"Unsere kurze Ewigkeit: Margarethe und Fritz Krupp" - Seiten 102 - 196

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  • In diesem Abschnitt kann man über mangelnde Handlung ja durchaus nicht klagen. ;-)


    Fritz macht Margarethe also einen Antrag. Es hat mich gewundert, daß von ihrer Mutter so gar kein Gegenwind kam. Naja Geldadel - Hauptsache Adel. ;-)


    Interessant die Überlegungen zur Erziehung und deren Wert (S. 113 f). Da komme ich ins Grübeln, inwieweit das auch heute noch Gültigkeit hat - oder nicht. In hohen und höchsten Kreisen stimmt das vermutlich noch so. Aber ansonsten? Da kommen mir doch starke Zweifel. Es gilt heutzutage, so will es mir scheinen, eher die Devise „so wenig Erziehung zeigen (oder haben?) wie möglich“.

    Aber änderte sich wirklich die Gesellschaft, oder änderte sich nur die Zusammensetzung der Schichten?“ (S. 114) Darüber muß ich noch eine Weile nachdenken.


    Der Preis der Hochzeit der beiden ist die Trennung von Fritz‘ Eltern. Das ganze Kapitel hindurch hat mich das beschäftigt. Bertha hat offensichtlich ihre Krankheit wirklich immer wieder als Druckmittel benutzt, und war Fritz darin ein Vorbild (wenn auch kein gutes). Die Ehe bestand wohl nur noch auf dem Papier und der Einsatz für Fritz war der Katalysator, der zur Trennung führte. Trotzdem: wären beide Eltern etwas weniger stolz und verbohrt gewesen - ob eine Versöhnung möglich gewesen wäre? Das wird wohl ein ungelöstes Rätsel bleiben.


    Schon bald meldet sich Fritz‘ angeschlagene Gesundheit - kein gutes Vorzeichen.


    S. 129: In der Villa Hügel wird Gas durch Elektrizität ersetzt. So früh schon? Ich entsinne mich, vor einiger Zeit ein Buch über „Anlage, Einrichtung und Betrieb der Sägewerke“ gelesen zu haben, das zuerst 1901 erschienen ist. Da mußte man, mangels eines vorhandenen Stromnetzes, den benötigten Strom selbst erzeugen. Hatte man in der Villa Hügel dann auch einen Generator oder gab es da schon irgendein Netz, aus dem man Strom beziehen konnte?


    Erstaunt hat mich die, ähm, Enthaltsamkeit von Fritz. Ist für jemand, der frisch verheiratet ist, doch eher ungewöhnlich?!


    Klasse fand ich die Szene, wie Margarethe dann den Hausmeister zur Räson gebracht hat. :chen


    Auf den folgenden Seiten (S. 138ff) wird Alfred Krupp etwas sympathischer. Gewundert hat mich allerdings, daß Margarethe ihn Duzte. War zu jener Zeit nicht das „Sie“ auch im engen Familienkreis üblich?


    S. 149: „Wenn die Flucht anstrengender wird, als sich den Pflichten zu ergeben, wird Fritz sich seinem Schicksal fügen. So war das schon immer.“ Mit anderen Worten Fritz geht den Weg des geringsten Widerstandes - sein Vater scheint ihn trotz allem gut zu kennen. Und seine Schwiegertochter als stärker als seinen Sohn einzuschätzen.


    Schließlich kommen doch noch zwei Kinder - und der stolze Vater scheint der Meinung zu sein, seine Pflicht erledigt zu haben. Irgendwie schon seltsam.


    Alfred Krupp stirbt - und wieder wird deutlich, daß Margarethe die stärkere und strategisch Klügere ist. Immerhin zieht nun Bertha in die Villa Hügel, wenngleich sie wirklich schwer krank ist und bald darauf ebenfalls verstirbt. Als dann auch noch Margarethes Vater stirbt, muß sie sich ziemlich einsam und verlassen gefühlt haben. Denn von ihrem Mann, schätze ich, kann sie nicht zu viel Kraft oder Stütze erhalten. Ihre Mutter hat zwar einiges über sich erzählt, was ihr Verhalten oft in ganz anderem Licht erscheinen läßt - doch sie schickt Irene wieder weg. Was das mit ihr wohl machen muß?


