'Im wechselnden Licht der Jahre' - Seiten 001 - 096

  • S. 63; wurden nicht eher Philosophen Taxifahrer?

    Philosophen, Germanisten, Publizisten, Altphilologen, Kulturwissenschaftler und Kunsthistoriker, Psychologen, oft auch TWLAKs und viele andere Geisteswissenschaftler und -innen. Gerne auch Mathematiker. Das waren alles Studiengänge mit zweifelhaften Jobchancen.

  • :thumbup: So ist es wohl Tom - obwohl ich es weniger der Naivität sondern eher der Flexibilität der Jugend zuschreiben würde. Irgendwie haben wir uns daran angepasst, mit der täglichen Bedrohung und der Aussichtslosigkeit für die Menschheit zu leben - denn leben wollten wir trotz allem.


    :


    Meine Zustimmung bezog sich auf Deine vorherige Ausführung zur Unbeschwertheit.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Stanislaw Lem: Der Unbesiegbare / Die Jagd

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  • Aber - unbeschwerter? Nein. Anders. Naiver, wissensärmer (das gilt beides auch für jede Epoche). Aber das Leben war nicht leichter.


    (*Edit: Und kommende Generationen werden, wenn sie auf unsere Gegenwart zurückblicken, exakt dasselbe denken.)

    Ich meinte auch hauptsächlich meine Jahre bis etwa 16. Und unbeschwert kann man teilweise auch mit unbedarft gleich setzen. Leicht war mein Leben auch als Kind nicht. Eltern, Großeltern, die den Krieg miterlebt und psychisch nie verarbeitet und verschmerzt haben, das hat auch bie den Kindern Spuren hinterlassen.

    Zu wissensarm: Man war weniger informiert, es gab kaum Fernsehen. Zwei Sender und die in schwarz - weiß. Keine (un)sozialen Medien, die einem die fernsten Länder und Probleme nahe gebracht hätten. Sicher man las Zeitung, aber die Interessen eines Kindes oder Jugendlichen waren doch hauptsächlich fern von Politik oder Wirtschaft.

  • Insofern hatte ich auch eine glückliche Kindheit. Eltern und Verwandtschaft haben sich bemüht uns möglichst antiautoritär aber mit christlichen und weltanschaulichen Werten zu erziehen. Wir hatten unsere Freiheit und bescheidenen Wohlstand.


    Mein erstes Medienereignis waren die Olympischen Spiele 1972 - wir hatten Sammelalben für die verschiedenen Sportler. Alles war schön bunt und fröhlich bis zu dieser schrecklichen Geiselnahme der Israelis in München und die gescheiterte Befreiung. Das waren wohl auch die ersten Fernsehnachrichten, die ich verfolgt habe.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Stanislaw Lem: Der Unbesiegbare / Die Jagd

  • Ich gehöre momentan wohl eher zu den langsamen Lesern, aber immerhin kann ich schon sagen, dass die Geschichte auf den ersten Seiten genau meinen Geschmack trifft. Vor allem die Abhandlung über den Bandnamen und das Logo, das bereits vor allem anderen existiert und wohl dummerweise (für den Protagonisten) auf Metal hinausläuft.

    Wie heißt es so oft: Es ist so witzig, weil es wahr ist.

    Die miesen und seltsamen Teesorten sind auch so ein Ding. Ich wäre genau der Typ, der alle durchprobiert.


    Bin gespannt wie es weitergeht. Morgen, wenn ich darauf warte, dass das Training meiner Kinder endet, kann ich etwas mehr lesen.

  • Philosophen, Germanisten, Publizisten, Altphilologen, Kulturwissenschaftler und Kunsthistoriker, Psychologen, oft auch TWLAKs und viele andere Geisteswissenschaftler und -innen. Gerne auch Mathematiker. Das waren alles Studiengänge mit zweifelhaften Jobchancen.

    Was nicht zuletzt daran lag, dass es in der Generation einfach mehr Arbeitskräfte als benötigt gab.
    Für Mathematiker wendete sich allerdings das Blatt mit dem Aufkommen des Internets und für viele andere auch. Um die Jahrtausendwende wurde doch quasi alles als Programmierer angestellt, was Lesen und Schreiben konnte. Ok, die meisten waren nach dem Platzen der Blase 2 Jahre später ihren Job dann allerdings auch wieder los... (Nicht die Mathematiker, die waren da gut untergebracht...)

    Aber ja, ein paar Jahre davor sah es noch anders aus. Die erste Stellenanzeige auf die ich mich beworben hatte, war Anfang der 90er eine Kleinanzeige zwischen einer für eine Putzkraft und einer für einen Hausmeister.
    Irgendwas in der Art:
    C/C++-Programmierer, X11/Motif für Verkehrsrechneranlagen auf freiberuflicher Basis gesucht Tel.

    Etwa so. Mehr war's nicht.

