Arnaldur Indriðason – Das dunkle Versteck / Kyrrþey

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)

    Nach dem Tod ihres Mannes findet Halla eine Pistole in einer Garage mitten in Reykjavík. Sie bringt sie zur Polizei. Als der pensionierte Kommissar Konráð davon erfährt, erinnert er sich, dass sein Vater eine ebensolche Waffe besaß. Ein Mitarbeiter der Spurensicherung findet zudem heraus, dass aus dieser Waffe der tödliche Schuss in einem anderen ungeklärten Fall stammt. Damals wurde ein Mann namens Garðar aus heiterem Himmel erschossen. Konráð nimmt nun privat Ermittlungen auf, weil er wissen will, was sein Vater mit den Verbrechen zu tun hat. Eine Spur führt zu Gústaf, einem Arzt, der wegen Kindesmissbrauchs im Gefängnis sitzt. Auch Konráðs Vater war damals mit diesem Arzt in Kontakt ...


    Autor (Quelle: Verlagsseite)

    Arnaldur Indriðason, 1961 geboren, graduierte 1996 in Geschichte an der University of Iceland und war Journalist sowie Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung Morgunbladid.

    Heute lebt er als freier Autor mit seiner Familie in Reykjavik und veröffentlicht mit sensationellem Erfolg seine Romane. Arnaldur Indriðasons Vater war ebenfalls Schriftsteller. […]


    Allgemeines

    Fünfter Band der Reihe um Kommissar Konráð

    Titel der Originalausgabe: „Kyrrþey“, ins Deutsche übersetzt von Freyja Melsted

    Erschienen bei Bastei Lübbe am 26.01.2024 als HC mit 368 Seiten

    Gliederung: Roman in 64 Kapiteln

    Erzählung in der dritten Person aus verschiedenen Perspektiven und auf unterschiedlichen Zeitebenen

    Handlungsort und -zeit: Reykjavík in der Gegenwart, mit Rückblenden auf die Mitte des 20. Jahrhunderts


    Inhalt

    Eine Frau namens Halla findet nach dem Tod ihres Mannes in dessen Garage eine alte Pistole der Marke Luger und gibt diese bei der Polizei in Reykjavík ab. Der längst pensionierte Kommissar Konráð, der immer noch Kontakte zu Mitarbeitern der Polizeibehörde pflegt, erfährt davon und ist elektrisiert. Eine solche Pistole hat sein 1963 ermordeter Vater Seppi ihm in den Fünfzigerjahren gezeigt. Wie sich herausstellt, wurde mit dieser Waffe seinerzeit ein junger Mann namens Garðar erschossen, der Fall wurde nie aufgeklärt. Konráð, der seit Jahren herauszufinden versucht, wer seinen Vater erstochen hat, fragt sich nun, ob dieser den jungen Mann umgebracht hat. Seppi war allerdings in verschiedene illegale Geschäfte verwickelt und verkehrte in kriminellen Kreisen – Kreise, mit denen auch Garðar unfreiwillig in Kontakt gekommen war…

    Mit seinen privaten Ermittlungen, die nicht nur der offiziell ermittelnden Kommissarin Marta ein Dorn im Auge sind, bringt Konrað nicht nur sich, sondern auch seine Schwester Beta in Gefahr.


    Beurteilung

    Der fünfte Band der Reihe setzt die Erzählung der vorherigen Bände nahtlos fort und bezieht sich nicht nur auf die seit Jahren andauernden hartnäckigen Nachforschungen des Protagonisten im Falle seines 1963 ermordeten Vaters, sondern auch auf die in den vorherigen Bänden thematisierten Kriminalfälle, die offensichtlich miteinander in Verbindung stehen. Einige schon bekannte Romanfiguren tauchen wieder auf, andere kommen neu dazu. Man sollte die Bände der Reihe unbedingt in der richtigen Reihenfolge lesen, da es ansonsten schwierig wäre, der komplexen Handlung zu folgen. Die Lektüre erfordert ohnehin ein gewisses Maß an Konzentration, da es nicht nur Perspektivwechsel, sondern auch Wechsel auf der Zeitebene gibt – leider werden diese Szenenwechsel nicht durch Zeitangaben in den Kapiteln kenntlich gemacht. Wenn man die vorherigen Bände kennt und sich für „Das dunkle Versteck“ Zeit nimmt, hat man einen äußerst fesselnden und stellenweise sehr spannenden Krimi mit Cliffhangern am Ende einiger Kapitel vor sich. Über die Vergangenheit von Konrað kommen weitere interessante Details ans Licht, die zeigen, dass er nicht immer eine „weiße Weste“ trug und auch jetzt noch eine gewisse Skrupellosigkeit bei seinem Vorgehen an den Tag legt.