    S 177: über siebzig Festangestellte und zahllose Tagelöhner - was machen die den ganzen lieben langen Tag in der Villa Hügel? Staub wischen? Beeindruckend fand ich, wie Margarethe sich den Respekt des Personals sichert (S. 176f) und so nebenbei einfließen läßt, daß sie selbst das Arbeiten gewöhnt ist. Gut sicherlich auch, daß die von nun an mit der Köchin jeweils das Menü bespricht - das wird Letztere sicherlich mehr als nur "bauchpinseln".


    Gewundert habe ich mich schließlich über die lange Zeit der Reise - konnte der Firmenchef denn so lange von seinem Büro wegbleiben ohne daß es im Unternehmen drunter und drüber ging? Er muß seinen Geschäftsführern und Prokuristen sehr vertraut haben.



    ASIN/ISBN: 0270103694

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • In den Werbepausen von Let's Dance habe ich den nächsten Abschnitt gelesen.

    Werbepausen gibt es bei uns bei "Let's Dance" nicht - ich nehme die Sendung auf, schneide die Werbung heraus und am nächsten Abend gucken wir die - ein gute Stunde kürzer als die Übertragung. :-)


    Anders als die Biografin sah ich in Alfred auch jemanden, der sich allein und im Stich gelassen fühlte.

    So etwa ist das beim Lesen bei mir angekommen.



    Liebe Melanie, ich möchte mich hier auf jeden Fall schon mal dafür bedanken, dass Du diese Leserunde so wahnsinnig engagiert begleitest, so viele tolle Hintergrundinformationen lieferst und auf jeden Beitrag eingehst. Das ist wirklich nicht selbstverständlich, wieviel Zeit Du Dir hier für uns nimmst. Vielen Dank, das macht die Leserunde zu einem richtigen Erlebnis für mich

    :write :anbet


    Und danke auch für die (teils) medizinischen Hintergründe. Mehr und mehr denke ich, viel mehr Ärzte sollten Bücher schreiben. Einer meiner Lieblingsautoren (leider schon 2009 verstorben) war im "Hauptberuf" Arzt, was man der 29-bändigen Westernserie, die ich wohl dieses Jahr noch beenden werde, anmerkt - vor allem immer dann, wenn es um Krankheiten oder das Sterben geht, was ich noch nie so ... packend und einfühlsam beschrieben gelesen habe wie bei Don Coldsmith.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Werbepausen gibt es bei uns bei "Let's Dance" nicht - ich nehme die Sendung auf, schneide die Werbung heraus und am nächsten Abend gucken wir die - ein gute Stunde kürzer als die Übertragung. :-)

    Die Werbepausen bei Let's Dance fülle ich immer sehr sinnvoll, letzten Freitag mit dem Leseabschnitt, häufig mit Waschmaschine füllen und Wäsche aufhängen. Hab auch schon Sendung aus Mediathek geguckt, da ist dann nur viel Werbung vor Beginn und da wusele ich dann noch rum.



    Bei diesem Buch schätze ich sehr, dass Melanies mit ihrem fachlichen Blick die Geschichte erzählt. Denn auch wenn Autoren zu medizinischen Themen sonst Experten befragen, dann können diese nur auf die gestellte Frage antworten. Melanie kann gar nicht anders, als die ganze Zeit des Schreibprozesses auch die psychotherapeutische "Denke" mitlaufen zu lassen.


    Das Schreiben ist bestimmt für viele Berufe ein Ausgleich, wie auch Musik. Beim Ärztemangel sollten wir nur hoffen, dass die begnadeten Mediziner ihre Kunst berufsbegleitend ausüben und ihren Brotberuf brauchen.