  • Ich meinte auch hauptsächlich meine Jahre bis etwa 16. Und unbeschwert kann man teilweise auch mit unbedarft gleich setzen. Leicht war mein Leben auch als Kind nicht

    Die Kids heute sind dichter am Weltgeschehen, sie sind früher dran, sie werden auch (je nach sozialem Umfeld) früher mit Sex und Gewalt konfrontiert. Gleichzeitig (auch wieder je nach sozialem Umfeld) sind die Eltern achtsamer, der Schutzimpuls ist viel stärker.


    Aber "unbeschwert" betrifft die Frage, ob es Implikationen hat oder hatte, also ob die Jugend dadurch leichter oder schwerer war, was das Lebensgefühl anbetrifft und anbetraf. Ob es leichter war oder ist, glücklich zu sein.

  • Ich habe mein Maschinenbau Studium 1993 beendet, und damals gab es nicht einmal für Ingenieure Jobs. Ich hatte Glück, weil ich parallel zum Abitur eine Ausbildung zur Programmiererin gemacht hatte und damit unterkam. Ein paar Jahre später hat meine Schwester ihr Lehramtsstudium beendet und wurde vom Arbeitsamt auf IT umgeschult, weil keine Lehrer eingestellt wurden. Heutzutage werden händeringend welche gesucht ...


    Ich merke jetzt schon am Rückblick auf die doch erst kurz zurück liegende Coronazeit, wie schnell Ereignisse surreal wirken können, obwohl sie wirklich wahr sind und man dabei war.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • Ich habe eine ganze Weile überlegt, ob ich das tatsächlich posten soll. Denn wenn ich ehrlich bin, tue ich mich hier etwas schwer. Meine Erinnerungen an die Zeit sind anscheinend so ganz anders als die hier oft beschriebenen (im Buch wie im Thread). Und vieles an Anspielungen aus dem Buch verstehe ich nicht, weil ich die Zeit offensichtlich anders erlebt (und in Erinnerung) habe und mich vieles damals schlicht nicht interessiert bzw. meinen Geschmack nicht getroffen hat (vor allem auch musikalisch). Um es mal so auszudrücken: wenn wir heute Musiksendungen gucken, kennt meine Tochter aus den 80er, 90er und Zweitausenderjahren sicher über 90% der Musik und Künstler, ich vielleicht deren zehn. Ich habe von den meisten Riesenhits und Künstlern noch nie gehört. So geht es mir hier im Buch teilweise auch. Einige Bandnamen sagen mir etwas (teils ohne daß ich damit eine bestimmte Musik oder einen Musiktitel verbinde), aber bei manchen weiß ich nicht, ob die nun für den Roman erfunden sind oder real existiert haben. Lies: ich schätze, daß ich eine ganze Menge an Anspielungen überhaupt nicht kapiere.


    Ich habe mich auch nie als Mitglied einer „No-Future-Generation“ gefühlt, wie Tante Li das früher im Thread erwähnt hat. Im Gegenteil - ich habe mich damals, zu den Hochzeiten des Kalten Krieges, deutlich sicherer gefühlt als heute. Mit Regenbogenfahnen und Lichterketten ist ein Putin nicht aufzuhalten - durch die pure Anwesenheit von Pershing (und anderen) Raketen waren es die Sowjets sehr wohl, wie die Geschichte gezeigt hat. Ich entsinne mich, als die erste große sogenannte „Friedensdemonstration“ in Bonn stattfand, war ich an diesem Wochenende zu lange geplanten Besuch bei Freunden in Düsseldorf. Ich sehe noch das Bild in Bonn HBF vor meinem geistigen Auge, wie die Demonstranten aus dem Zug stiegen und zu hunderten Richtung Demo strömten. Das war schon damals nicht meine Welt - ich konnte das nicht nachvollziehen. Ich war nur ein einziges Mal in meinem Leben auf einer Großdemonstration - am 13. August 1976 in Berlin aus Anlaß 15 Jahre Berliner Mauer gegen dieselbe. Ich saß in einem von drei Bussen, die an diesem Tag nach Berlin durch kamen und habe auch an die Grenzkontrollen noch dunkle (und teilweise ungute) Erinnerungen. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, gegen die Amerikaner zu demonstrieren - die haben damals immerhin unsere Sicherheit garantiert (was unter einem eventuellen Präsidenten Trump wohl nicht mehr der Fall sein wird).


    Will sagen, so sehr mich „Freitags bei Paolo“ angesprochen und begeistert hat, so ist das - zumindest bisher - bei diesem noch (?) nicht der Fall. Ob und inwieweit das noch kommt, wird sich weisen. Das Buch ist interessant zu lesen und ich werde auf jeden Fall weiter lesen, mich an den Diskussionen hier allerdings vermutlich nicht zu sehr beteiligen können.


