missständen konfrontiert, die sie nur schwer ertragen kann. Die Bauersfrauen sind nicht nur durch die schweißtreibende Arbeit auf Höfen und Feldern, sondern auch durch ständige Schwangerschaften und Geburten ausgezehrt. Es wird als das natürliche Los der Frauen gesehen, ihren Männern und Kindern zu dienen. Aufgrund der streng religiösen Einstellung der Menschen gibt es keine Empfängnisverhütung und nicht wenige Bauern misshandeln als „Herr“ der Familie ihre Frauen. Auch Maddalena wurde als Kind schon von ihrem Vater misshandelt, ihr liebevoller und warmherziger Großvater hat ihr jedoch ein anderes Menschen- und Frauenbild vermittelt. Als Maddalena das Gefühl hat, aus ihrem Leben ausbrechen zu müssen, beschließt sie, nach Innsbruck zu gehen, wo sie fünfzehn Jahre zuvor die Hebammenschule besucht hat. Auf der mehrtägigen Wanderung dorthin kommen viele schöne und bittere Erinnerungen an ihre Ausbildungszeit an die Oberfläche.


    Beurteilung

    Angesichts der Schilderung des harten und kargen Lebens in Buchenstein um 1900, unter dem besonders die Frauen und Kinder leiden, kann man Maddalenas Wunsch nach einem Ortswechsel gut verstehen und man fragt sich unweigerlich, weshalb sie seinerzeit nach ihrer Ausbildung in Innsbruck – ein Privileg für eine einfache Bauerntochter - überhaupt ins Bergtal zurückgekehrt ist. Während ihrer Wanderung nach Innsbruck hängt Maddalena vielen Erinnerungen nach, so erfährt der Leser nach und nach, was die gut ausgebildete Frau von ihrem geplanten Lebensweg in der Stadt abgebracht hat. Die Rückblenden auf die Zeit um 1885 sind in den fortlaufenden Text ohne äußerliche Kenntlichmachung eingebunden, sodass bei der Lektüre viel Konzentration gefordert ist. Auch das Fehlen von Redebegleitzeichen „…“ verlangt Aufmerksamkeit. Der literarische, teilweise geradezu poetische Erzählstil ist ein Genuss und die vermittelten Inhalte sind äußerst eindrucksvoll und beklemmend. Vor dem Hintergrund einer Dorfgesellschaft, deren Lebensumfeld und gesellschaftliche Hierarchien heutzutage überhaupt nicht mehr vorstellbar sind, zeichnet die Autorin ein detailliertes Porträt der Protagonistin Maddalena, ihrer Urgroßmutter. Die Geschichte dieser unbeugsamen, nach Selbstbestimmung strebenden Persönlichkeit hat sie von ihrem Großvater Carlo, Maddalenas Sohn erfahren.

    Ein Glossar ladinischer Wörter rundet die Erzählung ab, idealerweise hätte es dem Text besser vorangestellt statt angehängt werden sollen. Auch ein Nachwort über den weiteren Lebensweg Maddalenas wäre eine schöne Ergänzung gewesen.


    Fazit

    Ein überaus fesselndes Sittengemälde der bäuerlichen Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert und eine biographische Erzählung über eine Protagonistin, die sich mit Diskriminierung von Frauen und Kindern nicht abfindet. Sehr lesenswert!

    9 Punkte

    ASIN/ISBN: 8872839327

  • Diesen Roman, der um 1900 handelt, habe ich mit Anteilnahme gelesen. Die Hauptfigur wird für mich wirklich zum Leben erweckt. Maddalena ist Hebamme. Es wird in Rückblenden auch ihre Kindheit erzählt und wie sie als 19jährige aufbricht, ihren eigenen Weg zu finden.


    Man folgt ihrem Leben. Es ist ein Roman, der für mich wirklich historisch ist, ohne die vielen Klischees, die typischen historischen Unterhaltungsromanen zu eigen ist.


    Das die Figur der Maddalena den Leser so erreicht, kann auch daran liegen, dass sie auf eine reale Person basiert.