    War am 3.5. im Konzert einer jungen Pianistin, die erst Musik und dann noch Humanmedizin studiert hat und nun ihre berufliche Zukunft in der Neurologie sieht. https://www.mhh.de/presse-news/zwischen-medizin-und-musik

    Zitat

    Eigentlich habe sie aufgrund ihrer persönlichen Geschichte Onkologie machen wollen. „Doch dann habe ich mich in die Neurologie verliebt“, sagt sie. In keinem anderen Fach würde man die Patienten so gut kennenlernen, ist sie überzeugt. Sie müsse die Menschen berühren, um zu schauen, ob sie etwas spüren, sie müsse ganz viel mit ihnen sprechen und über sie erfahren, um eine Diagnose stellen zu können, erklärt sie das. Und die Wahl habe sie nicht bereut. Es sei sehr vielschichtig, sie könne wichtige Forschungsthemen vorantreiben und vor allem arbeite sie in einem tollen Team, dass sie und ihre private Leidenschaft vollkommen unterstützt. Denn das Klavier ist keineswegs aus Dr. Doll-Lees Leben verschwunden. Im Gegenteil. „Wenn ich nach einem anstrengenden Tag nachhause komme, macht mich nichts so glücklich, wie Klavier üben.“ So eine Art „Runners-High“ an den Tasten

    https://m.bild.de/regional/han…3A%2F%2Fwww.google.com%2F

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Wir hatten in Traben- Trarbach 1890 den ersten Strom und Straßen

    Beleuchtung. Darauf sind wir sehr stolz.

    Die Villa Hügel hat an die 270 Zimmer und dauernd Gäste, da war was los, da braucht man Angestellte , Geld hatten ja die Krupps genug .

  • https://www.villahuegel.de/

  • Auf den folgenden Seiten (S. 138ff) wird Alfred Krupp etwas sympathischer. Gewundert hat mich allerdings, daß Margarethe ihn Duzte. War zu jener Zeit nicht das „Sie“ auchim engen Familienkreis üblich?

    Ich habe mich halb tot recherchiert, um dazu etwas zu finden, aber es gab NICHTS, also habe ich sie sich duzen lassen.

    Gewundert habe ich mich schließlich über die lange Zeit der Reise - konnte der Firmenchef denn so lange von seinem Büro wegbleiben ohne daß es im Unternehmen drunterund drüber ging? Er muß seinen Geschäftsführern und Prokuristen sehr vertraut haben.

    Ja, das ist so. Da er selbst ja vom Vater fix rausgehalten wurde, wussten die Direktoren besser Bescheid als er. Und ihm war das auf eine Weise, die er sich nie eingestanden hätte, vielleicht sogar ganz recht.

  • Ich habe mich halb tot recherchiert, um dazu etwas zu finden, aber es gab NICHTS, also habe ich sie sich duzen lassen.

    Danke für die Antwort; hätte ich nicht schon öfters Bücher gelesen, die im 19. Jahrhundert spielen, wäre mir das vermutlich gar nicht aufgefallen.


    Beim Ärztemangel sollten wir nur hoffen, dass die begnadeten Mediziner ihre Kunst berufsbegleitend ausüben und ihren Brotberuf brauchen.

    Sicher; mir fällt nur hier (auch durch die ausführlichen Erklärungen von MelanieM auf, daß medizinisches Fachwissen von großem Vorteil beim Schreiben sein kann.


    Was mir noch einfällt: ich habe jetzt die ganze Zeit darüber nachgedacht. Entweder habe ich etwas überlesen, oder Alfred Krupp wurde recht plötzlich bettlägerig und verstarb. Ich entsinne mich, daß mein Vater auch quasi über Nacht bettlägerig wurde - allerdings gab es monatelang vorher deutliche Anzeichen dafür und eine "Entwicklung", kein plötzlich heute gehts - morgen nicht mehr.



    Danke Arietta für Link und Bild!

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Was mir noch einfällt: ich habe jetzt die ganze Zeit darüber nachgedacht. Entweder habe ich etwas überlesen, oder Alfred Krupp wurde recht plötzlich bettlägerig und verstarb. Ich entsinne mich, daß mein Vater auch quasi über Nacht bettlägerig wurde - allerdings gab es monatelang vorher deutliche Anzeichen dafür und eine "Entwicklung", kein plötzlich heute gehts - morgen nicht mehr.



    Danke Arietta für Link und Bild!

    Ich nehme an, er hat sich mit eiserner Disziplin gezwungen, bis nichts mehr ging und frühere Symptome verleugnet. Er war in der Beziehung ja Fritz' Gegenteil.

