'Späte Ernte' - Seiten 089 - 178

  • Nein. Ist bei uns auch nicht so. Wenn ich meiner Mama so überfallartig kommen würde wie Anna, würde sie wahrscheinlich denken, ich hätte eine bedrohliche Krankheit oder will alles stehen und liegen lassen und abhauen. Aber wie schon angesprochen: es gibt ganz unterschiedliche Arten, sich Liebe und Zuneigung zu zeigen, da müssen es nicht unbedingt Worte oder festgelegte Gesten sein.

    Bin jetzt echt beruhigt, dass es auch in anderen Familien so wie bei uns ist. Mehr Taten als Worte sozusagen. :) Ich find das auch in Liebesfilmen doof, wenn die Darsteller nach zweimal Treffen und einmal Knutschen schon säuseln "Ich liebe dich". So schnell war ich da nie. Nix gegen eine anständige Verliebtheit, oder erotisches Funkeln....:grin

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Oder sie wirft dem Kind im Stillen vor, dass es den falschen Vater hat.

    Das vermute ich momentan. Im Prolog war es ja schon angedeutet, mittlerweile wissen wir, dass und warum Elisas nicht der Vater sein kann. Ich könnte mir vorstellen, dass Lene fremdgegangen ist - vielleicht sogar mit der Absicht, ein Kind zu zeugen - und damit im Nachhinein nicht klarkommt. Wobei Elias damit ja kein Problem zu haben scheint - ich bin gespannt, ob es so ist oder noch mehr dahintersteckt.


    Nochmal zu Anna: sie ist ja sehr reflektiert und man merkt, sie hat viel über sich und ihre Familie nachgedacht. Ein Nebensatz irgendwo in den letzten zwei Abschnitten hat mich stutzig gemacht: sie sinniert darüber nach, dass es für ihre Mutter zu spät ist und vielleicht auch für sie. Warum? Wir wissen zwar noch nicht, was das große Familiengeheimnis ist, aber eine so reflektierte Frau wie Anna müsste sich doch von den Schatten der Vergangenheit lösen können, wenn sie es denn will. Ihre Andeutungen über das Absetzen der Krone lässt ja darauf schließen, dass sie zumindest nicht die Augen verschließt und das Problem - wenn es denn heute noch eins ist - angeht. Hm. :/ In einem anderen Buch, das ich kürzlich gelesen habe, stellte es sich heraus, dass die Familie unter einer Erbkrankheit litt. Dafür gibt es hier aber gar keine Anzeichen, das glaube ich also nicht. "Nur" ein Seitensprung wäre mir zu einfach. Bin wirklich gespannt und habe momentan keine weiteren Ideen, aber da Spekulieren nichts bringt, hilft nur Weiterlesen ;).

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • so, ich habe den zweiten Abschnitt soeben beendet…


    Man glaubt gar nicht wie sehr die Erziehung doch prägt…. Lis ist als Kind von allen gesagt worden, das sie nur dann etwas wert ist, wenn sie den Erwartungen anderer Menschen entspricht. Erst denen der Mutter und Haushälterin und dann denen der Männer. Die Szene im Laden, als der Mann nach Thea fragt und sie sich denkt, der sieht mich ja gar nicht, fand ich sehr bezeichnend für ihr Selbstvertrauen. Sie scheint ja sehr verinnerlicht zu haben, dass sie nur dann existiert, wenn sie von anderen wahrgenommen wird….

    Und dass sie Schuld am Tod der Eltern ist, das hat ihr auch niemand ausgeredet. Vermutlich hat sie nie mit jemanden darüber gesprochen und ihr Mann hat sie wohl auch nur als die hübsche Puopope an seiner Seite gesehen. mit schöner Figur, schönen Kleidern und guten Make up. Gut für den roten Teppich.

    Ich bin ja mal gespannt, was er ausgefressen hat….


    Anna scheint ja den Ausbruch gewagt zu haben, leidet aber darunter, dass die Familie nicht hinter ihr steht. Und ihr scheinbar nichts eigenständiges zutraut. Ich hab das in meiner Familie immer anders erlebt, ich bin immer ermutigt worden zu machen, was ich für richtig für mich halte. Und nicht das was „man“ erwartet. Liegt vermutlich auch daran, dass ich die einzige in meiner Generation bin. Weder mein Onkel noch der Cousin meines Vaters haben Kinder bekommen.

