Ron Rash - Der Friedhofswärter

  • Zum Buch (lt. Amazon):


    Eine hochatmosphärische Geschichte über Freundschaft und Verrat von »einem der besten lebenden amerikanischen Autoren« (New York Times)

    Blowing Rock, North Carolina, zu Beginn der 1950er Jahre. Der junge Blackburn Gant, seit seiner Kindheit von einer Polioerkrankung gezeichnet, arbeitet als einziger Friedhofswärter der kleinen Stadt in den Appalachen.

    Sein Leben mit den Toten passt gut zu seiner zurückhaltenden Art, und die gelegentlichen Momente des Unbehagens bringen ihn längst nicht so aus dem Konzept wie die Gespräche mit den Bewohnern der Stadt. Doch als sein einziger Freund Jacob für den Koreakrieg eingezogen wird, bekommt Blackburn die Aufgabe, sich um dessen schwangere Frau Naomi zu kümmern.

    Die sechzehnjährige, mittellose Naomi und Jacob sind seit ihrer Hochzeit, die gegen den Willen von Jacobs wohlhabenden Eltern vollzogen wurde, Ausgestoßene in Blowing Rock. Naomi und Blackburn kommen sich näher, und als Jacob im Krieg schwer verwundet wird, entsteht ein Plan, der das Leben von vielen Menschen erschüttern wird …



    Zum Autor:


    Ron Rash, geboren 1953, ist Schriftsteller und Lyriker und veröffentlichte zahlreiche Romane und Short Storys. Er gilt als einer der bedeutendsten amerikanischen Gegenwartsautoren und unterrichtet an der Western Carolina University.


    Eine hochatmosphärische Geschichte über Freundschaft und Verrat von »einem der besten lebenden amerikanischen Autoren« (New York Times)



    Meine Meinung:


    Dieser Roman beantwortet für mich aufs Vortrefflichste, warum ich Bücher lese.

    Ich kannte den Autor nicht, ist aber scheinbar auch sein erstes Buch, dass auf Deutsch übersetzt wurde. Entdeckt habe ich es dank netgalley und nach dem Lesen habe ich mir das Buch gekauft.


    Vielleicht habe ich euch ja jetzt ein bisserl neugierig gemacht, warum das Buch mich so umgehauen hat.

    Die Geschichte startet ziemlich dramatisch in Korea, wo der blutjunge Jacob nach seiner überraschenden Einberufung bei einem nächtlichen Einsatz schwer verletzt wird. Aufrecht hält ihn der Wunsch, seine schwangere Frau wiederzusehen und sein Kind in den Armen zu halten. Er hat sie erst kurz vorher gegen den Wunsch seiner strengen Eltern geheiratet und seine einzige Beruhigung ist, dass sein treuer Freund Blackburn sich um sie kümmern wird. Blackburn, der nach einer schweren Polioerkrankung eine Gesichts- und Fußlähmung zurückbehalten hat und deshalb an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurde, ist trotz seines jungen Alters der einzige Friedhofswärter der Stadt und er füllt seinen Job mit Leib und Seele aus. Ein wenig ist er auch schon in Jakobs Frau Naomy verliebt aber noch mehr sehnt er die Rückkehr seines einzigen Freundes herbei.


    Von Anfang an war es die Sprache, die mich neben der stringent erzählten Handlung, so fasziniert hat. Das Buch ist eines dieser Schätzchen, die keine 300 Seiten lang sind, aber mit wenigen Worten trifft der Autor genau den Nerv des Geschehens, beschreibt fast schmerzhaft akurat die Gefühle der Akteure, steuert den Plot unaufhaltsam, schnell und furchtlos auf das Finale zu.


    Da wir uns in den 1950 Jahren irgendwo im tiefsten North Carolina befinden, kommt die Nachricht von Jakobs Verwundung und seiner baldigen Rückkehr aus dem Krieg, als Telegramm an das einzige Postamt in der Stadt. Der dort zuständige MItarbeiter muss das Telegramm eigentlich an Jakobs Frau aushändigen. Aber da er dessen Eltern kennt und weiß, dass sie derzeit keinen Kontakt zueinander haben, sich aber sicherlich auch sehr um ihren einzigen Sohn sorgen, beschließt er, das Telegramm erst mal ihnen zu zeigen. Die Eltern, die ihren Sohn möglichst ohne diese Ehefrau wieder zurück haben wollen, erdenken sehr schnell einen perfiden Plan. Naomi soll ein gefälschtes Telegramm bekommen, dass Jakob gefallen ist. Und da Naomi sich derzeit bei ihren Eltern aufhält, die eine Tagesreise entfernt auf einer Farm leben, wird in der Stadt der Tod Naomis und ihre Beerdigung inkl. Sarg inszeniert.


