Die ersten drei Sätze eures aktuellen Buches (ab 07.06.2024)

  • Wenn jeder Mensch, wie Voltaire behauptet, die Schuld an all dem Guten trägt, das er nicht getan hat, dann habe ich fast ein Leben lang damit verbracht, mich selbst davon zu überzeugen, dass ich keine Schuld an all dem Schlechten trage. Dies zu tun war eine angenehme Art, die Jahrzehnte der selbst auferlegten Verbannung aus der Vergangenheit zu ertragen und mich als Opfer historischer Amnesie zu betrachten, freigesprochen von Mittäterschaft, von keiner Verantwortung belastet.

    Die letzte Episode meines Lebens beginnt und endet jedoch ganz trivial mit einem Teppichmesser.


  • Als Eliza Grey das Baby zum ersten Mal sah, zuckelte sie gerade im Dämmerlicht in einem Güterwaggon über eine verregnete Strecke drei Meilen westlich von Bury St Edmunds, in Suffolk; England. Sie war sechzehn Jahre alt, unbelesen, weltfremd, ihre Augen so dunkel wie der Regen. Sie war hungrig, da sie seit vorletzter Nacht nichts gegessen hatte, und sie trug weder Mantel noch Hut, weil sie im Dunkeln geflüchtet war -ohne zu wissen, wohin, oder was sie als Nächstes tun sollte.

  • ‚The End‘ is the last track on the Doors’ first album, released in January 1967, having been recorded the previous August, when the band had been together for just over a year. It grew out of multiple live performances at the Whisky a Go-Go in Hollywood, though no recordings of these evolving versions of the song have survived. From the get-go at the Go-Go, then, Jim Morrison was busy obsessing about the end – and not just in ‘The End.’

  • In der Nacht vom Stephans- auf den Johannistag hatte das Wetter umgeschlagen, und von Süden über die Donau hinweg, fauchte ein lauer Wind, der die dünne Schneedecke auftaute. Nur im Nordschatten der Wälder hielten sich noch Reste. Der heftige Wind putzte den Himmel blank und jagte grauweisse Wolkenfetzen in die nördlichen Berge.


  • Es gab doch wirklich nichts Schöneres, als in einer Rostlaube mit kaputter Heizung zu sitzen und gegen Bezahlung einen Teenager zu filmen.
    Charlotte Rose Scott, meine Zielperson, hatte perfekt frisierte Haare, große blaue Augen und war derart aufgedreht, dass ich ihr am liebsten eine Schlaftablette zugeschanzt hätte. Nicht, dass ich eine an ein Kind verschwenden würde.


    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • Die einzige unbefangene Zeugin war die Sonne. Seit Tagen schon konnte sie beobachten, wie das eigentümliche Gefährt über den Ozean torkelte und von Wind und Wellen erbarmungslos herumgestossen wurde. Ein- oder zweimal war es fast an einem Riff zerschellt, womit diese Geschichte bereits wieder beendet gewesen wäre.

  • Sie haben mein Kellerloch verwüstet und meine Aufzeichnungen durcheinandergeworfen, mein Leben zerrissen. Die Tinte ausgekippt, den Federhalter zerbrochen. Mein Tagebuch ist zerfetzt wie meine Erinnerung.


  • Dies ist die Geschichte eines Waldes - seines natürlichen, alltäglichen Lebens und seiner Vergangenheit.

    Es ist ein bestimmter Wald, aber einer, der beispielhaft für die kleinen Wälder Englands stehen kann. Der Cockshutt Wood im Südwesten von Herfordshire, das sind anderthalb Hektar Mischwald mit einem verstecken Teich, in dem der Wintermond lebt.


  • Der Himmel über dem Hyde Park war rauchumwölkt. Selbst der Reif auf den Zweigen und auf den Dächern, denen sich die Kutsche nun näherte, hatte eine schmutzige Färbung. In Hampshire war der Horizont meist milchig, oft aber auch klar und licht, sodaß er in seiner Weite an ein still daliegendes Meer erinnerte.


    "Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder!" (Dante Alighieri)

  • Ich habe schon immer unter diesem ungünstigen Zustand gelitten - man nennt ihn Orientierungsschwäche. Natürlich ist das eine Selbstdiagnose, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie zutrifft. Deshalb ist es nicht wirklich meine Schuld, dass ich Probleme habe, mich in diesem Labyrinth namens King City Highschool zurechtzufinden.


    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • 12. Juni 2013

    07:45 Uhr


    Der kürzlich renovierte Flughafen Newark Liberty International erstrahlt in neuem Glanz. Topfpflanzen an jeder Biegung der Absperrbänder sollen die Passagiere von langen Wartezeiten vor der Sicherheitskontrolle ablenken. Die Menschen lehnen an der Wand oder sitzen auf ihren Koffern.


  • Unter einem nebelverhangenen Februarhimmel setzte ein Flugzeug zum Landeanflug auf den internationalen Flughafen Incheon in Südkorea an. In der Maschine sassen zweiunddreissig Passagiere – fünf Regierungsvertreter, die Journalisten, der Rest Leibwächter. Doch eine Passagierin war wichtiger als alle anderen.

  • Hundert Schritt vor den Klippen erhoben sich vier mächtige Pfeiler aus dem Meer.

    Darauf ruht ein Käfig, aus breiten Bohlen gezimmert und mit dicken Tauen festgezurrt.

    Am Boden lag ein Gefangener und erwartete den Tod.


    Irrlicht und Hexe (7. Hexenregel: Unterschätze nie die Kraft des Wortes - es hat eine besondere Kraft, es kann befreien, anstoßen und verändern, aber auch verletzen und zerstören)

  • Seit fünf Minuten klopfte er nun schon an die Tür, aber anscheinend hörte ihn niemand. Er fluchte halblaut. Was zum Teufel war mit dem Mädchen bloss los?

  • Es kann kein Zufall gewesen sein, dass wir ausgerechnet dort und in diesem Moment Stinkmorcheln fanden. Ich erinnere mich an den phallusartigen Fruchtkörper, den widerlichen Leichengeruch und Madeleines unterdrücktes, lockendes Lachen. Ich erinnere mich an den Schauer, der mich durchlief.