Bannmeilen – Anne Weber

  • Matthes&Seitz, 2024

    301 Seiten


    Kurzbeschreibung:

    Wo die Stadt aufhört und die Vorstadt anfängt, ist in Paris klar markiert durch den Périphérique, den zu überschreiten Anne Webers Erzählerin bisher kaum in den Sinn gekommen ist. Denn was gibt es dort, in den verruchten Banlieues, außer einem Geflecht aus Schienen, Schnellstraßen und Autobahnen, zwischen denen Lagerhallen, gewaltige Supermärkte und Baustellen und Millionen von Menschen eingeklemmt sind? Außer der so notorischen Not, Gewalt und Armut? Als ihr alter Freund Thierry ihr jedoch vorschlägt, ihn für einen Film durch die Vorstädte des Départments Seine-Saint-Denis zu begleiten, die vor den Olympischen Spielen 2024 einem tiefgreifenden Wandel unterzogen werden, muss sie sich eingestehen, dass sie für die nächste Nähe jahrzehntelang blind gewesen ist. Da sind zum Beispiel der von Schrotthalden umgebene muslimische Friedhof von Bobigny, auf dem ein algerischer Olympiasieger der 1920er-Jahre begraben liegt; die beiden kreisrunden Sozialwohnungsbauten von Noisy-le-Grand, die einander wie gigantische Camemberts gegenüberstehen; und tausend andere von Kolonialismus und Leid, von Hoffnung und Fortschritt erzählende Orte. Und auch Thierry selbst entpuppt sich mit der Zeit als Teil dieser widersprüchlichen, ihrem Blick bislang verborgenen Welt.


    Über die Autorin:

    Anne Weber, 1964 in Offenbach geboren, lebt seit 1983 als freie Autorin und Übersetzerin in Paris. Sie hat sowohl aus dem Deutschen ins Französische übersetzt (u. a. Sibylle Lewitscharoff, Wilhelm Genazino) als auch umgekehrt (Pierre Michon, Marguerite Duras). Ihre eigenen Bücher schreibt sie sowohl in deutscher als auch in französischer Sprache. Ihre Werke wurden u. a. mit dem Heimito von Doderer-Literaturpreis, dem 3sat-Preis, dem Kranichsteiner Literaturpreis, dem Johann-Heinrich-Voß-Preis und dem Solothurner Literaturpreis 2024 ausgezeichnet. Für ihr Buch Annette, ein Heldinnenepos wurde Anne Weber mit dem Deutschen Buchpreis 2020 ausgezeichnet.


    Mein Eindruck:

    Anne Weber ist eine Autorin, von der ich viel halte, obwohl ich ausgerechnet mit ihrem preisgekrönten Heldinnenepos wenig anfangen konnte.


    In Bannmeilen begleitet die Erzählerin Thierry ihren Freund auf Streifzügen durch Pariser Vororte.

    Thierry ist Dokumentarfilmer und soll evtl. einen Film über die Gegend machen, wie sie von den kommenden Olympiaspielen beeinflusst wird.

    Die beiden tauchen ein in eine andere Welt. Viele Migranten leben ärmlich und perspektivlos. Thierry hat algerische Wurzeln und sieht vieles an dem, was den beiden begegnet kritisch. Ihr ist vieles fremd, obwohl sie schon jahrzehntelang in Paris wohnt. Spannend sind die Dialoge, bei denen sie ihre Rollen einnehmen und diskutieren. Sie setzen ihre gemeinsamen Streifzüge fort. Ein häufig besuchter Ort ist das Café von Rachid, wo wiederum verschiedene Positionen zu erkennen sind.

    Das Buch bietet Erkenntnisse von außen. Ganz anders würde es sich lesen, wäre es von einem Insider aus den Banlieus geschrieben.


    Der Untertitel des Buches lautet Roman in Streifzügen

    Man sollte aber seine Erwartungshaltung anpassen. Ein konventioneller Roman ist Bannmeilen sicher nicht, aber wohl doch mehr als nur Reportage. Ich halte das Buch für lesenswert.


    ASIN/ISBN: 3751809554