Frankfurter Verlagsanstalt, 2023
258 Seiten
Kurzbeschreibung:
Es gibt zwei Arten, auf das Heranrollen einer Lawine zu reagieren: Die einen erstarren, die anderen ergreifen die Flucht. Umgeben von schlecht laufenden Berghotels und ordentlich bepflanzten Vorgärten wachsen die Halbgeschwister Nora und Leo in einem bayerischen Dorf auf. An den zu guten Tagen löst Nora der Mutter Schmerztabletten in Wellnesswasser mit Pfirsichgeschmack auf, wischt Wimperntusche aus ihrem Gesicht. Leo zertrümmert Fenster und Erwartungen, dealt auf dem Schulhof. Als ihr Elternhaus in Flammen aufgeht, verschwindet Leo spurlos. Zehn Jahre später steht Nora in Berlin als junge Geologin kurz vor ihrem Durchbruch. Sie weiß nicht, dass Leo sich nahe Moskau eine prekäre Existenz aufgebaut hat: Mit den europäischen Sanktionen nach der Krim-Annexion und der Zuspitzung im Donbass floriert der Schwarzmarkt, Leo treibt per Anhalter durchs Land und schmuggelt westliche Waren. Während seine Schwester versucht, alles unter Kontrolle zu behalten, hat Leo alle Bindungen gekappt, lebt ein freies, schutzloses Leben. Doch beide eint ein besonderes Talent: die Vorahnung von Katastrophen, ihr »Lawinengespür«. Und so nehmen beide das beginnende Beben wahr – ein Unheil naht. Paula Schweers erzählt die Geschichte zweier Halbgeschwister, deren Sinne das Leben zu früh geschärft hat. Ein Debüt von souveräner Kraft und mitreißender Erzähllust.
Über die Autorin:
Paula Schweers, geboren 1992 in Bremen, studierte Literarisches Schreiben am Literaturinstitut in Leipzig und Europäische Kulturgeschichte in Frankfurt (Oder). Sie arbeitet beim ARTE Magazin und schreibt u. a. für ZEIT Online und das ZEIT Wissen Magazin, erhielt zahlreiche Stipendien und war Finalistin des Literaturwettbewerbs Open Mike. Paula Schweers lebt in Schwielowsee.
Mein Eindruck:
Lawinengespür war für mich kein einfaches Buch, obwohl es gut verfasst ist.
Es handelt von einem Geschwisterpaar, Nora und Leo, die aufgrund einer schwierigen Kindheit bis ins Erwachsenenleben traumatisiert sind. Das äußert sich bei den beiden jedoch ganz verschieden. Leo hat als Jugendlicher das Haus angezündet und ist nach Russland abgehauen. Er war Dealer und Drogensüchtiger und bewegt sich in gefährlichen Kreisen.
Das sind Passagen, die man nicht ohne Beklemmung liest.
Nora hingegen ist der vernünftigere Part. Gute Noten und am Anfang einer Karriere, gerät sie leider doch in eine psychische Erkrankung, bei der sie nicht mehr arbeiten kann.
Nach 10 Jahren hört sie erstmals wieder etwas von Leo, den sie nie vergessen konnte.
Während ich zu der Figur Leo eine große Distanz habe, tut Nora mir leid, dass es ihr so schlecht geht. Doch die Verbundenheit der Geschwister trotz räumlicher Distanz ist beeindruckend.
Am Ende spüre ich doch eine leise Hoffnung, dass es beiden wieder besser gehen wird. Diesen kleinen Hoffnungsschimmer in den Plot zu legen, danke ich der Autorin.
Wer sich für das Buch interessieren sollte, dem empfehle ich den auf youtube zu findenden Stream einer Lesung mit der Autorin Paula Schweers aus dem Literaturforum im Brechthaus.
ASIN/ISBN: 362700311X |