    Der Autor behält souverän den Überblick über die unterschiedlichen Perspektiven und Zeitebenen, den der Leser erst am Ende erlangt.

    Auch im vorliegenden Band wird wieder ein kritischer Blick auf die isländische Gesellschaft geworfen.

    Das schon im letzten Band „Wand des Schweigens“ angesprochene Thema des Kindesmissbrauchs wird erneut – diesmal in einem anderen Kontext – angesprochen, zusätzlich wird ein Einblick in die Situation Homosexueller in der isländischen Gesellschaft Mitte des 20. Jahrhunderts gegeben, die nicht weniger von Repressalien und Heimlichtuerei geprägt war als in Kontinentaleuropa.


    Fazit

    Ein sehr lesenswerter Krimi mit einem komplex verschachtelten Plot, dessen Lektüre Konzentration und idealerweise Vorkenntnisse der Reihe erfordert, dann aber fesselnde Unterhaltung bietet!

    8 Punkte

    ASIN/ISBN: 3785700482


    Edit: Link zu einem anderen Forum entfernt.

  • Danke für diese ebenso engagierte wie fundierte Rezension, €nigma.

    Arnaldur Indriðason ist in der Tat ein großer Könner seines (unseres) Fachs - und dabei einer der produktivsten Autoren von Spannungsliteratur der Gegenwart. Er hat mittlerweile an die dreißig Romane geschrieben, von denen ich bisher etwa zwanzig gelesen habe. Jeder davon war ein absolutes Lesevergnügen, was nicht zuletzt auch daran lag, dass bisher mit den verschiedenen Übersetzern ins Deutsche immer eine gute Wahl getroffen wurde. Indriðason hat ein feine, vielschichtige Sprache, bei der es auf die Wiedergabe der "leisen Töne" ankommt. Das ist bisher allen Übersetzern, die ich gelesen habe, gut gelungen.

    Ich freue mich schon darauf, diesen neuen Roman von ihm zu lesen.

  • Es handelt sich mittlerweile um Band 5, in welchem der pensionierte Kommissar Konráð im Mittelpunkt steht. Gleich vorneweg, es ist bei dieser Reihe eigentlich unumgänglich, die Bände in der richtigen Reihenfolge zu lesen.


    Eine Witwe gibt bei der Polizei eine Waffe ab, die sie nach dem Tod ihres Mannes in der Garage gefunden hat. Sie selbst wußte nichts von deren Existenz, aber Konráð will sie wieder erkannt haben. Er glaubt, daß sein Vater (ein Kleinkrimineller) ihm diese mit drei Patronen an seinem 9. Geburtstag gezeigt hat. Damit wird es für Konráð zu einem ganz persönlichen Fall und er begibt sich damit wieder auf die Spuren seines 1963 erschossenen Vaters. Es wird sehr interessant, weil Konráðs kurz vor seinem Tod Geld von einem Arzt erhalten hat. Marta und Oliver von der Spurensicherung ermitteln und stoßen ihrerseits auf einen alten Fall, bei dem ein Mann mit dieser Waffe erschossen wurde und außerdem gibt es eine Verbindung zu Fällen von Kindesmißbrauchs in Heimen.



    Mein Fazit nach dem Ende des Buches ist, daß man absolut konzentriert lesen muß. Einerseits um die Zeitsprünge richtig einordnen und verfolgen zu können und andererseits wegen der vielen isländischen Namen. Dadurch war es für mich etwas problematisch in einen richtigen Lesefluß zu kommen. Positiv sei erwähnt, daß der Autor die Übersicht behalten hat. Für den Leser dauert es bis zum Schluß bis die letzten Puzzlestückchen richtig einsortiert sind. Konráð gibt auch in Band 5 nicht auf, denn er will unbedingt mehr über seinen Vater, sein Leben und seinen Tod erfahren. Alle Charaktere sind detailliert und facettenreich beschrieben. Als Leser erfährt man einiges über den damaligen Umgang der Isländer mit Homosexuellen, der amerikanischen Militärbasis und leider auch von Kindesmißbrauch. Es war für mich ein spannender, bildhafter und auch düsterer Krimi, der aber vom Leser Durchhaltevermögen verlangt.