    Mein Schwiegervater versteht mich dagegen oft nicht und wundert sich, warum ich manche Dinge anders mache, als er das von einer Frau erwarten würde. Was ich beruflich mache, versteht er nicht und es interessiert ihn auch nicht. Aber er lobt mich immer, wie toll ich meine Kinder doch erziehe (die Mädels sind 18 und müssen nicht mehr erzogen werden) und mich um die Familie kümmere. Oder wie es schmeckt, wenn ich koche oder backe.


    Elias kann also nicht Giselas Vater sein. Ich bin gespannt, was da passiert ist. Nachdem im Prolog ja erwähnt wird das Gisela so eine Art dunkles Erbe in sich trägt, dass unterdrückt werden muss, würde ich im übrigen eher auf eine Vergewaltigung als auf einen Seitensprung tippen.

    Lene hat ja in der Zeit, bis Elias wiederkommt niemanden, mit dem sie ihre Sorgen teilen kann. Auch hier wird nicht gesprochen, weil es ja angeblich nichts ändert. Dabei frisst jeder nur Angst und Kummer in sich rein und dann bricht es sich Bahn, wenn jemand ausschert. Und grad Kinder tragen ja das Herz auf der Zunge. Am Ende geht aber Lene mit Gisela ja nicht anders um, wie sie es selbst daheim erlebt hat. Siehe die Szene als die Todesnachricht des Bruders kommt und der Vater den kleinen Bruder watscht anstatt ihn zu trösten.

  • Mein Schwiegervater versteht mich dagegen oft nicht und wundert sich, warum ich manche Dinge anders mache, als er das von einer Frau erwarten würde. Was ich beruflich mache, versteht er nicht und es interessiert ihn auch nicht. Aber er lobt mich immer, wie toll ich meine Kinder doch erziehe (die Mädels sind 18 und müssen nicht mehr erzogen werden) und mich um die Familie kümmere. Oder wie es schmeckt, wenn ich koche oder backe.

    Oh je ganz alte Schule. Das geht ja gar nicht bei mir. 8| Da könnte ich mir den ein oder anderen blöden Kommentar nicht verkneifen. :lache

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Das verstehen erwarte ich auch nicht, aber das interessieren eigentlich schon.... Er tut aber so, als wäre das was ich mache völlig unwichtig.... die frage, warum ich denn arbeiten gehe, sein Sohn würde doch genug verdienen hat er der Schwiegertochter seiner Lebensgefährtin nicht gestellt. Die ist ja Ärztin und da ist es wichtig früh wieder einzusteigen. Ich mach ja nur was mit Computern....


    Man merkt das ist was, was mich tatsächlich auch trifft, vermutlich eben, weil ich es von meiner Familie so nicht kenne.

  • 2. Abschnitt... wir erfahren ein bißchen mehr – aber auch noch nicht allzuviel. Ich habe diesen Abschnitt ein wenig als „Überleitung“ betrachtet. Immerhin wissen wir nun, dass Lis ein privilegiertes Leben hatte mit Dienstboten seit Kindheit etc. Doch sorgenfrei war ihr Leben nicht: der Vater, der die Mutter wohl ständig betrog. Die Mutter, die zu Alkohol und Tabletten griff, möglicherweise auch an Depressionen litt und sich nie gegen den Mann wehrte, der meine, der Bestimmer zu sein, da er ja auch das Geld heimbrachte und ihr ein sorgenfreies Leben ermöglichte. Sorgenfrei ja... aber nur in finanzieller Hinsicht. Ansonsten war er ja Verursacher vieler Sorgen.


    Auch Lis war mal „was Besseres“, mit Bediensteten und der Damenboutique, die ihr Mannie ihr finanzierte. Und sie gibt sich schuld am Tod der Eltern, weil sie ihre Mutter ermutigte, endlich einmal die Stimme zu erheben.


