'Im wechselnden Licht der Jahre' - Seiten 001 - 096

  • Aber als ich noch ein Kind war gab es keine Gurte weit und breit.

    Ich weiß noch, wie meine Mutter uns 4 Geschwister und zig Freundinnen im VW Kadett verstaut hat und ins Freibad gefahren hat.

    Ich habe 1976 den Führerschein gemacht und meine, die Sicherheitsgurte wurden erst kurz vorher eingeführt. Die statischen Gurte waren doch recht unbequem.


    An so eine Fahrt in einem VW-Variant entsinne ich mich auch noch (unsere Nachbarn fuhren damals so einen). Wir Kinder saßen sogar im Kofferraum und fanden das sehr lustig.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Bist Du nun Metal-Fan? Oder hast Du Dir selber solche Logos tätowiert?

    Nein, es hat nichts mit dem vordergründigen Inhalt zu tun, sondern eher mit dem was Tom in einem anderen Beitrag geschrieben hat

    Zitat

    Und eine Geschichte besteht ja nicht nur aus ihren Themen und Figuren und Kulissen, sondern vor allem aus der Art, wie sie erzählt wird.

    Nehmen wir nochmal den Satz

    Zitat

    Am Anfang stünde ein schnittiges Logo, das sich Schüler - vor allem Schülerinnen - meines Alters dann mit Kulis auf die Unterarme oder ihre Federmappen tätowieren würden, wie ich das eine Zeit lang mit den coolen Logos einiger Metal-Bands gemacht hatte, obwohl ich Metal eigentlich scheiße fand und von den meisten Bands kein einziges Stück kannte (außer "United" von Judas Priest, die hatten auch den besten Schriftzug, wie ich fand)

    Bei vielen Autoren sind die Sätze einfach nur eine Aneinanderreihung von Geschehnissen, eine Reihung von Worten um etwas zu beschreiben. Und gerade unter denen, die einen Prolog aus einer anonymen Perspektive erzählen, gibt's davon reichlich.

    Hier hingegen:
    "Am Anfang stünde ein schnittiges Logo" bezieht sich für Alex zwar in diesem Moment tatsächlich auf ein Logo, aber in der Szene doch vielmehr auf Tabea. Tom wechselt nicht umsonst von 'schnittigem Logo' (Tabea) zu 'coolem Logo'.

    "...das sich Schüler - vor allem Schülerinnen -" ist:
    - ein Zeitdokument (es wurde nicht gegendert)
    - ein Seitenhieb (gegendert wäre es z.B. '...das sich Schüler*innen - vor allem Schülerinnen' was einfach sch*** ist)
    - ein Sprung in die Gegenwart (Alex würde auch heute genauso denken: '...das sich Schüler - vor allem Schülerinnen -) Was wiederum ein Seitenhieb ist
    - die eigentliche Motivation von Alex eine Band zu gründen, es geht nicht um Musik und auch nicht um's Logo

    "meines Alters dann mit Kulis auf die Unterarme oder ihre Federmappen tätowieren würden"
    Hier gefällt mir vor allem die Wahl des Verbs tätowieren. Es trifft hervorragend die Ernsthaftigkeit mit der Alex das hier macht, die Kulis hingegen die Oberflächlichkeit, die Kombi Unterarme/tätowieren die Dauerhaftigkeit und Sichtbarkeit, die Federmappen hingegen wieder die Austauschbarkeit.


    Das explizite Erwähnen von "Judas Priest" lässt mir genau diese Schrift vor dem inneren Auge erscheinen. Und die Sorte Jungs, die ein solches Federmäppchen hatten. Und dieses 'United' - irgendeiner Gruppe anzugehören - ist ein ganz wesentliches Motiv bei dem sich selbst markieren mit solchen Logos eine große Rolle spielt. Geht es nicht genau darum, bei Logos, Marken, Äußerlichkeit?

