Das wertvollste Geschenk, was der König von Siam der Königin von England machen kann, ist sein kostbarer weißer Elephant – ein würdiges Geschenk eines Herrschers zum anderen! Von Siam geht die Reise des seltenen Tieres nach New York, von wo aus die Reise nach England nach einem kurzen Aufenthalt fortgesetzt werden soll. Doch in der Nacht geschieht das Unglück: Das wertvolle, kostbare, unersetzliche Tier wird gestohlen! Die sofort alarmierte Polizei wird repräsentiert von ihrem besten Mann, der besten Detektiv der USA, und vielleicht der ganzen Welt – ein Mann mit einem rasiermesserscharfen Verstand, einem unbeirrbaren Spürsinn und einem unschätzbaren Wissen die Welt des Verbrechens und ihrer Bewohner betreffend. Dieser Mann ahnt die Schritte der perfiden Gesetzesbrecher voraus, wenn diese selbst noch garnicht daran gedacht haben, und so scheint der Fall praktisch schon gelöst zu sein, die Rückkehr des Elephanten nur noch eine Frage der Zeit. Die Suche nach einem verschwundenen Objekt verbindet den Kriminalroman mit dem Thriller und dem Abenteuerroman, nur kleine Nuancen bestimmen hier oft die Zuordnung zu dem einen oder anderen Genre. Diese Genre-Einteilung wird oft erst dann - rückwirkend - vorgenommen, wenn sich die Mechanismen des Genres bereits erkennbar etabliert haben. Historisch betrachtet greift das oft zu kurz, daran ändert auch die Tatsache nichts das man den nicht berücksichtigten frühen Formen der Kriminalliteratur zumindest in Teilen den Begriff “Verbrechensdichtung” anheftet und dann beruhigt zur Tagesordnung übergeht, und hin und wieder über diejenigen die Nase rümpft, die “Michael Kohlhaas” als einen frühen Rachethriller ansehen und als solchen behandeln, so eine Art “Ein Mann sieht Rot” oder “When Robin Hood really is pissed of”.
Doch auch ein Krimi oder Thriller kann gleichzeitig Literatur sein, wenn wir letzterem Begriff die Beschreibung einer Wertigkeit zuschreiben. Am besten überlässt man die Frage nach der Kategorisierung eh den Akademikern und erfreut sich in der nun zur Verfügung stehenden Zeit an großartiger Literatur, egal was es ist, denn die Genre Einteilung sagt nicht über die Qualität des einzelnen Werkes aus.
Die Brillanz Mark Twains besteht hier in seiner Fähigkeit, genretypische Klischees zu parodieren, die es noch gar nicht gab, die bei ihm schlichtweg aus der Überlegung entstanden, was bei der in sich schon absurden vergeblichen Suche nach einem weißen Elephanten alles schiefgehen könnte. Der Urheber und eigentliche Erzähler der Geschichte vertraut voll und ganz den Fähigkeiten des Ermittlers, erst langsam wachsen Zweifel in ihm die Fähigkeiten des besten Ermittlers aller Zeiten betreffend, die aber in der Regel sofort wieder zerstreut werden. Als es dann die ersten Spuren gibt, der Elephant sogar gesehen wird scheint schlußendlich alles gut zu werden, doch das überschlaue Tier schafft es immer wieder, seinen extrem gut ausgebildeten und - unter normalen Umständen - außerordentlich fähigen Verfolgern zu entkommen, und dabei eine Schneise der Verwüstung zu hinterlassen. Es ist der ultimative Kampf Mensch gegen Tier und die Frage, wer am Ende schlauer ist…. Mark Twain lässt seine Geschichte hier die absurdesten Blüten treiben und hält das ohnehin schon hohe Tempo seiner Erzählung bis zum Ende durch, das hohe Tempo gepaart mit der immer absurder werdenden Geschichte ist atemberaubend in einer Art und Weise, die ich in der modernen Literatur nicht mehr finde. Mark Twain hat sich offensichtlich nie zurückgehalten, er hat nie innegehalten und sich gefragt “ ist das vielleicht zu viel?” “Sollte ich nicht vielleicht ein wenig weniger übertreiben?” (Die Antwort auf diese Fragen - wenn der Autor dumm genug ist sie überhaupt zu stellen - lautet immer (!) Nein! Ein Zurückrudern macht eine solche Geschichte gewöhnlich, flach, leicht(er) verdaulich und schlussendlich beliebig, zu vergessenswerten Mainstream.
Niemand kann Mark Twain hier beschuldigen solcherlei Einheitsbrei verfasst zu haben, seine Werke sind - so unterschiedlich ihre Qualität sicherlich ist - zeitlose Klassiker, welche über die Zeit nichts an ihrer Wirkung verloren haben.
Unter anderem weil er, den Fuß auf dem Gaspedal, die Strasse zu Wild Weird Mountain vor sich, einfach gesagt hat “Fuck it - let’s go!”
ASIN/ISBN: 0241251745 |