Fragen an Tom Liehr

  • Davon abgesehen ist die Auslassung ein dramaturgisches Mittel, um nicht nur die Fantasie anzuregen und Leserinnen und Leser dazu zu bringen, die Lücken mit Hilfe ihrer eigenen Erfahrungen, Wünsche und Erwartungen zu füllen, ergänzt um das, was die Geschichte an weiteren Indizieren liefert, sondern auch, um eine halbwegs lesbare Balance aus Geschehen und Infodump zu erreichen.

    :gruebel Und warum empfindest Du es dann so irritierend, wenn die Leser*innen das im Rahmen einer Leserunde tun?

    Manche haben eben mehr Fantasie mit der sie Lücken füllen wollen (andere weniger) und Freude am Spekulieren.

    Eine Figur, die nur grob skizziert wird, lädt manche einfach zur Detailsuche ein.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend U. T. Bareiss: Green Lies - Tödliche Ernte

  • :gruebel Und warum empfindest Du es dann so irritierend, wenn die Leser*innen das im Rahmen einer Leserunde tun?

    Manche haben eben mehr Fantasie mit der sie Lücken füllen wollen (andere weniger) und Freude am Spekulieren.

    Eine Figur, die nur grob skizziert wird, lädt manche einfach zur Detailsuche ein.

    Tom hat doch bereits geschrieben, dass ihn das freut:

    Ich finde es - ganz im Gegensatz zu Deiner Unterstellung - sehr, sehr schön, nachgerade glücklichmachend, wenn (mein) fiktives Personal so viel auslöst, dass man mehr darüber wissen will, als im Text zu finden ist.



    Hingegen wenn es darum geht, dass 10 Jahre Tabea ausgelassen wurde:

    Zitat

    Tabea, die gerade die Terrassentür schießen wollte, hielt in der Bewegung inne. „In meiner Vorstellung warst du ritterlich, bis ich vor deiner Tür stand. Ich weiß, dass es anders gewesen ist, aber ich liebe meine Vorstellung. Die will ich nicht kaputtmachen.

  • Sorry für die Fäkalsprache...

    Nicht wirklich nötig; ich bin ja auch gerne hart und durchgreifend im Ton, und mir ging es weniger um die Wortwahl als darum, wogegen/worauf sie gerichtet war.

    Es ist völlig unwichtig, ob ich das Buch gelesen hab oder nicht, deshalb hab ich auch hier was dazu geschrieben und nicht in die Leserunde rein. Da hat es mir aber auch schon missfallen. Gleiches schon bei der "Freitags bei Paolo" LR

    Und ich nehme das eben umgekehrt wahr. Noch einmal, um das klarzustellen: Es geht mir nicht darum, als Büchereulenautor der ersten Stunde hier abgefeiert zu werden, das wäre tatsächlich sogar das Gegenteil dessen, was mir Spaß macht. Aber ich bemerke hier, und das war auch schon in der "Paolo"-Leserunde so, eine leicht giftige, mit offenbar persönlichen Aversionen durchsetzte Grundstimmung. Es geht mir auch nicht darum, von allen gemocht zu werden (das fänd ich eher ziemlich irritierend), obwohl die Eulen für mich durchaus immer noch ein sehr (und das in fast ausschließlich positiver Hinsicht) emotionenbesetztes Refugium sind, und ich kann gut damit leben, wenn einige Leute mich und/oder meine Haltung, Art oder Denkweise nicht mögen oder sogar ablehnen, aber warum (nach meinem Gefühl) solche Leute dann an Leserunden meiner Bücher teilnehmen, das ist mir tatsächlich ein Rätsel. Ein Rätsel, das ich bislang nicht lösen konnte, und das mag zu einer gewissen Dünnhäutigkeit beigetragen haben.

  • Mich irritiert diese heftige Diskussion zu dem Buch, was ich von Anfang bis zum Ende gelesen habe.

    Mehrmals wurde ich von Toms Ausführungen unangenehm berührt und Lesern im Rentenalter und im Osten Deutschlands aufgewachsenen Lesern würde ich das Buch nur bedingt empfehlen. Der Autor betont sehr oft, dass er aus Westberlin stammt und seine Meinung über ExDDR´ler kommt nicht besonders gut rüber. Abgesehen davon ,habe ich das Buch gern gelesen. Mein Mann hat auch Interesse bekundet, aber, ich bin mir nicht sicher, ob ich es ihm empfehlen soll. Er ist auch im Rentenalter und in der DDR aufgewachsen. Er entdeckte bisher Dinge an Toms Büchern, die mir nicht aufgefallen waren. Nichts für ungut, Tom, schreib einfach weiter. Wir werden es vielleicht irgendwann lesen.

    Leider ist der Post in der falschen Ecke gelandet. L.G.

