Was kocht Ihr heute ? ( ab dem 31.05.2024 )

  • Buchweizen-Kürbis-Eintopf

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend U. T. Bareiss: Green Lies - Tödliche Ernte

  • Die Autobahn, die sich vierspurig durch das Tal frisst, soll auf Geheiß des damaligen Staatspräsidenten gebaut worden sein, hat mir Frédéric erzählt. Frédéric ist Berufstrompeter und Südfranzose, aus dem Périgord. Er hat unsere Hornistin schon zum zweiten Mal geschwängert, absichtlich, wie er behauptet. Martina hat ein hübsches Gesicht. Sie wollte in ein Orchester und hat zwei Jahre lang vorgespielt, überall in Deutschland, und in Österreich. Manchmal hat sie es bis in die letzte Runde geschafft, aber dann wollten sie doch nie das Mädchen mit den hohen Backenknochen und dem weichen Mund haben, sondern eher den Mann, der die Orchesterstellen befehlsgemäß spielte und nicht so, wie ein Mädchen sie sich denkt.


    Ich sitze in Frédérics Garten, hab die paar hundert Kilometer über eine leere, am Bedarf vorbei gebaute Autobahn hinter mir, durch eine von der gnadenlosen Sonne verbrannten Ebene, vorüber an Seen mit Wasser wie Gallerte, die Ufer ein Brei aus zerstampftem Sand, Sonnenöl, braunroten Leibern und von Geschrei, das der Fahrtwind vom geöffneten Seitenfenster wegriss.


    In Frédérics Garten ist Stille. Der Oleander nickt im lauwarmen Wind, das einzige Geräusch ist das Rascheln der Smaragdeidechsen an den braungelben Mauersteinen des alten Hauses. In diesem Jahr sind meine Kürbisse daheim nicht besonders gut gewachsen; kaum so groß wie Kindsköpfe. Aber sie sind reif, goldorange, außen und innen. Sie heißen wie die Stadt in Japan, die Endstation ist für den bis zur Lichtgeschwindigkeit beschleunigenden Express. Jetzt liegen die beiden Fruchtkörper bewegungslos auf dem Küchentisch in Gourdon, heruntergebremst auf Null. Ihre Hüllen sind zerfurcht, so wie man sich Saint-Exupéris Asteroiden vorzustellen hat, vielleicht, entstanden aus Sternenstaub, Konglomeraten aus winzigsten Bestandteilen der Ewigkeit. Kubrick hätte statt der glatten Metallplatten besser Kürbisse genommen, um mit greisem Finger darauf zu deuten, denke ich mir, während ich in der fremden Küche nach den Töpfen suche.


    Als Deutsche mit dem Kochlöffel in den Töpfen des Erbfeindes umrühren – ich schließe die Augen und hab die unsäglichen Karikaturen vor mir, 1870/71 und danach, die so voll Hass waren, dass ihre Druckerschwärze nie ganz trocken wurde vom Geifer. Sie ruhen heute in wasserdichten Giftschränken, keiner will mehr genau wissen, wo. Aber sie drohen immer noch, und sie werden da sein, wenn man nach ihnen ruft, kommt mir in den Sinn, während ich nach einem Messer krame.


    Frédéric hat Klappmesser, die man nicht spülen, sondern nur feucht wischen darf. Sein Papa macht sie rasiermesserscharf. Ich spalte die Kürbisse damit und schneide sie, so wie man Späne von einem Scheit holt. Das Fruchtfleisch ist hart, aber noch feucht. Ich mache Stifte daraus, drei Zentimeter lang und ein paar Millimeter dick nur, deutsches Fleisch unter einer französischen Klinge. Dann suche ich nach der Fischsoße.


    Ohne Fischsoße wird ein Kürbiscurry nichts. Asiatische Fischsoßen sind Gratwanderungen zwischen Himmel und Hölle, zwischen Unfertigsein und Verderbnis. Der Punkt, an dem sie so sind, wie sie sein sollen, ist nur ein winziger Augenblick. Es gibt eigentlich immer nur das „Noch nicht“ und das „Nicht mehr“, denke ich, und fange an zu pfeifen: „Sur les ponts d’Avignon“. Ich bin glücklich, heute.


    Die Köche von den anderen Sternen schälen die Paprikaschoten, sie schinden sie mit Hitze und plötzlicher Abschreckung, oder sie nehmen einen Kartoffelschäler. Das Curry einer Alleinstehenden aber verträgt soviel Biss, dass die beiden Schoten ungehäutet bleiben können und nur so klein geschnitten werden müssen wie der Kürbis.


    Und dann das Currypulver!


    Man kann es sich selber mixen, rechthaberisch, und allen Leuten auf die Nerven gehen damit. Aber man beraubt sich dabei der Überraschungen, die in jeder unbekannten Mischung enthalten sind. Das Pulver kann man nicht wirklich selber herstellen, finde ich. Es muss direkt von dorther kommen, wo die Sträucher wachsen und wo die Hitze und die Luft und das Licht potenzierend mitwirken bei der Vermischung. Erst dann können sich die Wirkstoffe schlagartig in den Zwischenräumen eines Gerichtes entladen, für dessen Gerüst der Koch verantwortlich ist.