    Mehr will ich gar nicht verraten. Ich habe auf jeden Fall geflucht und gebangt bei diesem Buch. Ich habe mit den jungen Leuten mitgelitten, den psychischen Schmerz, der aus diesen Lügen entsteht, selbst nachempfinden können. Selten habe ich so einen Widerwillen gegen fiktive Darsteller entwickelt, selten habe ich so dem Ende entgegengefiebert - und wollte gleichzeitig nicht, dass die Geschichte endet, da so eindringlich und klug erzählt wird.


    Das Finale und der Nachgang hätten gerne noch etwas länger sein dürfen. Nur schweren Herzens trenne ich mich von den Figuren. Wie schade, dass es noch kein weiteres Buch von Ron Rash zu lesen gibt. Ich hoffe sehr, der Verlag hat hier ein einsehen. ;)


    Fazit: LESEN LESEN LESEN

    10 von 10 Eulenpunkten


    ASIN/ISBN: 3747206077

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ich kann mich deinem begeisterten Leseeindruck nur anschließen.


    Die Geschichte zieht einen sofort in ihren Bann, erlebt man doch als Leser durch die Augen von Jacob, wie es ist, im Krieg zu sein und danach all die Folgen, die dies hat...gleichermaßen sieht man dem herzensguten Jacob dann stetig dabei zu, wie er immer mehr zerbricht und das zu verlieren droht, was ihn zusammen hält...und dann ist da ebenso herzensgut sein "Blutsbruder" Blackburn, der als Friedhofswärter arbeitet und dies mit einer ebensolchen Herzensgüte für die Lebenden und Toten tut, dass auch diese Situationen beinahe warm erscheinen.


    Im Zentrum des Buchs stehen Verrat/Lügen vs. Freundschaft/Liebe und trotz des daher eher normalen Motivs und einer vielleicht gegebenen Basislage wie in vielen Büchern, waren es hier die Kontraste, die mich überzeugt haben. Da ist dieses weite Land und die Engstirnigkeit in der Stadt...die Vorurteile, das Beurteilen, der Klatsch, der Tratsch und nur ganz wenige Figuren, die sich dem irgendwie entziehen können / konnten...


    Ich habe beim Lesen darauf gesetzt, dass sich die Aufrichtigkeit am Ende durchsetzt...ob das so war, müsst ihr selbst lesen. Ich habe dem Ende entgegengefiebert und war gespannt, wie der Autor die Handlung abschließen würde.


    Der Weg dahin ist geradlinig beschrieben, keine Story-Umschwünge, was ich allerdings sehr gut fand...die Leiden und ihre Äußerungen, insbesondere durch Jacobs Handlungen wie dem Versuch, das Haus abzufackeln, sind so greifbar, wie der Erdboden unter einem und der Himmel über einem ist. Die Natur als "immerwährender Kreislauf aller Dinge" nimmt eine zentrale Rolle ein, sie drückt aus, was lange bevor man es auch fühlt, spürbar wird.


    Ein grandioser Roman.


    10 Punkte.

  • Wie schön, dass noch jemand das Buch feiert. Meine Mutter hat es gerade ausgelesen. Sie war auch total begeistert und konnte es nicht aus der Hand legen.:)

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ich kann mich euch nur anschließen. Ich habe das Buch am Montag zufällig in der Bibliothek gefunden; der Autor war mir bisher auch völlig unbekannt. Ich habe es in erster Linie mitgenommen, weil der Mikrokosmos Kleinstadt für mich immer wieder interessant ist.


    Jede Figur in diesem Buch ist glaubwürdig, ich verstehe jede Haltung, jede Handlung, auch wenn ich natürlich nicht alle gutheißen kann, im Gegenteil. Die Länge des Buches hat für mich genau gepasst - die Geschichte ist auserzählt, mir fehlt nichts.


    10 Punkte auch von mir.

  • Ich könnte glatt noch die 10 Punkte meiner Mutter eintragen (leider keine Eule), die war auch begeistert von diesem Buch. :)

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)