    Nebenbei bemerkt: die Erinnerungen an früher (etwa Telefon oder wie manches andere im Vergleich zu heute war) gefallen mir außerordentlich gut und gehören für mich zu den sehr positiven Seiten des Buches.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • SiCollier : Schön, dass Du trotzdem dabei bleibst. Der retronostalgische Teil des Buches endet auch bald, und der Rest spielt in der Gegenwart. Übrigens war ich damals auch in Bonn, um zu demonstrieren, aber ein paar Wochen später (November '83), auf der Großdemonstration für die Stationierung, also quasi auf der Gegenveranstaltung zur Demo im Oktober. Ich hielt das seinerzeit schlicht für die bessere Idee, um Stabilität in Europa zu gewährleisten, und davon abgesehen hat es meinen ehemaligen Politische-Weltkunde-Lehrer auf die Palme gebracht. ;)

  • Du hattest mit 22 bereits eine Ausbildung als Programmiererin und ein Maschinenbaustudium in der Tasche?
    Hast aber echt durchgezogen!

    Informatik und Mathe Leistungskurs und zusätzlich Stunden in Programmiertechnik. War ein doppelqualifizierender Bildungsgang in der Oberstufe mit Abitur und Abschluss als Mathematisch technischer Assistent (MaTA). Gibt es so nicht mehr, war aber genau mein Ding. In bin quasi mit den Jungs aus The Big Bang Theory aufgewachsen :lache

    Und dann drei Jahre duales Studium an der Berufsakademie. Als ich in Elternzeit gegangen bin, hatte ich schon elf Jahre Berufserfahrung als Programmiererin und später im Service im Außendienst ... Davon habe ich danach dann profitiert.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • :wave  SiCollier Nur, um das etwas zu relativieren: wir haben nicht gegen die Amerikaner demonstriert - schließlich waren wir im Grunde dankbar, dass sie uns mit der NATO beschützen - wir sahen nur die Gefahr der Rüstungsspirale, die unsere kleine BRD mit Atomsprengköpfen pflastern wollte und suchten Wege zur Deeskalation. Ich bin erst 1984 zu meinen ersten Friedensmärschen gegangen als mein politisches Bewusstsein durch meine neue Wahlmöglichkeit geweckt wurde.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Stanislaw Lem: Der Unbesiegbare / Die Jagd

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  • Ich habe jetzt überlegt ob ich Teile des posts rausnehme, aber das mit der Musik ging mir auch so. Aber das liegt daran, dass ich viel mehr Klassik gehört habe aber auch die gängigen 60er Jahre Hits Bee Gees, Smokies , Monkeys etc.

    Nach Berlin führ ich das erste Mal mit 16, war eine Studienfahrt. Als die Grenzposten in den Bus kamen, war das wirklich gruselig. Auch als ich später mit dem Zug hin fuhr, meine Schwester wohnt in Berlin, ging es mir ähnlich.

    In meine Heimat war eine Basis der Amerikaner, wir gingen dort spazieren, oder schauten uns die Hubschrauber an, es war kein Gefühl der Bedrohung wie es heute durch die Kriege in aller Welt für mich ist. Vielleicht war ich damals auch zu unbeschwert.

    Mit dem Buch selber, ich bin im dritten Abschnitt, werde ich nicht richtig warm. So gut mir Metting und "Freitags bei Paolo" gefallen hat, so fällt es mir schwer, zu diesem hier eine richtige Verbindung aufzubauen. Mal sehen was sich noch tut.

  • Ich hielt das seinerzeit schlicht für die bessere Idee, um Stabilität in Europa zu gewährleisten,

    Das sind wir uns ja sogar mal einig. ;-)



    Tante Li Wie geschrieben, wir haben die Zeit verschieden erlebt. :wave Ich hatte nie Angst vor "unseren" Atomraketen - nur vor denen der UdSSR. Und da war ich mir ziemlich sicher, daß die bleiben würden, wo sie waren, wenn auf "unserer" Seite genügend Raketen stationiert waren. Aber das sind Dinge der Vergangenheit. Ich hatte über einen Deutsch-Amerikanischen Freundschaftsclub seinerzeit (etwa ab Mitte 70er bis Mitte 80er) viel Kontakt mit Amerikanern bzw. GIs (und sprach zum Leidwesen meiner Englisch-Lehrer American-English) und war von daher ohnehin "vorbelastet".



    Findus Ich habe damals auch viel Klassik gehört; in den 70ern konnte ich die Hitparaden von drei Sendern (BR, HR, WDR) auswendig, zudem kannte ich die US-Charts und Country-Charts durch den AFN (die kamen jeden Samstag). Mir ist erst durch die erwähnten Musiksendungen der letzten Jahre sowie durch das kürzlich gelesene Buch "Der 70er. Der Sound eines Jahrzehnts" bewußt geworden, daß sich ab etwa Beginn der 80er mein Interesse an musikalischen Dingen drastisch reduziert hat (zumal ich mich um vieles außerhalb des Genannten eh nicht geschert habe). Wenn in diesem Buch also viele spätere und aktuelle Dinge verarbeitet werden, so entgehen mir die - womit ich aber ganz beruhigt leben kann. Der Grund, weshalb ich dieses Buch lesen will, kommt erst später. Derzeit bin ich im nächsten Abschnitt, wo sich diese Gründe andeuten; dort melde ich mich erst, wenn ich gut über der Hälftes des Abschnitts bin (was heute später der Fall sein sollte).


    Edit hat einen Fehler berichtigt (fehlende Worte ergänzt).


    ASIN/ISBN: 3150112443

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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