    Die Sommerküche hier ist ein offener Anbau an der Terrasse. Ich nehme den größten Topf und lasse braunen Zucker darin karamellisieren, lösche ihn mit ein bisschen Öl ab und gebe das Currypulver dazu: Nur ein Teelöffelchen voll, oder ein klein wenig mehr. Der entstehende Dampf legt sich auf Bronchen und Bindehäute und es riecht sofort nach den Garküchen Sri Lankas oder irgendwo sonst am Indischen Ozean. Fischcurry ist gelbgrün wie frisch niedergeschlagener Schwefel, nicht braunorange wie der süßlich-schlappe Puder, den sich Schröder immer auf die Wurst streuen ließ. Ich rühre im Topf, schließe die Augen vor dem beißenden Dampf und stelle mir vor, wie es wohl ist, wenn Schröder es seiner So-yeon besorgt, die so dünn ist und die immer lächelt wie ein hilfloses Pony. Schröder ist Pressatmer, weiß ich, ungefähr dreimal so schwer wie seine Frau. Daran ändern auch seine Maßanzüge nichts. Ob es einem wirklich kommt, wenn man lächeln muss wie ein hilfloses Pony, während man von einem Fass wie Schröder überrollt wird? Ich muss husten.


    Der Curry und der Zucker und das Öl sind glatt und ich röste die Schalotten, die Paprikaschoten und die Kürbisstifte nach und nach an damit, schütte ein halbe Büchse Kokosmilch dazu und rühre fünf Minuten lang weiter in dem inzwischen halbvollen Topf: Rot, Orange, Gelb und Lila. Eine gute Prise krümeliges Meersalz dazu, und der Kürbis kommt ins Schwitzen. Ich gebe ihm den Rest der Kokosmilch und eine Tasse Hühnerbrühe dazu. Dann drehe ich das Gas zurück.


    Die Entenbrust hat Frédéric auf dem Bauernmarkt besorgt. Die Haut hab ich am Abend vorher schon kreuzförmig eingeschnitten und das ganze Teil mit Knoblauch, Ingwer, feingehackter Zitronenschale, Öl und einem Spritzer Fischsauce mariniert. Die Brust ist ganz blass jetzt und erinnert mich an die grobporige, weiße Haut, die meine Großmutter an den Oberschenkeln hatte, wenn sie aus dem Wasser des Starnberger Sees herausstieg. Eines Morgens lag sie tot in ihrem Bett, auf dem Rücken, das Gesicht immer noch das einer Schlafenden, nur so weiß, mit ein bisschen Gelb drin, und die Augen nicht ganz geschlossen. Es war das einzige Mal, dass ich meinen Opa weinen sah. Es war überhaupt das erste Mal, dass ein erwachsener Mann neben mir in Tränen ausbrach.


    Die Brust zischt mit der Fettseite nach unten in der Pfanne, während der Kürbis daneben weiterköchelt. Ich decke die Pfanne mit ein paar heruntergerissenen Blättern einer alten Ausgabe der „Paris Match“ zu, in der uns erklärt wird, dass die Krankheiten des Menschen zu etwa 50 Prozent reine Erfindungen der Pharmaindustrie oder der Margarinehersteller seien. Die Hitze und das spritzende Fett machen die Blätter transparent und ich frage mich, warum dieses Fett für mich denn schädlicher sein sollte als für die Bauernente, die bis zu ihrem gewaltsamen Tod so gut damit zurechtgekommen ist und die gewiss noch ein paar vergnügte Jahre weiter damit hätte leben können.


    Ich spüre Frédéric hinter mir und sag zu der Entenbrust: „Wenn man schon auf die einfachsten Fragen die richtigen Antworten nicht findet, wie sollten sich Mann und Frau je verstehen?“ Er drückt mich erst wortlos an sich und meint dann, dass man mit zuviel fragen und zuviel reden alles kaputtmachen kann, und wann das Essen denn fertig sei. Ich sage: „Eine Entenbrust wie diese braucht genau 11 Minuten!“ Und dass man später im Leben deshalb so zerstreut ist, weil man viel mehr über alles Mögliche nachdenken muss, während man seine kleinen Alltagsgeschäfte erledigt.


    Hinter meinem Rücken klappern sie mit dem Geschirr beim Aufdecken.

  • Schnittchen mit zwei Spiegeleiern drüber, damit der Käse schön schmilzt. Zum Nachtisch Mondkuchen, während draußen der Mond schon wieder abnimmt.


    Morgen gibt’s vermutlich Pinsa. Mal schauen, welcher Belag es wird.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

  • ....Das Apfelthema finde ich sehr spannend.

    Ich liebe knackige, saure Äpfel - das, was aktuell im Handel ist, schmeckt mir nicht. Jonagold/Gala/Elstar... urgs.

    Ich gehe daher in einen Bauernmmarkt bei mir in der Nähe, die haben immer besondre Apfelsorten, die echt lecker sind, deren Namen ich aber noch nie gehört habe.


    Bei mir gibt es heute Glasnudelsalat Thai-Art =)