    Passt es nicht wunderbar dazu, dass Alex über das Erstellen dieses Logos Tabeas Vorstellung erst mal verpasst? Und er genau durch dieses 'Desinteresse' Tabeas Aufmerksamkeit bekommt, wie wir später erfahren?

    Nebenbei: Beim Lesen denke ich nicht all das, was ich da oben geschrieben habe. Das ist irgendwas unbewusstes in mir, das da mitliest und solche Stellen besonders mag...

    I never predict anything, and I never will. (Paul Gascoigne)

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Maarten ()

  • Aber das ist das Album, auf das in "Einführungsphase" hingewiesen wird (Seite 28).

    Ja, ich hatte an der Stelle das 2-3 Jahre vorher tatsächlich falsch einsortiert als 2-3 Jahre vor Snow. Inhaltlich passt es besser zum nächsten Leseabschnitt, finde ich. Es nimmt den gewissermaßen vorweg.

  • Ja, der gute Maarten schwingt die Deutungskeule wirklich energisch. Bei einigen Anmerkungen denke ich mir dann: Aha, das also habe ich mir dabei gedacht! 8)

    :chen Ist doch immer schön, so analysiert zu werden. ;)

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Stanislaw Lem: Der Unbesiegbare / Die Jagd

  • Ich bin im Horbuch bei 22%, damit dürfte ich den Abschnitt beendet haben.

    In der ersten Stunde hatte ich allerdings Zweifel, ob ich durchhalte: Ich habe zwei Teenager im Haus. Daher ist ein Teenager, der ellenlang von seiner ersten Liebe schwärmt, für mich eher nervtötend ... Den Teil fand ich leider ziemlich langweilig. Vermutlich bin ich für diese Art von Romantik einfach zu pragmatisch und unromantisch. Das habe ich auch schon in der Leserunde zu "Ohne ein einziges Wort" festgestellt - für Menschen, die jahrelang oder gar länger einem Verflossenen hinterhertrauern, fehlt mir das Verständnis. Dazu bin ich einfach nicht der Typ.

    Ab der Schwulenbar wurde es dann für mich interessant. Da fand ich den Tom Liehr wieder, dessen Nachttankstelle ich liebe. Jetzt hänge ich wieder konzentriert am Hörbuch und bin gespannt, wie es weitergeht.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • So, der erste Abschnitt ist gelesen und ich hatte tatsächlich schon die ersten Gänsehautmomente.


    Tom, ich verneige mich. Und ich wiederhole mich wahrscheinlich wieder einmal: Bei jedem neuen Buch von dir, wird mir erst so richtig bewusst, was mir gefehlt hat. Wieder einmal inhaliere ich jedes Wort, jede deiner Wortfindungen, deine Wortspiele, deine Sätze, deine ganz besondere Schreibweise. Wort für Wort sauge ich es auf, ansonsten könnte ich ja was verpassen. Und dann entstehen sie, diese Gänsehautmomente.


    Jetzt aber zum Inhalt: Der Prolog lässt am Ende auf nichts gutes schließen. Wenn ich die Rückseite des Buches lese, könnte es sich vielleicht hier um den tragischen Unfall handeln. Warten wir es ab.


    Gefallen tun mir die Kapitelüberschriften wie Silvester, Katapult oder Papier. Sehr passend für die Abschnitte, gut gewählt.


    Ich gehöre auch nicht zu der jüngeren Lesergruppe und bin eher in Alex seinem Alter. Insofern finde ich diese ausführlichen Erinnerungen an „früher“ total gut. Es war nun mal auch „meine“ Zeit. Was habe ich in Erinnerungen geschwelgt beim Thema Telefon. Ja, das grüne hatten wir auch. Auch die Vergleiche zu heute fand ich gut gewählt. An vieles denkt man gar nicht mehr. Begriffe, die heute selbstverständlich sind und es früher gar nicht gab.