  • Mein Vater war 92 und fit , plötzlich ist er gestorben 2- 3 Tage hat er gelegen, ihm war plötzlich nicht so wohl und er hat einfach die Augen zugemacht. Er hat bis dahin in seinem Haus gelebt und eine Frau hat ihm gekocht usw. , er wollte nicht zu uns Kindern ziehen. So einen zufriedenen und lächelnden Toden habe ich noch nie gesehen, wir dachten gleich macht er die Augen auf und lacht uns aus.

  • Die Lebensgeschichte der Krupps kennenzulernen gefällt mir weiterhin. Fritz Krupp hatte mit seiner leidenden Art alles richtig gemacht, indem er eine Frau wie Margarethe fand. Hatte Alfred eigentlich schon eine andere Frau für ihn ausgesucht? Wäre es eine mit weniger Verständnis und Cleverness als Margarethe gewesen oder eine, die Fritz Schwäche ausgenutzt hätte, wäre die Ehe für Fritz furchtbar geworden.


    Vielen Dank auch für die vielen weiteren Hintergrundinformationen hier in der Leserunde. Diese sind fast genauso gut wie das Buch selbst.


    Wie zuvor schon erwähnt, mag ich besonders die Hinweise zum gesellschaftlichen Leben dieser Zeit. Die Reise in Ägypten fand ich leider etwas ereignisarm, mitgefahren wäre ich trotzdem gerne. ;)

  • Wie zuvor schon erwähnt, mag ich besonders die Hinweise zum gesellschaftlichen Leben dieser Zeit. Die Reise in Ägypten fand ich leider etwas ereignisarm, mitgefahren wäre ich trotzdem gerne.

    Ja, außer dass sie erkältet waren und sich dann die Sehenswürdigkeiten anschauten, Cousin Arthur auf alles schoss, was da war, ist nicht sonderlich viel passiert. Wie auf üblichen, normalen Reisen eben. Da es mir wichtig war, authentisch zu bleiben, habe ich auf Räuberpistolen verzichtet, um es "aufzupeppen".

    Hatte Alfred eigentlich schon eine andere Frau für ihn ausgesucht?

    Nein, da gab es m. W. noch niemanden. Der alte Krupp hätte wennschon aber auch nur eine aus einem Haus genommen, die selbst Geld haben oder gute Geschäftsbeziehungen, damit es sich für die Firma lohnt. Vermutlich hatte er noch nicht das Richtige für seinen Sohn gefunden.

  • Ich bin mittlerweile auch schon durch den dritten Abschnitt durch.


    Endlich kommt also Bewegung in die Sache Eheschließung. Und so sehr sich Alfred gesträubt hat Margarethe als Schwiegertochter zuzulassen, so sehr war er wohl am Ende von ihr überzeugt. Zumindestens machte das den Anschein. Immerhin hat er wohl bei ihr das Gefühl, dass sie Fritz etwas steuern kann und den Verstand besitzt ihn zu lenken.


    SHcön für Margarethe, dass sie so am Anfang wenigstens noch jemanden an ihrer Seite hatte.

    Den Hausmeister hat sie ja genau richtig angepackt, das war auch dringend nötig. Manchmal schadet es nicht sich ein wenig mit Erziehung auszukennen und dann die Tricks auch anwenden zu können.


    Die Ägypten Reise war sicher schön und ich kann auch verstehen, dass sie die Kinder nicht mitgenommen haben. Dumm nur dass am Ende der Tod des Vaters auf Margarethe wartet. Immerhin ist da Verhältnis zu Mutter jetzt etwas besser und auch Schwester René findet bei ihr Unterschlupf. So hat sie wieder einen „Erwachsenen“ an ihrer Seite und nicht nur das Personal.


    Mir gefällt das Buch richtig gut, es muss ja nicht immer großes Drama sein, aber auch das wird uns ja noch geboten….

  • ... auch Schwester René findet bei ihr Unterschlupf.

    Oh, schon in Paris-Mood, René statt Irene☺️. Die Rechtschreibkorrektur wusste es mal wieder besser. ;)

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)