Sekundärliteratur zu „Dorfpunks“
Man kann es nicht einmal „autobiografische Erzählung“ nennen, oder „Autofiktion“ (ein Etikett, das derzeit auf fast alles geklebt wird), und erst recht nicht „Roman“, wie jedoch draufsteht. Rocko Schamonis neuestes Schriftwerk ist ein Bericht über diese vier, fünf Jahre rund um den Übergang von den Achtzigern in die Neunziger, als ein junger Mann (bürgerlich: Tobias Albrecht) vom Dorf nach Hamburg kam, um dort tief und gerne unter Inkaufnahme leiblicher Schäden ins echte Leben einzutauchen. Und Künstler zu werden. Irgendeine Art von Künstler.
Es beginnt mit einem klugen und stilistisch nahezu brillanten Prolog, und auch die letzten paar Kapitel kann man ernsthaft als Literatur bezeichnen, aber dazwischen hängt das schon manchmal ganz ordentlich durch, tändelt zwischen reinem Namedropping und zwar interessanten und bemerkenswerten, dennoch ziemlich tagebuchartigen Episoden aus dem jungen Leben dieses originellen Typen, der in dieser Zeit Bandmaskottchen, Schlagersänger, Filmer, Kneipier und noch einiges mehr war, der aktiv dazutat, als die „Hamburger Schule“ entstand, der für den legendären „Golden Pudel Club“ verantwortlich zeichnet(e) und das „Studio Braun“ mitbegründete, der von den Goldenen Zitronen über die Toten Hosen, Helge Schneider, Heinz Strunk, Tocotronic und das Who-is-who der damaligen Punkszene bis hin zu Die Ärzte alle traf und kannte und ein bisschen beeinflusste und umgekehrt (mindestens soff und drogte man miteinander). Der zu jener Zeit das Fundament auch für den schriftstellerischen Strang seiner Karriere legte, der sich unterm Strich zum größten Erfolg entwickelte, während die beiden teuren und von Polydor produzierten „King Rocko Schamoni“-Alben größtenteils eingestampft werden mussten.
Es macht Spaß, wenn auch eine Dramaturgie abseits der direkten Lebensberichterstattung fehlt, es hat was Nostalgisches, und es ist ja überwiegend auch ganz gut erzählt. Aber es ist eben ein Stückchen Autobiografie, nicht viel mehr und natürlich auch nicht weniger. Es ist oft lustig und gelegentlich ein bisschen anstrengend, doch die Lektüre lohnt sich, wenn man etwas über diese pulsierende Zelle erfahren möchte, die von Hamburg aus damals die Szenen der Republik beherrscht hat – so eine Art saufende Dada-Künstlerkolonie, wenn man Schamoni glauben darf, wogegen nichts spricht.
Doch das Buch ist auch ein bisschen wie alles von ihm: Semiprofessionell. Und in gewisser Weise Etikettenschwindel. Aber ein ziemlich liebenswürdiger.
ASIN/ISBN: 3446279369 |