    Auch die Jugendliebe von Alex und Tabea hat mich sehr berührt. Ja, Alex trauert sehr lange, aber er datet ja trotzdem Mädels und lässt sich mit ihnen ein. Aber für ihn scheint es schwer zu sein abzuschließen. Wer weiß, was Tabea in diesen Jahren alles erlebt hat. Und dann steht Tabea vor der Tür. Bin gespannt, was der nächste Abschnitt bringt.


    Gefallen hat mir auch die Schwulenbar. Alex hat sich den Job ausgesucht und gerne gemacht und es hat mir gut gefallen, wie Tom alles beschrieben hat, auch seine Gefühle, Gürsel, die der anderen oder auch die Beschreibung von Guido.


    Das Buch hat mich gepackt. Von der ersten Seite an. Nun wird es etwas dauern, bis ich intensiver weiterlesen kann. Hab morgen meinen ersten Arbeitstag nach drei Wochen und werde wohl erstmal abends nicht zum lesen kommen, aber am Wochenende. Und du weißt ... ich lese langsam ... bin schließlich Genussleser.

    :lesend Rike Stienen - Die Liebe wohnt überall

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    Hörbuch: Jean-Luc Bannalec - Bretonische Geheimnisse

    Hörbuch: Mia Morgowski - Alles eine Frage der Technik

    SuB: 320

  • Hm. Abschnitt ausgelesen. Ich habe im Mai (einschließlich dieses Buches) drei Leserunden. Die Bücher sind alle in sehr verschiedenen Umgebungen und Milieus angesiedelt: an der Frontier der USA (gut Deutsch: Wilder Westen), bei den Krupps (also Superreiche) und hier, tja, ich weiß nicht, wie ich das Milieu bezeichnen soll. Auf jeden Fall ist es mir das fremdeste von den dreien. Im übertragenen Sinne sehe ich mich mit aufgerissenen Augen und Mund dastehen und mich fragen: gibt es das wirklich? (Ich weiß, es ist „nur“ ein Roman. . .). Es ist für mich bisher der Blick in eine mir völlig fremde, unbekannte und teilweise unverständliche (besser: nicht nachvollziehbare) Welt.


    Obwohl mir Manches durchaus vertraut ist. Silvester etwa. Damit konnte ich selbst noch nie etwas anfangen. Ich habe mich schon als Kind daran gestört, daß man „Fasching feiert“, während noch der Weihnachtsbaum steht. Dieses Gefühl ist mir bis heute, einige Jahrzehnte später, geblieben. Aber solche Faschings- ähm Silvesterfeiern gab es bei uns auch; allerdings sind die nicht so aus dem Ruder gelaufen, wie hier im Buch beschrieben. Es floß Alkohol (nicht so schlimm wie im Buch), es wurde geraucht (damals rauchten meine Eltern noch, bis ein Arzt zu meinem Vater meinte, er könne gerne weiterrauchen - aber nicht mehr lange; er hörte auf und lebte noch lange) und wir Kinder durften, je nach Alter, länger aufbleiben. Aber an mehr oder wie lange aufbleiben, entsinne ich mich nicht mehr. Nur daß wir Nachts so gut wie nie Feuerwerk gemacht haben. Und wenn es ein paar Knaller gab, wurde der größte Teil davon aufgehoben und im Sommer im Sandkasten für „Sprengungen“ verwendet. :grin


    S. 63; wurden nicht eher Philosophen Taxifahrer? Zumindest habe ich das bei einem Bekannten (in den frühen 80ern) so erlebt.


    Völlig und absolut fremd ist mir dann die Welt des „katapult“; ich habe mich nur gefragt, ob es damals den Begriff „verfickt“ schon gab?


