Tom Liehr - Im wechselnden Licht der Jahre

    • Herausgeber ‏ : ‎ Aufbau TB; 1. Edition (15. Mai 2024)
    • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
    • Taschenbuch ‏ : ‎ 399 Seiten
    • ISBN-10 ‏ : ‎ 3746637619
    • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3746637617


    ASIN/ISBN: 3746637619



    Über den Autor:

    Tom Liehr wurde in Berlin geboren. Seine erste Veröffentlichung war eine Wandzeitung, die er in der siebten Klasse anfertigte, mit dem Namen «Rauhfaser quer». Schon in jungen Jahren schrieb er als freier Journalist für das P.M-Magazin. Doch der eigentliche Startschuss seiner Autorenlaufbahn war 1990 der «Playboy-Literaturwettbewerb» (später «Gratwanderpreis»), bei dem er mit zwei eingesandten Geschichten die Plätze eins und drei belegte.

    Seitdem hat Tom Liehr zwölf Romane (darunter «Radio Nights», «Idiotentest», «Stellungswechsel», «Geisterfahrer», «Sommerhit», «Leichtmatrosen», «Nachttankstelle», «Landeier» und «Die Wahrheit über Metting») sowie zahlreiche Short Storys veröffentlicht. Die Verfilmung von «Leichtmatrosen» wurde im Jahr 2017 in der ARD ausgestrahlt. Zuletzt erschien im Aufbau Verlag sein Roman «Freitags bei Paolo». Im Juni 2024 folgt als dreizehnter «Im wechselnden Licht der Jahre» (Aufbau). Weitere sind in Vorbereitung.

    Daneben hat er als DJ und Rundfunkproduzent gearbeitet und führt seit vielen Jahren ein Unternehmen für Softwareentwicklung. Tom Liehr lebt mit seiner Familie in Berlin.



    Inhaltsangabe:

    Eigentlich ist Alexander Bengt mit seinem Leben zufrieden; seine Frau Tabea liebt ihn, genau wie seine beiden Kinder. Doch eines bereitet ihm Sorgen: sein nächster Geburtstag – der grausam runde Sechzigste. Ausgerechnet da zieht ein amerikanischer Songwriter in der Nachbarschaft ein, den Alexander bewundert und der ihn sogar auffordert, gemeinsam einen Song zu schreiben. Alexander hat das Gefühl, nun noch einmal richtig durchstarten zu können. Aber dann geschieht ein tragischer Unfall, und plötzlich sieht er sein ganzes Leben infrage gestellt.

    Der neue Tom Liehr – ein Roman wie ein guter Song über Liebe, Leid und Glück.



    Meine Kritik:

    Alexander Bengt ist Ende fünfzig und hat Angst davor, alt zu werden. Deshalb denkt er zurück an seine Jugend und erzählt Anekdoten darüber, wie er seine große Liebe Tabea kennengelernt hat und was seitdem alles passiert ist. Parallel lässt er uns an seinem jetzigen Leben teilhaben. Er ist Autor, Rezensent und Hobbymusiker, der mit seiner Familie in einer spießigen Siedlung in Kleinmanchow am Rande von Berlin wohnt. Binnen kurzer Zeit wird sein ziemlich geordnetes Leben allerdings gewaltig durcheinandergewirbelt. Der berühmte amerikanische Sänger Ayksen Brahoon (an wessen realen Musiker diese Figur angelehnt ist, weiß man, wenn man den Namen ein bisschen undeutlich ausspricht – es ist jemand, den Liehr sehr verehrt) wird sein Nachbar, bei Alex' Buchveröffentlichungen gibt es komplizierte Entwicklungen und auch privat passieren einige ziemlich unerwartete Ereignisse, die ihn ziemlich aus der Bahn werfen. Der Roman ist ein bisschen wie der Film „The Big Lebowski“ – es sind eigentlich zig Geschichten in einer, von denen man eigentlich aus jedem ein eigenständiges Buch hätte machen können. Vor allem über die Freundschaft mit dem Songwriter Ayksen Brahoon, Alex‘ erfolgreiche Buchreihe und die kuriose Nachbarschaft hätte ich gerne mehr erfahren. Von all den kuriosen Gestalten in der Nachbarschaft ganz zu schweigen. Diese Dinge kommen durch die Summe an interessanten Figuren leider etwas zu kurz. Das ist schade, weil einem viele Charaktere schnell ans Herz gewachsen sind. Auch das Ende wirkt etwas überhastet. Hier hätte sich der Autor mehr Zeit lassen können – gerne auch weitere hundert Seiten.