    ZL.

  • und seine Meinung über ExDDR´ler kommt nicht besonders gut rüber.

    WHAT? WELCHES BUCH ZUR HÖLLE HAST DU GELESEN? :fetch


    "Ex-DDRler" werden in "Im wechselnden Licht der Jahre" an keiner Stelle thematisiert, an keiner einzigen. Es gibt nur zwei, drei Randbemerkungen zur DDR selbst, und die dürften relativ unstrittig sein. Und es wird über West-Berlin erzählt, über diese Stadt, die verschwunden ist, aber die wird durchaus kritisch betrachtet.


    Ich drehe hier allmählich am Rad.

  • Ich meinte die Stelle ,in der du schriebst, dass sich die ExDDRler nach der Wende auf diesen Staat stürzten, und sie auch noch begreifen, dass das auch nicht der beste ist. Das stammt jetzt aus meinem Gedächtnis. Falls es falsch zitiert ist,bitte ich das zu entschuldigen.

  • Ich meinte die Stelle ,in der du schriebst, dass sich die ExDDRler nach der Wende auf diesen Staat stürzten

    Du meinst das hier, oder?


    Das Land jenseits dieser Grenze war selbst auf legalem Weg nur schwer erreichbar, vor allem für die West-Berliner, die nur in die DDR einreisen durften, wenn sie persönlich eingeladen worden waren (lediglich für Ost-Berlin gab es Visa, die wir mindestens drei Tage vorher beantragen mussten), und wohnen konnte man dort natürlich überhaupt nicht. Man wollte allerdings auch nicht. Jenseits der Mauer war alles trüb und grau und traurig und sozialistisch (was mein Vater eigentlich mochte, aber nicht auf diese Art, und trotzdem war es ihm nach der Wende peinlich, wie intensiv sich die ehemaligen DDRler auf die westliche Lebensart stürzten), und auf die Idee, dorthin überzusiedeln, kamen während der gesamten Existenzzeit der DDR nur eine Handvoll Leute, die es wahrscheinlich allesamt insgeheim bereut haben.



  • Du hast recht. Das habe ich vielleicht zu negativ aufgefasst, aber das hängt mit meinen Erfahrungen nach der Wende zusammen. Da gab es Leute, die meinten, sie wüssten alles über uns und müssten uns den rechten Weg weisen. Leider stellte sich das oft als falsch heraus.

  • Meine Frau kommt aus Guben. Ich habe sehr, sehr viele Freunde, die in der DDR großgeworden sind. Und ich habe auf dem Gebiet der ehemaligen DDR spätestens seit "Sommerhit" eine große Wagenladung großer Fans. So oder so, an dieser Stelle wird nicht pauschal über die Ex-DDRler geurteilt.


    Allerdings habe ich mit "Ostalgie" so meine Schwierigkeiten, das muss ich zugeben. Menschen, die sich Vergangenes zurückwünschen, mit dem Vergangenen aber nur den (oft nicht sehr großen, und meistens sehr viel kleiner als erinnerten) positiven Teil dieser Vergangenheit meinen, lassen mich an der Existenz eines allgemeinen Menschenverstandes zweifeln. Das gilt nicht nur für diese Ausprägung verklärter Vergangenheit.

  • Ein letzter Satz dazu. Unter Ostalgie habe ich noch nie gelitten und meine Vergangenheit auch nicht verklärt und bei deinem Buch sind mir sogar die Tränen gekommen. Diese Gefühlsregung habe ich nicht angeprangert, die hat nur meinen Mann belastet. Er wollte da nur wissen, was du für ein Zeug schreibst. Da bist du aber völlig unschuldig.

  • Ich habe das Buch "Im wechselnden Licht der Jahre" auch nicht gelesen, verfolge aber auch die Leserunde.

    Deshalb komme ich auf das eigentliche Thema dieses Threads zurück, nämlich Fragen an den Autor, die nicht das Buch betreffen.


    Ich mag sehr gerne Bücher von Autoren, die mit Auslassungen arbeiten bzw. Freiraum für eigene Gedanken lassen. Ähnlich wie Pausen in der Musik, die für mich die Stücke erst richtig mit Leben erfüllen.

    Wie gehst du beim Schreiben vor? Hast du erst viel zu viel Material für ein Buch im Kopf/auf dem PC/ in der Schublade und reduzierst dann auf ein für dich passendes Maß? Oder wie entsteht ein Protagonist?