    In den Rückblenden auf die Kriegsjahre erleben wir das harte und triste Leben von Lene während der Kriegsjahre mit. Freudlos und karg ist diese Zeit. Doch als Elias endlich -verwundet- aus dem Krieg zurückkehrt, ist er zeugungsunfähig. Wie es zu Gisela kommt, ist noch nicht Thema – aber dieser Teil der Geschichte lässt natürlich erahnen, warum Lene so hart geworden ist... diese einsamen und traurigen Jahre haben ihre Spuren bei ihr hinterlassen – und wir kennen ja noch nicht die ganze Geschichte.


    hollyhollunder

    Über das Thema „Liebesworte“ und „Gefühle zeigen“ habe ich auch nachgedacht. Eigentlich ist das bei uns zwischen mir und meinen Eltern oder meinem Bruder auch „nicht üblich“, sondern erfolgt durch Taten und Gesten/Umarmungen. Das ist auch etwas, das schon immer da war und nicht groß durch Worte erklärt werden muss, sondern sich im Umgang miteinander einfach zeigt.


    Die Story schreitet voran, aber man weiß trotzdem noch nicht viel mehr: Lene hat ihren Partner zurück, aber noch kein Kind. Mit ihm zusammen wird sie auch keines bekommen können. Wir wissen mehr über Lis' Kindheit, aber noch nicht, was ihr Partner verbrochen hat. Über Anna wissen wir auch noch nicht viel mehr, als dass sie ein sehr gespanntes Verhältnis zu ihren Eltern hat. Ihr Freund taucht allenfalls als Name auf bisher.


    Bei Thea kam ich auch schon auf den Gedanken, dass sie Lis möglicherweise erkannt hat, sie aber einfach in dieser Sache in Ruhe lassen will.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Und sie gibt sichschuld am Tod der Eltern, weil sie ihre Mutter ermutigte, endlicheinmal die Stimme zu erheben.

    Das ist tragisch, aber sie hat keine Schuld. Doch in solchen Situationen können das alle sagen, aber bei einem selbst bleibt dieses Schuldgefühl. Schlimm ist, wenn es sich durch ein ganzes Leben zieht.

    Die Story schreitet voran, aber manweiß trotzdem noch nicht viel mehr

    Spannend!

  • Man merkt das ist was, was mich tatsächlich auch trifft, vermutlich eben, weil ich es von meiner Familie so nicht kenne.

    :knuddel1 Das ist schade streifi . Da sind wir wieder bei fehlender Anerkennung und Wertschätzung wie im Buch. :( Und bei noch einem anderen Gedanken sehe ich die Ähnlichkeiten:

    Man glaubt gar nicht wie sehr die Erziehung doch prägt….

    "Erziehung" und vielleicht auch gerade die Werte und Weltvorstellungen, die unbewusst und automatisch an die nächste Generation weitergegeben werden, prägen wahrscheinlich wesentlich mehr, als uns allen lieb ist. Ich glaube wir Menschen reden uns gerne ein, dass wir ganz frei und ungebunden entscheiden - aber in Wirklichkeit sind wir das Produkt unserer ganzen Vorerfahrungen, ob wir wollen oder nicht.


    Und wenn dann unterschiedliche Lebenswelten aufeinanderdertreffen, wird es schwierig. Auch wenn es gar nicht böse gemeint ist. Da hilft nur viel Verständnis und Toleranz - auf beiden Seiten. Überlegt ihr euch manchmal eigentlich auch, wie es wohl in 30 oder 40 Jahren sein wird, wenn wir "alt" sind? Auf welche Lebensentwürfe wir in der Kinder- oder Enkelgeneration dann wohl stoßen werden, mit denen wir nichts anfangen können?

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Da kann man nur hoffen dass man den Kinder das mitgibt, dass man auf andere mit Toleranz zugehen sollte und man nicht alles auch gut finden muss. Aber eben zulassen.


    Da kämpfen wir auch oft drum, wenn ich ihnen mal wieder sage, dass nicht nur ich ihre Art mit manchen Dingen umzugehen akzeptieren muss, sondern sie auch mit der Art wie ich unterwegs bin. Und dass man sich die Mühe machen muss, beide Seiten der Medaille zu sehen. Manchmal gar nicht so einfach.