    Trotz vieler Rückblicke in die Vergangenheit ist „Im wechselnden Licht der Jahre“ definitiv ein zeitgenössischer Roman, der auf vieles eingeht, was heute in aller Munde ist. Auf den tollen Titel bin ich jetzt schon neidisch.

  • Danke, lieber Sören! :)


    Übrigens - wenn Ihr auf den Cover-Link zu Amazon klickt, dann seht Ihr da, dass das Buch (Stand heute, 14.5.) eine Ein-Sterne-Bewertung hat, aber das ist nicht echt - tatsächlich kann man den Titel bei Amazon überhaupt noch nicht bewerten. Ihr seht auch in der URL zum Buch, dass da was nicht stimmt (da ist von einer Paula McLain die Rede), und man kann den Titel auch schon verblüffenderweise gebraucht kaufen, in gutem Zustand, mit Schutzumschlag, die Ausgabe von 2011, aber es gibt den Roman nicht mit Schutzumschlag und es gab ihn 2011 auch noch nicht. Da ist bei der Listung mörderisch was schiefgegangen, und ich rede mir dem Verlag gegenüber seit November letzten Jahres den Mund fusselig, aber sie kriegen es nicht hin. Ich hoffe, man bekommt trotzdem mein Buch, wenn man "neu" bestellt. Wenn man dort "gebraucht" bestellt, bekommt man "Madame Hemingway" von Paula McLain, also Vorsicht!

  • Titel: Im wechselnden Licht der Jahre

    Autor: Tom Liehr
    Verlag: Aufbau Verlag

    Erschienen: Mai 2024

    Seitenzahl: 399

    ISBN-10: 3746637619

    Preis: 14.00 EUR


    Das sagt der Klappentext:

    Eigentlich ist Alexander Bengt mit seinem Leben zufrieden; seine Frau Tabea liebt ihn, genau wie seine beiden Kinder. Doch eines bereitet ihm Sorgen: sein nächster Geburtstag – der grausam runde Sechzigste. Ausgerechnet da zieht ein amerikanischer Songwriter in der Nachbarschaft ein, den Alexander bewundert und der ihn sogar auffordert, gemeinsam einen Song zu schreiben. Alexander hat das Gefühl, nun noch einmal richtig durchstarten zu können. Aber dann geschieht ein tragischer Unfall, und plötzlich sieht er sein ganzes Leben infrage gestellt.


    Der Autor:

    Tom Liehr war Redakteur, Rundfunkproduzent und DJ. Seit 1998 Besitzer eines Software-Unternehmens. Er lebt in Berlin. Im Aufbau Taschenbuch sind seine Romane „Radio Nights“, „Idiotentest“, „Stellungswechsel“, „Geisterfahrer“, „Pauschaltourist“, „Sommerhit“, „Leichtmatrosen“ und "Freitags bei Paolo" lieferbar.


    Meine Leseeindrücke:

    Dieser Roman bietet gute Unterhaltung. Angenehm zu lesen. Der Schluss allerdings bietet mir zu viele „Friede, Freude, Eierkuchen“. Denn im normalen Leben gibt es sehr, sehr selten ein Happy-End. Aber das ist nur mein ganz persönlicher Eindruck.

    Gut gelungen ist die Stelle wo geschrieben wird, das im Alter oder beim Älterwerden eben nichts besser wird. Die Gebrechen nehmen zu, nehmen aber so gut wie nicht ab. Man wird zum Krüppel, wie ich selbst erleben muss und noch erlebe. Älterwerden ist wirklich nichts für Feiglinge.

    Ein Roman mit authentisch handelnden Personen, realistisch und nicht beschönigend. Ein Roman der in meinen Augen viele Leser verdient. Lesenswert – auch für die, die gerade mit dem Älterwerden beschäftigt sind.


