Caroline Wahl - Windstärke 17

    • Herausgeber ‏ : ‎ DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG; 1. Edition (15. Mai 2024)
    • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
    • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 256 Seiten
    • ISBN-10 ‏ : ‎ 3832168419
    • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3832168414


    Kurzbeschreibung:

    Ida hat nichts bei sich außer dem alten, verschrammten Hartschalenkoffer ihrer Mutter, ein paar Lieblingsklamotten und ihrem MacBook, als sie ihr Zuhause verlässt. Es ist wahrscheinlich ein Abschied für immer von der Kleinstadt, in der sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hat. Im Abschiednehmen ist Ida richtig schlecht; sie hat es vor zwei Monaten nicht einmal auf die Beerdigung ihrer Mutter geschafft. Am Bahnhof sucht sie sich den Zug aus, der am weitesten wegfährt – auf keinen Fall will sie zu ihrer Schwester Tilda nach Hamburg –, und landet auf Rügen. Ohne Plan, nur mit einem großen Klumpen aus Wut, Trauer und Schuld im Bauch, streift sie über die Ostseeinsel. Und trifft schließlich auf Knut, den örtlichen Kneipenbesitzer, und seine Frau Marianne, die Ida kurzerhand bei sich aufnehmen. Zu dritt frühstücken sie jeden Morgen Aufbackbrötchen, den Tag verbringt Ida dann mit Marianne, sie walken gemeinsam durch den Wald oder spielen Skip-Bo, abends arbeitet Ida mit Knut in der »Robbe«. Und sie lernt Leif kennen, der ähnlich versehrt ist wie sie. Auf einmal ist alles ein bisschen leichter, erträglicher in Idas Leben. Bis ihre Welt kurz darauf wieder aus den Angeln gehoben wird.

    Nach ihrem gefeierten Debüt ›22 Bahnen‹ erzählt Caroline Wahl in ihrem unverwechselbaren Sound nun, wie Ida es mit dem Leben aufnimmt. Ein aufwühlender, intensiver und dabei ungemein tröstlicher Roman über Töchter, Schwestern und Mütter, über vermeintliche Schuld und das Verzeihen – sich selbst und den anderen.



    Über die Autorin:

    Caroline Wahl wurde 1995 in Mainz geboren und wuchs in der Nähe von Heidelberg auf. Sie hat Germanistik in Tübingen und Deutsche Literatur in Berlin studiert. Danach arbeitete sie in mehreren Verlagen. 2023 erschien ihr Debütroman ›22 Bahnen‹ bei DuMont, für den sie mit dem Ulla-Hahn-Autorenpreis, dem Grimmelshausen-Förderpreis und dem Buchpreis Familienroman der Stiftung Ravensburger Verlag ausgezeichnet wurde. Außerdem wurde ›22 Bahnen‹ Lieblingsbuch der Unabhängigen 2023.


    Meine Meinung:

    Als ich sah, dass es einen neuen Roman von Caroline Wahl gibt, der sich zudem mit der Geschichte Tildas kleinen Schwester Ida befasst, also eine Fortsetzung zu "22 Bahnen" ist, wollte ich ihn sofort lesen. "22 Bahnen" hat mir sehr gut gefallen.


    Die Geschichte beginnt damit, dass es nun zwei Monate her ist, dass die Mutter verstorben ist und Ida es nicht geschafft hat, zu ihrer Beerdigung zu gehen. In dem Moment hat es sich richtig angefühlt, doch im Nachhinein ist sie sauer auf sich selbst, dass sie das nicht geschafft hat. Tilda macht sich Sorgen um Ida und so lädt sie sie zu sich nach Hamburg ein, wo sie mit Viktor und ihren fünfjährigen Zwillingen lebt. Doch Ida ist wütend. Diese brodelnde Wut, die Ida jeden Monat zum Explodieren bringen kann und mit der sie selbst nicht so recht klar kommt, macht, dass sie flüchtet und schließlich auf Rügen landet, bei Marianne und Kurt.


    Der Tod der Mutter ist noch lange nicht verarbeitet und Ida ist auch wütend, weil sie genau an dem Wochenende weggefahren ist, als ihre Mutter starb. Sie hat sie tot im Bett liegend gefunden, als sie zurückkehrte nach einem fröhlichen Wochenende mit ihrer besten Freundin.



