Mario Giordano - Die Frauen der Familie Carbonaro

  • Klappentext

    Pina will herrschen. Anna will singen. Maria will Hosen tragen.

    Drei Frauen der deutsch-italienischen Familie Carbonaro erzählen ihre Geschichte: Sie erzählen von einem archaischen Sizilien Ende des 19. Jahrhunderts, vom Fluch ihrer Vorfahrinnen, von Wundern, Illusionen und kleinen Triumphen. Von Liebe und Gewalt, von schönen Schneidern, Scharlatanen und traurigen Gespenstern. Sie erzählen von Flughunden und Krähen, von Sizilien und Deutschland, von Heimat und Fremdsein, Bombennächten und Bienenstich - und davon, wie das Glück sie immer wieder fand. In einem gewaltigen Bilderbogen lässt Mario Giordano die bewegten Schicksale dreier Frauen erstehen, die unbeirrbar ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben verfolgen. Und er nimmt uns mit auf eine Reise von Sizilien nach Deutschland, die ein ganzes Jahrhundert umspannt.


    Über den Autor

    Mario Giordano, geboren 1963 in München, ist Schriftsteller und Drehbuchautor. Seine Romane sind in über 15 Sprachen übersetzt worden, mit seinen »Tante Poldi«-Krimis stand er in Deutschland und den USA regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Zudem verfasste er u.a. die Romanvorlage und das Drehbuch zu »Das Experiment« sowie Bilder- und Jugendbücher. Seine beiden Romane über die Familie Carbonaro basieren auf der Geschichte seiner eigenen Familie. Mario Giordano lebt in Berlin.


    Mein persönliches Fazit

    Ein Buch, das mir gut gefallen hat. Den ersten Band kenne ich nicht, meiner Meinung nach funktioniert das Buch aber auch ohne Vorkenntnisse ganz gut.

    Erzählt wird die Geschichte der Frauen aus der Familie Carbonaro über drei Generationen. Damit deckt die Geschichte einen sehr langen Zeitraum ab und stellt ganz gut dar, mit welchen Problemen die Frauen konfrontiert sind. Manche ähneln sich, weil sie auch in der sizilianischen Kultur verwurzelt sind, manche spiegeln den jeweiligen Zeitgeist wieder. Dadurch entsteht ein sehr umfassendes und detailliertes Familienporträt.

    Die Geschichte jeder einzelnen Frau ist auf ihre eigene Art berührend. Aber aus einem Grund, den ich selbst nicht so genau benennen kann, ist mir die Lebensgeschichte von Pina ganz besonders nahe gegangen. Es war für mich so schockierend über ihre Kindheit und Jugend zu lesen. Irgendwie hat es mich da überhaupt nicht gewundert, dass sie in ihrem späteren Leben die Kontrolle nur äußerst ungern aus der Hand gegeben hat.

    Der Stil hat mir gefallen. Detailliert, manchmal auch ausschweifend, bildlich und einnehmend, manchmal auch poetisch. Man merkt durchaus, dass dem Autor diese Geschichte auch persönlich etwas bedeutet. Als Leser ist man bei allen Lebensentscheidungen dabei, im Guten wie im Schlechten. Und es schwingt dabei immer auch eine wehmütige Note mit, die der Erzählung etwas melancholisches gibt und an manchen Stellen auch sehr traurig gemacht hat.


    Was ich persönlich nicht unbedingt gebraucht hätte, waren etliche Wiederholungen und dieser ganzer mystische Teil mit den Gespenstern, Zyklopen, Sirenen und den zweiten Schatten. Das fand ich nicht ganz so passend zum Rest und war mir dann auch zu abstrakt. Auch ohne Gespenster am Küchentisch sind die Gespenster der Vergangenheit immer da.

    Nichtsdestotrotz ein gelungenes Buch.


    ASIN/ISBN: 3442315689

  • Ein Epos für die Frauen Siziliens, wie ein antiker Heldengesang


    Wunderschöner Roman, der es geschickt vermag, unterschiedliche Zeit- und Handlungsebenen zu verbinden. Der Schreibstil ist ruhig, erzählerisch, ohne je hastig zu werden, auch wenn das Thema schrecklich oder brutal ist. Als ob die Sonne Siziliens alles verklären aber auch alles ans Licht zerren würde. Das Wunderschöne und Begeisternde, aber auch das Harte, Tödliche. Alles liegt offen, vor den Augen der Sizilianer.

    Die Münchner Jahre der Familie Carbonaro hingegen sind von der deutschen Wirklichkeit der Zwischenkriegszeit und den Bombennächten und Terror während des Zweiten Weltkriegs, der fanatischen Nazi-Ideologie einiger Nachbarn und Schulkinder. geprägt.