    Btw: Ohne Rollator und Treppenlift könnte ich mich gar nicht mehr bewegen und käme nicht mehr in mein Arbeitszimmer. Insofern hat mich die leichte Häme am Anfang des Buches ein wenig gestört.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • "Ich mag es sehr, in Großstädten zu sein und dort zu leben. In Großstädten gibt es vielleicht nicht weniger Arschlöcher als in kleinen Städten, prozentual betrachtet, aber in Großstädten ist es einfacher, ihnen aus dem Weg zu gehen." (aus 'Die Wahrheit über Metting' - Tom Liehr).


    Ich hatte ein wenig Angst vor dem neuen Roman 'Im wechselnden Licht der Jahre'. Ein melancholisch anmutender Titel, ein ebensolches Cover und ums Altern soll es auch noch gehen. Und es beginnt auch noch mit einem Prolog.

    Wird womöglich Tom Liehr langsam alt, und seine Romane auch?


    Nein, das eigentliche Thema dieses Romans ist das gleiche wie das aller Romane von Tom Liehr, das Leben an sich. (Und genau genommen fing schon 'Die Wahrheit über Metting' mit einem Prolog an...)


    Die Kulisse hier ist - und deswegen auch das obige Zitat - das Gegenteil einer Großstadt. Kleinmachnow zählt zwar zum Speckgürtel von Berlin, aber die direkte Umgebung dort von Alexander Bengt - dem Protagonisten dieses Romans - ist der Meisenring in Kleinmachnow und der ist wie ein kleines Dorf. Der Roman beginnt bereits deutlich davor in der Schulzeit von Alexander Bengt, aber auch da ist es immer seine direkte Umgebung, die beleuchtet wird. Zunächst seine Klasse, später die Bar, in der er arbeitet usw. bis eben zum Meisenring, der Gegenwart, die dann - ähnlich wie es auch in 'Die Wahrheit über Metting' war - im Präsens erzählt wird, in diesem für Liehr so typischen ungefilterten Stil bei dem man das Gefühl hat mitten im Kopf von Alexander Bengt zu sitzen. Womöglich sogar Alexander Bengt zu sein.

    Alexander Bengt ist dabei ein aufmerksamer, meist unvoreingenommener, empathischer Beobachter der, wie wir es von Liehr kennen, die Dinge sehr prägnant und häufig auch unkonventionell denkt - dabei gerne humorvoll durch starke Überspitzung. Altern ist tatsächlich ein Thema (die Dringlichkeit die das Verstreichen endlicher Zeit mit sich bringt, ist bei Liehr immer Thema), aber das eigentliche Thema ist die Interaktion zwischen Menschen, wie sie sich begegnen, wie sie miteinander umgehen, die Dynamik des Lebens selbst. Das Ganze ist eingebunden in einer Handlung, die später im Roman sehr rasant wird und das Buch für mich zu einem Pageturner machte. Die eigentliche Action aber findet in den typischen überbordenden Sätzen mit ihren vielen Anspielungen und Betrachtungen statt.


    Dringende Empfehlung!

    Genau!

    (Edit: Auch bei zonaman eingestellt...)

    I never predict anything, and I never will. (Paul Gascoigne)

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  • Bei jedem neuen Buch von Tom Liehr wird mir erst so richtig bewusst, was mir gefehlt hat. Wieder einmal inhaliere ich jedes Wort, jede seiner Wortfindungen, seine Wortspiele, seine Sätze, seine ganz besondere Schreibweise. Wort für Wort sauge ich es auf, ansonsten könnte ich ja was verpassen. Und dann entstehen sie, diese Gänsehautmomente.


    Alex ist ein zufriedener, sehr empathischer glücklicher Mensch. Bis auf sein Problem, dass er bald 60 wird. Ich kann mich sehr gut in ihn hineinversetzen. Als meine 60 vor der Tür stand, fühlte ich mich ähnlich. Sein Leben gefällt ihm. Er ist unsagbar glücklich mit seiner Frau Tabea, hat zwei Kinder, die alterstypisch sind. Er versucht immer das bestem aus allem zu machen, ist glücklich mit dem, was er hat.