    Erinnerungen kamen dann im Kapitel „Papier“. Telefon, ja - so war das damals. Fast jedenfalls. Im Büro hatte ich, spätestens ab etwa 1987 (genau weiß ich das nicht mehr) ganz offiziell einen „Anrufbeantworter“ (auch wenn der Anrufe nicht beantwortet, sondern nur aufgezeichnet hat - auf eine Cassette). Etwa 1990 herum hatte ich dann das erste FAX-Gerät. Ich entsinne mich noch, wie ich vom ersten Kombigerät (Telefon und FAX in einem - damals hochmodern!) eine Anzeige der Deutschen Post - Telekom gesehen hatte, mit der schnurstracks zum örtlichen „Telefonladen“ ging und den Apparat bestellen wollte. Der Beamte (das war er damals wohl noch) hatte noch nie davon gehört oder gelesen, obwohl es aus seinem eigenen Hause kam, wenngleich zuständig eine Dienststelle im Saarland war. Irgendwann später hatte ich das Gerät dann - und das konnte tatsächlich automatisch erkennen, ob ein Telefonat oder ein Fax kam! Welch eine technische Sensation! Zu der Zeit hatte ich ein rotes Drucktastentelefon. Dummerweise war der Anschluß in meiner Wohnung weit vom Wohnzimmer entfernt, also habe ich kostenpflichtig eine 10-Meter-Schnur (oder waren es 5 Meter? - ist zu lange her) gehabt, damit ich den Apparat bis ins Wohnzimmer mitnehmen konnte. Was vor allem im Winter gut war, weil Küche (die zwischen Wohnhimmer und Flur lag) und Flur nicht heizbar waren. Als ich das (incl. dem Telefon und dem Vorgänger, einem Wählscheibentelefon) kürzlich meiner Tochter erklärt habe, guckte die völlig entgeistert).


    Und dann taucht nach zehn Jahren Tabea wieder auf. Anscheinend nicht gerade in der besten Verfassung. Ich bin gespannt, was da raus kommt.


    Falls es noch niemand erwähnt hat: auf Seite 94, Zeile 16, ist ein Satzfehler. Es muß „Familie“ (Einzahl), nicht Familien (Mehrzahl) heißen. Erst beim dritten Lesen habe ich den Satz kapiert. :rolleyes

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich hätte den kahlen Baum eher für eine Trauerweide gehalten als für eine "junge Birke".

    Ja, das hätte ich auch vermutet. Und für eine "junge" Birke, ist der Baum schon ziemlich kompakt.


    Der Prolog ist ja schon ziemlich deprimierend, erinnerte mich aber eher an den Anfang eines Krimis. Diese Art Prolog ist doch eher diesem Genre zuzuordnen.


    Aber, bei der Schilderung der Silvesterfeier, bekam ich erstmal einen Lachanfall. Ich konnte mir das bildlich vorstellen. Ein verfehlter Versuch mit einem Gegenüber anzustoßen, und du hängst über dem Balkon. :oha


    Was Tabea über die Dummheit der Leute und wie man sie für sich einnimmt fand ich auch sehr bezeichnend. Erinnert mich an eine bestimmte Art von Politik.

    Ansonsten schwelge ich eher in Erinnerungen, aber den dicken Qualm in den Kneipen vermisse ich wirklich nicht. Eher die Unbeschwertheit dieser Zeit.

  • Ansonsten schwelge ich eher in Erinnerungen, aber den dicken Qualm in den Kneipen vermisse ich wirklich nicht. Eher die Unbeschwertheit dieser Zeit.

    :gruebel Unbeschwertheit? Wir waren die "No-Future-Generation", die die täglich mit der atomaren Katastrophe des 3. Weltkriegs bedroht waren. Wir sind gegen die Nachrüstung und das Waldsterben auf die Straße gegangen.

    Daneben gab es Arbeitslosigkeit, Drogenprobleme und Ölkrisen.

    Sicher, haben wir auch in der Provinz versucht, trotzdem Spaß zu haben. Aber so gut wie auf der Sonderinsel Berlin ist uns das nicht gelungen.