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Regenfisch Das ist immer unterschiedlich und unterm Strich eine Mischung aus vielem. Mal entsteht die Idee für das, worum es im Kern gehen soll (etwa bei meinem vorigen Roman die Idee, von einer langen, innigen Beziehung zu erzählen, die im Guten beendet wird), zuerst, dann wieder habe ich eine Situation vor meinem geistigen Auge oder eine Figur oder eine Kulisse oder auch nur einen bestimmten Titel. Und wenn es dann losgeht und ich den Plot als Fahrplan (an den ich mich nicht halten werde) grob skizziert habe, verläuft es ähnlich. Aber ich komme den Figuren sehr schnell sehr viel näher und nehme ihre Blickwinkel ein. Es ist aber fast immer so, dass die Handlung aus der Hauptfigur entsteht, die ich mit gewissen Eigenschaften ausstatte und in eine Situation stecke - und dann schaue ich ihr dabei zu, wie sie daran wächst. Etwa der schluffige Uwe Fiedler in „Nachttankstelle“.

  • Regenfisch Das ist immer unterschiedlich und unterm Strich eine Mischung aus vielem. Mal entsteht die Idee für das, worum es im Kern gehen soll (etwa bei meinem vorigen Roman die Idee, von einer langen, innigen Beziehung zu erzählen, die im Guten beendet wird), zuerst, dann wieder habe ich eine Situation vor meinem geistigen Auge oder eine Figur oder eine Kulisse oder auch nur einen bestimmten Titel. Und wenn es dann losgeht und ich den Plot als Fahrplan (an den ich mich nicht halten werde) grob skizziert habe, verläuft es ähnlich. Aber ich komme den Figuren sehr schnell sehr viel näher und nehme ihre Blickwinkel ein. Es ist aber fast immer so, dass die Handlung aus der Hauptfigur entsteht, die ich mit gewissen Eigenschaften ausstatte und in eine Situation stecke - und dann schaue ich ihr dabei zu, wie sie daran wächst. Etwa der schluffige Uwe Fiedler in „Nachttankstelle“.

    Danke für deine Antwort. :wave

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Da ich ja regelmäßig Termine verpeile und Tom nicht soo viel unterwegs ist, wollte ich mal kurz nachfragen, ob außer dem Termin in Güstrow weitere Termine für Lesungen angedacht oder überlegt werden bzw. vielleicht geplant, aber noch nicht mitgeteilt sind. :)

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


    *Bestellungen bei Amazon bitte über Forumlinks (s. Eulen-Startseite) tätigen, um so das Forum zu unterstützen.*

  • Ja.

    Ein Mann. Ein Wort.

    Knall mich bloß nicht mit Infos zu, das würde mich überfordern. :chen


    Vielleicht bist Du ja so lieb und postest dann anstehende Termine sehr gut sichtbar in der Eule. Facebook gucke ich nur noch selten, bei Instagram weiß ich nicht, ob Deine Termine kommen und da geht sowas auch schnell unter...


    Aber den Versuch ist es ja jetzt wert:

    Wann und wo kann man Dich denn künftig sehen und hören außen in Güstrow? :saint:

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • Da es keine Rubrik "Fazit, Schlussworte und Danksagungen" gibt (weil ich das bei der Anmeldung der Leserunde vergessen habe), platziere ich das mal hier.


    Zunächst einmal möchte ich mich herzlich bei den Büchereulen für diese Leserunde bedanken, die meine zehnte oder elfte hier gewesen sein dürfte. Ich bin im Jahr 2003 zu den Eulen gekommen, weil ich zu einer (der ersten) Leserunden mit Autorenbegleitung eingeladen wurde. Diese hier, 21 Jahre später, wird meine letzte gewesen sein. Ich bleibe den Eulen zugetan und zugeneigt und freue mich schon auf das Treffen im Herbst, aber diese und die vorige Runde haben mich vor allem genervt, was ich ja auch recht subtil zur Kenntnis gegeben habe. Irgendwie war da der Wurm drin, dann gab es nach meinem Gefühl persönliche Animositäten, und ich mag einfach nicht mit den Eulen über meine Texte streiten. Das geht anderswo besser. Und glücklicherweise gibt es ja auch anderswo Leserunden - mit reger Beteiligung und sehr guter Resonanz. Vielleicht sind die Eulen einfach nicht (mehr) Zielgruppe für mein Zeug.


    Nichtsdestotrotz gab es anregende und interessante Diskussionen und viele Anmerkungen, die mich gefreut und nachdenklich gemacht und überrascht haben. Es gab auch einiges, das mich irritiert hat, und ich hatte die ein- und erstmalige Gelegenheit, ein Buchkapitel nachzureichen, obwohl es m.E. überhaupt nicht fehlte. Es gab dazu nicht weniges, das mich nachgerade geflasht hat, und das liegt nicht nur daran, dass es uns Autoren und -innen am meisten freut, wenn Leute begeistert sind.


    Ich wiederhole meine Danksagung - und auch das Tschüss an die Büchereulen-Leserunden. Gehabt Euch wohl. :)