    Ob das „heute", die Blicke in die Vergangenheit, große oder kleine Zeitsprünge, in diesem Roman lernt man Alex über die Zeit immer besser kennen, sein Weg von seiner Kindheit bis heute.


    Die sehr gut ausgearbeiteten Nebendarsteller, ob seine Frau, die Kinder, Freunde oder Nachbarn, sie runden den Roman ab. Es sind schon teilweise sehr skurille, unterschiedliche Persönlichkeiten mit ihren eigenen Geschichten und Schicksalen, die teilweise unglaublich berühren.


    Es geht in diesem großartigen Roman um das „Leben“, hauptsächlich um Alex sein Leben. Nicht nur das gute Leben, denn natürlich gibt es auch Schicksalsschläge, einige auch heftiger, manchmal gehäuft. Glück und Leid liegen eng zusammen. Darum: Man kann sich niemals zu sicher sein, was das Leben betrifft. Aber es ist die Art mit allem umzugehen, mit allem und jedem und was man draus macht. Das sieht man hier nicht nur bei Alex, sondern auch zum Teil bei den Nebendarstellern. Jeder ist seines Glückes Schmied.


    Danke für diesen Roman, der mich tief berührt und mir viele Gänsehautmomente verschafft hat. „Der Sinn des Lebens ist, möglichst lange nicht zu sterben“ und so sollte man das Leben, von dem es nur das eine gibt, versuchen möglichst lange zu genießen, denn im Alter wird es auch nicht unbedingt einfacher. Man sollte einfach versuchen aus allem das Beste zu machen.


    Ein sehr intensives Buch, das ich absolut empfehlen kann und die volle Punktzahl erhält.

    :lesend Sven Koch - Dünensturm

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    Hörbuch: Jean-Luc Bannalec - Bretonische Idylle

    Hörbuch: Judith Lennox - Die Jahre unserer Freundschaft

    SuB: 321

  • Das Schicksal hat die Zeitpläne durcheinandergeschmissen. (Seite 277)


    Meine Meinung


    Es ist jetzt schon ein paar Tage her, daß ich dieses Buch beendet habe. Und wie so oft, wenn mir ein Buch gefallen hat, fällt es mir schwer, meine Gedanken dazu soweit zu sortieren, daß eine sinnvolle Meinungsäußerung dabei herauskommt.


    Der Roman hatte mein Interesse geweckt, auch wenn er für mich vom Thema genau genommen etwas zu spät kommt, da ich die „6“ bereits in der Zehnerstelle des Alters stehen habe. Nachdem mir aber das letzte Buch des Autors sehr gefallen hatte, wollte ich auch dieses lesen und wissen, wie der Protagonist hier damit klar kommt. Jedenfalls nicht so gut wie ich, denn manche seiner Befürchtungen und Ängste konnte ich eher wenig bis nicht nachvollziehen. Das mag auch daran liegen, daß mir der Wechsel von der „5“ zur „6“ nicht viel ausgemacht hat. (Wenn es zur „7“ geht, dürfte es dann allerdings schon ganz anders aussehen.)


    Viel interessanter (und wichtiger) fand ich den Aspekt des Buches, der sich mit dem Satz auf Seite 277 gut umschreiben läßt: „Das Schicksal hat die Zeitpläne durcheinandergeschmissen.“ In früheren Zeiten hätte man vielleicht so etwas wie „Der Mensch denkt und Gott lenkt“ gesagt; beides läuft letztlich auf das selbe hinaus: man kann zwar planen, aber ob das letztlich auch so geschieht, wie man es geplant hat, weiß man erst, wenn es soweit ist.


    Alexander hatte es sich im Leben gut und bequem eingerichtet, so hätte es weiter gehen können. Wenn nur diese ominöse „60“ als Zahl des nächsten Geburtstages nicht wäre. Seine Gedanken kreisen fast nur noch um diese Zahl, die für ihn eine Art Ende bedeutet - ab dann ist man alt. Aber bevor es soweit kommt, gerät sein Leben aus den Fugen; nach dem Motto „was schief gehen kann, geht auch schief“ bricht lawinenartig ein Unglück nach dem nächsten über ihn herein und alles, was bisher anscheinend felsenfest stand, ist plötzlich infrage gestellt.