  • Armer Elias, arme Lene.:(

    Das ist natürlich sehr, sehr traurig und wird bestimmt ein größeres Problem für die Zwei.


    Und von Anna und Elisabeth erfahren wir so langsam ein wenig mehr.

    Elisabeth gibt sich die Schuld am Tod ihrer Eltern. Und das schon über viele, viele Jahre.

    Und auch Annas Familienverhältnisse sind nicht einfach.


    Ja, das mit den Gefühlsäußerungen ist sicher von Familie zu Familie anders.

    Wobei ich ja manchmal denke, dass Handlungen und Gesten teilweise auch mehr aussagen und bedeuten können als Worte.

  • :knuddel1 Das ist schade streifi . Da sind wir wieder bei fehlender Anerkennung und Wertschätzung wie im Buch. :( Und bei noch einem anderen Gedanken sehe ich die Ähnlichkeiten:

    "Erziehung" und vielleicht auch gerade die Werte und Weltvorstellungen, die unbewusst und automatisch an die nächste Generation weitergegeben werden, prägen wahrscheinlich wesentlich mehr, als uns allen lieb ist. Ich glaube wir Menschen reden uns gerne ein, dass wir ganz frei und ungebunden entscheiden - aber in Wirklichkeit sind wir das Produkt unserer ganzen Vorerfahrungen, ob wir wollen oder nicht.


    Und wenn dann unterschiedliche Lebenswelten aufeinanderdertreffen, wird es schwierig. Auch wenn es gar nicht böse gemeint ist. Da hilft nur viel Verständnis und Toleranz - auf beiden Seiten. Überlegt ihr euch manchmal eigentlich auch, wie es wohl in 30 oder 40 Jahren sein wird, wenn wir "alt" sind? Auf welche Lebensentwürfe wir in der Kinder- oder Enkelgeneration dann wohl stoßen werden, mit denen wir nichts anfangen können?

    Klar prägt einen Erziehung und Erfahrungen, aber ich find es immer schlimm, wenn man das alles als gegeben hinnimmt und nichts hinterfragt. Dieses "das haben wir aber schon immer so gemacht", egal wie dämlich es ist, ist so nervig. Ebenso, wenn alles, was die nächste Generation tut als "dumme Jugend" wegerklärt wird.

  • Klar prägt einen Erziehung und Erfahrungen, aber ich find es immer schlimm, wenn man das alles als gegeben hinnimmt und nichts hinterfragt. Dieses "das haben wir aber schon immer so gemacht", egal wie dämlich es ist, ist so nervig. Ebenso, wenn alles, was die nächste Generation tut als "dumme Jugend" wegerklärt wird.

    Dinge hinterfragen soll und muss man auf jeden Fall.

  • Klar prägt einen Erziehung und Erfahrungen, aber ich find es immer schlimm, wenn man das alles als gegeben hinnimmt und nichts hinterfragt. Dieses "das haben wir aber schon immer so gemacht", egal wie dämlich es ist, ist so nervig. Ebenso, wenn alles, was die nächste Generation tut als "dumme Jugend" wegerklärt wird.

    Das eine schließt das andere ja nicht aus ;). Natürlich sollen Dinge hinterfragt werden - das ganze Leben lang. Aber trotz hinterfragen werden immer wieder verschiedene Werte und Einstellungen aufeinandertreffen, was ja auch völlig ok ist. Menschen sind unterschiedlich und so ist das Leben bunt. Wichtig finde ich, dass es in den meisten Fällen kein "richtig" oder "falsch" gibt und so gilt es immer wieder, (mühevolle) Kompromisse zu schließen und vieles zu tolerieren, auch wenn man es selber vielleicht anders machen würde oder anders will.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ich glaube wir Menschen reden uns gerne ein, dass wir ganz frei und ungebunden entscheiden - aber in Wirklichkeit sind wir das Produkt unserer ganzen Vorerfahrungen, ob wir wollen oder nicht.

    Das gilt aber für Frauen und Männer gleichermaßen und es gilt auch ein Leben lang.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)