    Zu den schönsten und auch bedeutendsten Szenen des Buches gehört gleich die Eröffnungsszene. Der Autor erzählt von der Begegnung mit drei Carbonaro-Frauen: Urgroßmutter Pina, Großmutter Anna, Tante Maria, als Vertreterinnen aller Carbonaro-Frauen: “Ich weiß, wo ich bin. Dies ist das Haus der Zeit, dort, wo Vergangenheit und Zukunft verschmelzen. In den Zimmern, Sälen, Kammern und Nischen sitzen die Geister eines vergangenen Jahrhunderts, raunen sich Dinge zu und runden die Kanten. Eines Tages werde ich einer von ihnen sein oder bin es bereits. Die drei Frauen vor mir sind meine Familie. Ich bon hier, um ihnen zuzuhören.” (S. 13). Der Autor hält Wort, er hört diesen Frauen zu, lässt sie geduldig zu Wort kommen, lässt sie von ihrem harten Leben erzählen, von den vielen Kindern, die sie geboren haben, von denen nicht viele überlebt haben, wie sie ihr Schicksal auf sich genommen haben und um ihr bisschen Glück und Freiheit gekämpft haben.

    Allen dreien blieb der Lebenstraum verwehrt: die eine wollte ihrem Mann im Geschäft zur Seite stehen, die andere wäre gern Sängerin geworden, die dritte wäre gern Großhändlerin geworden, um sizilianische Früchte und Säfte nach Deutschland zu exportieren. Sie durften oder konnten es nicht tun, weil sie Frauen in einer strikten Männerwelt waren. Und doch hat jede von Ihnen es den Frauen in der nächsten Generation ermöglicht, wenigstens einen Teil ihrer Träume zu verwirklichen. Sei es die Tochter, die öffentlich auftreten und singen darf, oder die Tochter, die eine höhere Schule besuchen kann. Diese drei Frauen besitzen einen doppelten Schatten, der sie als Nachfahrinnen von Meeresnixen ausweist. In Sizilien können andere Frauen ihre Schatten sehen und meiden sie. In München hingegen sind diese Schatten nicht mehr sichtbar, sie können sich ungehindert auf den Straßen bewegen.

    Alle drei Frauen heiraten den Mann, den sie lieben, doch die Männer der ersten beiden Generationen sind Patriarchen, oder wären es gern, zu stolz und zu schwach zugleich, auf Ihre Frauen zu hören. Nur Maria, die Frau aus der dritten Generation, heiratet nach einer großen Enttäuschung in der Liebe endlich einen Mann, den sie liebt, der sie liebt, und der ihr vor allem zuhört und ihr helfen will, ihren Traum zu verwirklichen. doch er stirbt viel zu früh an einer unerbittlichen Krankheit und Maria muss ihre Firma verkaufen und kehrt mit ihrem Kind nach Sizilien zurück.

    Die Patruneddi, Hausgeister, sind faszinierend. Sie sind Teil der Familie, des Mobiliars, des Hauses.

    Das Buch endet in einer versöhnlichen und bejahenden Stimmung: “Wir waren die Frauen der Familie Carbonaro… Wenn es Tag wurde, würden wir wieder zwei Schatten werfen, aber wir fragten nicht mehr, wer wir sind. Wir sind das, was man von uns erzählt.” (S. 503”

  • Nicht nur wegen des wunderschönen Covers wollte ich diesen Roman unbedingt lesen. Nein, ich hatte ja schon den Vorgänger verschlungen, in dem es um die Männer, allen voran Barnaba Carbonaro ging, und die Frauen eher eine Nebenrolle spielten. Das sollte sich mit „Die Frauen der Familie Carbonaro“ nun ändern und sie sollten endlich die verdienten eigenen Stimmen erhalten.

    Wie ich schon befürchtet hatte, ließ mich dieser „Nachschlag“ aber ein wenig unbefriedigt zurück. Vieles wusste ich ja schon en Detail aus Band eins, es gab einfach relativ wenig Neues zu entdecken. Dennoch hat es wieder Spaß gemacht in die Geschichte einzutauchen und dem lockeren Schreibstil des Autors zu folgen, der mich das Buch fast in einem Rutsch verschlingen ließ. Das italienische sonnige Flair gepaart mit den Erfahrungen in München war eine gelungene Mischung, wenn auch relativ wenig Spannung aufkam und die vielen Personen manchmal schwer zuzuordnen waren.

    Alles in allem vergebe ich dennoch drei Sterne für diesen Ausflug in die Welt der italienischen Zitrusfrüchte und lege euch dieses Sommerbuch gepaart mit dem ersten Band gerne ans Herz. Lasst euch entführen und einfach fallen und genießen. Beste Grüße an die Männer und Frauen der Familie Carbonaro!