    Man kann darüber streiten, ob hier des „Guten“ nicht zuviel geschehen ist, auf jeden Fall wird die Unsicherheit des Lebens mehr als überdeutlich vor Augen geführt - dem Protagonisten wie (und vor allem) auch dem Leser. Es wurde im Verlauf des Buches mehr als deutlich, daß die einzige Sicherheit im Leben die Unsicherheit ist. Und man immer der Tatsache gewärtig sein sollte, daß das Leben zu jeder Zeit zu Ende und damit jeder Tag der letzte sein kann. Dieses (wieder) bewußt zu machen, ist für mich das größte Verdienst dieses Buches und macht es alleine schon deswegen überaus lesenswert.



    Mein Fazit


    Ein Buch über das Älterwerden und vor allem die Unsicherheit des Lebens - lesenswert auch für Jüngere.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Dieses (wieder) bewußt zu machen, ist für mich das größte Verdienst dieses Buches und macht es alleine schon deswegenüberaus lesenswert.

    :knuddel1

    Ich hätte einen stärkeren Hinweis auf dieses Kernthema auch gerne im Klappentext gehabt, der mit seinem Titel, aber auch inhaltlich eher darauf abstellt, dass "Im wechselnden Licht" in der Hauptsache so etwas wie ein später Coming-of-Age-Roman sei, was er ja tatsächlich (in der Hauptsache) nicht ist.

  • Ich hätte einen stärkeren Hinweis auf dieses Kernthema auch gerne im Klappentext gehabt,

    Das wäre sicher nicht verkehrt gewesen und hätte möglicherweise die Zielgruppe (zu recht) vergrößert. Auf jeden Fall wird das als (für mich) Hauptthema des Buches bei mir "hängen bleiben".

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Endlich wieder ein neues Buch von Tom. Selbstverständlich sofort bestellt. In diesem konkreten Fall aus persönlichen Gründen erst recht. Und dann angefangen, zu lesen. Doch wieder passierte, was schon beim Vorgänger „Freitags bei Paolo“ geschah: Ich stoppte. Bei ca. 35%. Weil ich es nicht wissen wollte. Nicht erfahren wollte, was die Idylle zerstören sollte. Ich war doch früher nicht so empfindlich. Tja, das Alter … Aber was soll‘s. An der Leserunde wollte ich sowieso nicht teilnehmen. Zu Büchern äußere ich mich gerne, wenn ich sie gelesen habe. Vorher eher nicht.


    Diese Woche war es dann soweit. Allein in einem Hotelzimmer in Sachsen. Abends noch kurz in das wechselnde Licht der Jahre geblickt. Und dann am Stück durchgelesen. Wie zu erwarten, war ich wieder gefesselt. Und beeindruckt von Toms lang bekannter Fähigkeit, Figuren zu zeichnen, aus Beobachtungen Geschichten zu machen, mit Sprache zu spielen.


    Natürlich ballt sich im Meisenring so einiges. In der Realität finden wir ja nicht eine solche Ansammlung höchst prägnanter Gestalten. Finden wir nicht? Oder schauen wir nur nicht so genau hin wie Tom? Liehr bietet keine leichte Kost, auch wenn sein Ton locker daherkommt. Altbekannte Motive dürfen natürlich nicht fehlen. Wo früher die Protagonisten beim Erwachsenwerden (oder dem Verweigern desselben) begleitet wurden, tauchen wir jetzt in Grundsatzfragen des Lebens ein, die da heißen: Liebe, Partnerschaft, Familie, Alter, Tod.


    Tabea ist übrigens eine tolle Frau mit einem sehr schönen Namen und ein paar Geheimnissen, die gerne Geheimnisse bleiben dürfen. Das Buch hätte für mich durchaus etwas länger sein und noch mehr erzählen können vom Spiel großer Gefühle und der zauberhaften Kraft leisen Lachens.


    Ich wollte „Im wechselnden Licht der Jahre“ unbedingt gelesen haben, bevor ich 60 bin. Das habe ich dann auch geschafft. Gerade so …

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • <3

    und der zauberhaften Kraft leisen Lachens.

