Lester Bangs liebte die Musik, allerdings nicht alle Musik, und er hatte keine Hemmungen deutlich zu machen, was er mochte und was er ablehnte, und für seine Ablehnung hatte er immer gute Gründe, welche er mit einer beispiellosen Offenheit und Schonungslosigkeit zu unserer Kenntnis brachte, wurden seine Erwartungen enttäuscht. “And I will execute great vengeance upon them with furious rebukes; “ (Ezekiel 25:17) Den Wortkaskaden seiner Lobeshymnen und Verrisse ließ er gleichermaßen scheinbar ungefiltert ihren Lauf, er schafft es das auf die Seite zu bannen, was als Gefühl in seiner Seele ihren Ursprung hatte, und nun durch sein Herz den Weg in sein Gehirn und seine Finger fand. So spontan seine Texte auch erscheinen, sind sie durchaus das Ergebnis eines Schreibprozesses, den Bangs immer bewusst kontrolliert hat, wenn er denn so wollte. Lester Bangs schaffte es wie kaum ein Zweiter seine große Liebe nicht nur zur Musik, sondern auch zu Worten, diese zu beschreiben und anderen mitzuteilen aufs Papier zu bringen. “Because the best music is strong and guides and cleanses and is life itself /LB” Man ist sicherlich versucht seinen Freiheitsdrang, seinen exzessiven und rebellischen Lebensstil als direkte Reaktion gegen seine streng religiöse Mutter und ihrer Gemeinde zuzuschreiben, aber es wäre zu einfach, Lester Bangs darauf zu reduzieren. Der Journalist , mit welchem Lester Bangs praktisch immer in einem Atemzug genannt wird, ist Hunter S. Thompson, dessen familiärer Hintergrund und Erziehung in keiner Weise der von Lester Banks gleichkam. Lester Bangs Erfahrung mit der sehr orthodoxen Gemeinde seiner Mutter - von seinem Vater ganz zu schweigen - als alleinige Ursache für seinen späteren Lebensweg zu sehen, simplifiziert den Kritiker und Schriftsteller ungerechtfertigter Weise. Schon früh entdeckte er den Drogenrausch für sich, unabhängig von irgendwelchen als Vorbilder in dieser Beziehung dienenden Pop- und Rockstars, oder auch der Jazzmusiker, mit welchen Lester Bangs musikalische Odyssee begann. Jim DeRogatis exzellente Biographie sei hier allen zur Lektüre empfohlen, er geht ausführlich auf Lester Bangs Herkunft und Jugend ein, tiefer, als eine Buchempfehlung hier vermag.Kulturepochen können kaum mit dem Ûbergang von einem Jahrzehnt zu anderen oder einem Generationswechsel allein erklärt werden, in jeder Kunstrichtung vollzieht sich eine Veränderung oftmals langsam und schleichend, bis sich die Neuerung vollends entfaltet und als neue Strömung, als neue Art Dinge zu tun - zu schreiben - definierbar ist, und oft wird rückblickend ein Wendepunkt an einer oder mehreren Personen festgemacht. Die Beat-Generation hatte einen enormen Einfluss auf die Literatur, doch sie entstand keinesfalls plötzlich aus dem Nichts, sie war zumindest eine Reaktion auf etablierte Dogmen in der Literatur, die sie nicht unwidersprochen hinnehmen konnten. Doch Literatur - wie alle Kunst - entsteht nicht nur aus der eigenen Kunstrichtung, sie reagiert immer auch auf die Entwicklung der Kultur und der Politik insgesamt, und ist untrennbar mit all dem verbunden. Natürlich wäre ein Lester Bangs oder Hunter S. Thompson 10 Jahre früher in dieser Ausprägung nicht denkbar oder möglich gewesen, doch auch 10 Jahre später hätte ihre Arbeit andere Formen angenommen, immer im Kontext der politischen und künstlerischen Gesamtsituation. Kritiker wie Lester Bangs verleihen ihrer Kritik etwas unmittelbares und persönliches, aber auch etwas, das man oberflächlich betrachtet als weniger sachlich ansehen kann als ihre Kollegen vor ihnen. Doch diese Sichtweise ist ein Irrtum! Lester Bangs nahm das, was er tat, sehr ernst! Es war ihm wichtig, seine Meinung zu kommunizieren, das, was er sah und vor allem hörte, für seine Leser zu sortieren und eine Orientierung zu bieten. Er nahm dabei nicht die Position eines sachlichen Aussenseiters ein, der von aussen nach innen blickend erklärt was er sieht und hört, für ihn - und andere Kritiker und Kommentatoren die Kultur betreffend - ist es etwas persönliches, schlichtweg weil es ihm viel bedeutet, und er macht das sehr deutlich.