    Und statt sich von Tilda bemuttern zu lassen, weil das ihr "Wutklumpen" nicht zulässt, fährt sie mit der Regionalbahn nach Rügen, wo sie zunächst in der "Robbe" jobt und gegen das Meer anschwimmt, dann aber zusammenbricht und von Knut und Marianne aufgenommen wird, ohne Fragen, ohne Worte. In Rückblenden erfahren wir von ihrem Leben mit ihrer Mutter, der Alkoholikerin, und wie es ohne Tilda weiterging. Das Leben auf Rügen steht dagegen im Gegensatz zu ihrem vorherigen. Sie kann zur Ruhe kommen, sie wird ein wenig bemuttert und trifft sogar jemanden, in den sie sich verliebt. Doch auch hier ist die Angst, dass alles wieder zusammenbricht, groß.


    Ida tut mir so wahnsinnig leid, wie sie Gedanken raushaut wie "Aber sowieso scheint mein ganzes Leben eine Übergangslösung zu sein" oder "Ein Teil von mir erträgt es nicht mehr, allein zu sein". Alles an ihr ist wie ein Igel mit aufgestellten Stacheln, nur niemanden an sich ranlassen, um erneut verletzt zu werden. Allerdings fühlt sie sich auch schuldig, sie meint, sie hätte mehr tun sollen.



    Der Schreibstil hat mir auch wieder sehr gut gefallen, Ida als Ich-Erzählerin darzustellen lässt mich als Leserin in ihren Kopf gucken, so dass ihre Gefühle und Gedanken ganz nah sind. Diese unheimliche Wut und der Hang zur Selbstzerstörung, die fehlende Selbstfürsorge und das mangelnde Vertrauen in andere haben mich sehr mitgenommen. Ich habe mit Ida mitgelitten und war sauer auf die alkoholabhängige Mutter, die aus der Tochter ein seelisches Wrack gemacht hat. Dass Fremde ihr die Fürsorge geben, die sie braucht, und sei es nur das Frühstücksritual und Kindheitserinnerungen wie Eszet-Schnitten, ist für Ida zunächst kaum annehmbar, dass es so einfach sein kann.


    Starker Roman, hat mir sehr gut gefallen.


    9 Punkte


    ASIN/ISBN: ‎ 3832168419

  • Ida hat sich selbst ein wenig verloren. Ihre Mutter ist gestorben und sie quält sich mit Selbstvorwürfen und weiß nicht so recht, wie es weiter gehen soll. Zur Schwester Tilda nach Hamburg will sie nicht und so fährt sie mit dem Zug einfach weiter, bis sie auf Rügen landet. Dort lernt sie Marianne und Knut kennen, die ihr einfach so so etwas wie ein Heim bieten und sie lernt Leif kennen. Doch so einfach ist das Leben dann leider doch nicht und Ida muss einen Weg finden abzuschliessen.


    Das Buch ist komplett aus Idas Sicht geschrieben. Manche Stellen, an denen Gespräche mit anderen wiedergegeben werden, sind gewöhnungsbedürftig zu lesen, da hier gerne der Sprecher wie in einem Theaterstück vorangestellt wird. Ich kann mir vorstellen, dass das beim Hörbuch schwierig sein könnte. Ida selbst ist recht sperrig. Sie macht sich selbst Vorwürfe sich nicht genug um die Mutter gekümmert zu haben und lehnt alle Hilfsangebote einfach ab. Ihre Trotzigkeit ist schon recht anstrengend. Da ihr Alter nirgendwo genannt wird, lässt sich das Verhalten schlecht einsortieren.


    Die Sprache an sich hat mir wieder gut gefallen. Der Autorin gelingt es eine Figur zu zeichnen, die eigentlich Hilfe braucht, meist aber sofort um sich schlägt, sobald sich ihr jemand nähert. Erstaunlicherweise schaffen es Knut und Marianne genau den Ton zu treffen, den es wohl gerade braucht um Ida zu erreichen. Ganz klar, warum sie Ida denn bei sich aufnehmen, wird es aber nicht. Ich hätte gerne mehr zu den Beiden und auch zu Leif erfahren. Ida ist so mit sich selbst beschäftigt, dass sie eigentlich nur reagiert, aber nie auch einmal nachfragt. So kommen Themen, die Marianne, Knut oder Leif beschäftigen eigentlich nie so richtig zur Sprache und man erfährt nur das nötigste.


    Alles in allem war es ein schönes Buch, allerdings hat es mir nicht ganz so gut gefallen wie der Vorgänger. Irgendwie war mir die Geschichte zu sehr auf Ida beschränkt, in 22 Bahnen hat man ja auch Viktors Geschichte etwas genauer erzählt bekommen.

    Von mir aber durchaus eine Leseempfehlung.


    8 von 10 Punkte