    Das ist eine sehr schöne Formulierung. Danke!


    Ich hatte am vergangenen Sonntag eine wirklich wunderbare, von meinem Ex-Lektor und Ex-Verlagschef Reinhard Rohn moderierte, anderthalb Stunden lange Lesung, in Sonne und Regen am Strand von Güstrow, das ist so kurz und knapp unterhalb von Rostock. Ein leider viel zu kurzes Gespräch von mehreren leider viel zu kurzen Gesprächen im Anschluss rankte sich um die Personenschar im Roman (Gesprächspartner war eine der vier anwesenden Personen, die das Buch schon kannten, also vier Prozent insgesamt) - und um diese Momente, etwa jenen, als Tabea vom Bett aus kommentiert, was Alex im Bad laut zu seinem Spiegelbild gesagt hat. Ich fand das (hier wie dort) sehr schön und überaus erfreulich, dass das so wahrgenommen wird. Nicht von allen Lesern und -innen, schon klar, aber doch von einigen. Schön.


    Übrigens entwickelte sich bei der Lesung meine Rappernamenskreation zum Running Gag. Bei der ersten Erwähnung lachten ein paar Leute, am Ende haben alle gelacht, sogar wir auf dem Podium.

  • Zitat:


    „Scheiße, ich werde bald sterben. Ich habe nicht mehr lange, nur noch ein paar Jahre. Und es sind nicht die besten Jahre, die vor mir liegen, sondern eher die nicht mehr ganz so guten.“


    Darum geht’s:


    Alexander ist mit seinem Leben recht zufrieden. Doch der anstehende sechzigste Geburtstag bereitet ihm Sorgen. Als ein Songwriter in die Nachbarschaft einzieht, den Alexander bewundert, und dieser ihn sogar auffordert, gemeinsam einen Song zu schreiben, hat Alexander das Gefühl, noch einmal richtig durchzustarten. Doch dann geschieht ein tragischer Unfall, der alles infrage stellt …


    So hat es mir gefallen:


    Der Klappentext des Buches sagt: „Ein Roman wie ein guter Song über Liebe, Leid und Glück.“ Das würde ich genauso unterschreiben. Denn das Buch fühlt sich wie mein Lieblingssong an: mal leise und nachdenklich, mal kraftvoll und bewegend. Die Geschichte berührt auf eine Weise, die authentisch und nachvollziehbar ist: eben direkt aus dem Leben gegriffen. Liehr gelingt es, Alexander mit einer solchen Tiefe zu zeichnen, dass man ihn nicht nur versteht, sondern mit ihm mitfühlt. In seinen Sorgen, Hoffnungen und auch Zweifeln werden sich vermutlich viele Leser:innen wiederfinden können. Der Songwriter und die Tragödie in Alex' Leben geben der Erzählung eine ungeahnte Tiefe und schaffen den Spagat zwischen Höhenflügen und Tiefpunkten.


    Tom Liehrs Schreibstil ist angenehm und leichtfüßig. Trotz der emotionalen Schwere macht dies das Buch zu einem Pageturner. Der Autor weiß einfach, wie man mit Worten Bilder entstehen lässt und Stimmungen einfängt, und genau das hebt den Roman von vielen anderen ab. Einen kleinen Kritikpunkt habe ich aber doch: die Darstellung der Nebenfiguren. Seine Familie wirkt manchmal ein wenig zu glatt. Hier hätte ich mir gewünscht, dass mehr Figuren ihr Päckchen zu tragen haben. Im Roman wirkt alles ein wenig zu perfekt, fast schon harmonisch, was den ansonsten so realistischen Tonfall der Geschichte stellenweise etwas untergräbt. Insgesamt tut dies dem Hauptplot freilich keinen Abbruch, dennoch hätte ich mir bei den Nebenfiguren etwas mehr „Drama“ gewünscht.


    Im Gesamten ist das Buch ein wundervoller Roman über Liebe, Verlust und die Frage, was wirklich wichtig ist im Leben. Tom Liehr liefert eine tolle Antwort auf diese Frage. Ein gutes Werk, das nachhallt und sich wie ein Ohrwurm im Herzen festsetzt.


    9/10 - Leseempfehlung