    Nicht nur Wehrdienstflüchtlinge sondern viele, die nicht ins traditionelle Rollenbild (wie Homosexuelle) passten, haben ihr Glück in der fernen Großstadt gesucht. Für manche schien das die einzige Überlebenschance.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Stanislaw Lem: Der Unbesiegbare / Die Jagd

  • Ich habe die Zeit auch relativ unbeschwert in Erinnerung, aber wohl eher weil ich jung war. Kalter Krieg und Waldsterben hat man mitbekommen, aber in meinem Umfeld hat man das halt so akzeptiert und sich nicht groß Gedanken darüber gemacht.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Breumel ()

  • Fast jeder Mensch hat in fast jeder Epoche länger zurückliegende Zeiten/seine eigene Jugend als unbeschwert(er) in Erinnerung, aber das hat weniger mit der fraglichen Epoche zu tun als vielmehr damit, dass man erstens jung war und zweitens über die Jahre und Jahrzehnte die Rosinenerinnerungen rauspickt und die faulen Nüsschen komplett vergisst. Das ist ein Phänomen, das beispielsweise auch die "Ostalgie" antreibt.


    Fraglos waren beispielsweise die frühen Achtziger anders als die Zeit jetzt. Die Informationsflüsse waren schmaler und ganz andere; das direkt, unmittelbar und jederzeit zur Verfügung stehende - und auch irritierende - Wissen war geringer, und zu jener Zeit gab es noch echte, spürbare Latenzen zwischen Entwicklungen etwa in den U.S. of A. und dem Moment, bis irgendwas davon hier ankam. Dafür war das, dem das gelang, umso bedrohlicher. Und zumindest wir in Berlin lebten unmittelbar an der direkten Grenze zweier feindlicher Systeme, die einander den Untergang wünschten und das fortwährend demonstrierten. Wir erlebten das Eingesperrtsein und das hohe Risiko, das mit dem Versuch einherging, sich diesem Eingesperrtsein zu entziehen, wir erlebten die Trübnis, Kälte und Hässlichkeit des realen Sozialismus, weil er uns umgab, und das war nur die Spitze des Eisbergs. Es war zugleich alternativlose Normalität.


    Aber es kommt immer darauf an, wie sich der Alltag anfühlt, und im Alltag nimmt man vor allem das eigene soziale Umfeld wahr - und weniger das große Drumherum. Und dann ist natürlich noch die Frage, was man mit "unbeschwert" überhaupt meint. Vieles, was man rückblickend so bezeichnen würde, war möglicherweise einfach fahrlässig und irre gefährlich*, und auch wenn die rhetorisch-ironische Frage "Und? Hat es jemandem geschadet?" durchaus mit einem satten, lauten "JA!" beantwortet werden müsste, verklären wir das im Rückblick und empfinden es vor allem als freier. Dabei gab es ganz andere Einschränkungen, in den Familien, in der Sozialstruktur, im Umgang mit Minderheiten, und, und, und. Bei vielen Vertretern vieler Gruppen würde man mit der Behauptung, das Leben wäre damals irgendwie unbeschwerter gewesen, ziemlich wütenden Widerspruch auslösen. Oder bei Kindern, die von ihren Eltern regelmäßig verdroschen wurden, ohne dass jemand einschritt, weil das nämlich "normal" war.


    Und es lebten nur etwas mehr als halb so viele Menschen auf dem Planeten. Das vergisst man schnell. Die Welt war weniger dicht besiedelt; 1980 waren es 4,4 Milliarden Menschen, inzwischen sind es 8. Das ist tatsächlich etwas, das man spüren kann.


    Aber - unbeschwerter? Nein. Anders. Naiver, wissensärmer (das gilt beides auch für jede Epoche). Aber das Leben war nicht leichter.


    (*Edit: Und kommende Generationen werden, wenn sie auf unsere Gegenwart zurückblicken, exakt dasselbe denken.)