'Ansichten eines Clowns' - Kapitel 08 - 12

  • Der Katholikentag in Hannover war im August 1962. Je nach Geburtsmonat wurde Hans also 1935 oder 36 geboren.


    In den Kapiteln 10 (Telefongespräche) und vor allem 11 (Selbstgespräche) ging mir Hans gerade ein wenig auf den Geist. Einige lustige und schlagfertige Sätze fielen zwar, aber meist war er mir zu egozentrisch. Mit seinem Frauenbild ist er aber auch ganz Kind seiner Zeit. Marie hat ihn verlassen, aber er glaubt, die Bonner hätten sie entführt.


    Schön fand ich, dass auf Seite 77 in Kapitel 8 Hildesheim erwähnt wurde. :love: Das ist zwar auch eine Großstadt, aber keine Sau kennt die.

  • In den Kapiteln 10 (Telefongespräche) und vor allem 11 (Selbstgespräche) ging mir Hans gerade ein wenig auf den Geist. Einige lustige und schlagfertige Sätze fielen zwar, aber meist war er mir zu egozentrisch. Mit seinem Frauenbild ist er aber auch ganz Kind seiner Zeit. Marie hat ihn verlassen, aber er glaubt, die Bonner hätten sie entführt.

    Ja, Hans scheint mir auch sehr ich-bezogen zu sein. Und was du zu seinem Frauenbild schreibst, sehe ich auch so. Dazu kommt natürlich noch der Aspekt, dass man es als Verlassene/r besser verträgt, wenn der /die Partner/in nicht aus eigenem Antrieb ging, sondern von anderen dazu verführt wurde. Das sind wohl auch typische Selbstschutzmechanismen.

    Ich bin jetzt mit Kapitel 9 fertig. Dieser zweite Abschnitt ist aufgrund der ständig wechselnden Gesprächspartner, Rückblenden etwas anstrengender für mich, weil ich dauernd zurückschlagen muss, wer wer ist. Gut gefallen hat mir die Beschreibung des Gezischels in der Schlangengrube bei Kinkels in der Rückblende und wie der Sohn auf der Haupterzählebene genauso geworden ist, wozu so eine verlogene unterdrückende Erziehung dann hinführt, ein Freund der Demütigung.

  • Ich bin mit Kapitel 9 noch nicht ganz fertig, möchte aber etwas loswerden:

    Ich bin jedes Mal überrascht, wenn das Alter einer Figur genannt wird - sie kommen mir alle viel älter vor als sie sind.

    Marie ist erst 25 als sie Hans verlässt, Frau Fredebeul ist beim Telefonat mit Hans "kaum zweiundzwanzig" - dabei klingt sie wie mindestens fünfzig.

    Und Hans selbst ist für seine 27 Jahre sehr zynisch.

  • Dazu kommt natürlich noch der Aspekt, dass man es als Verlassene/r besser verträgt, wenn der /die Partner/in nicht aus eigenem Antrieb ging, sondern von anderen dazu verführt wurde. Das sind wohl auch typische Selbstschutzmechanismen.

    Die Bonner waren aber auch nicht ganz unbeteiligt. Sie waren ja in Hannover und haben mehrere Tage mit Marie gesprochen und sie wohl auch entsprechend bearbeitet. Marie war wohl durch ihre Fehlgeburt(en?) auch durcheinander und sie könnten ihr diese als Strafe Gottes genannt haben. Ihre Erlösung könnte dann kommen, wenn sie wieder den geordneten Weg zu Gott zurückfände. Ist nur eine Spekulation, halte ich aber für möglich.

  • Die Bonner waren aber auch nicht ganz unbeteiligt. Sie waren ja in Hannover und haben mehrere Tage mit Marie gesprochen und sie wohl auch entsprechend bearbeitet. Marie war wohl durch ihre Fehlgeburt(en?) auch durcheinander und sie könnten ihr diese als Strafe Gottes genannt haben. Ihre Erlösung könnte dann kommen, wenn sie wieder den geordneten Weg zu Gott zurückfände. Ist nur eine Spekulation, halte ich aber für möglich.

    Ich denke auch, dass sie ihren Teil dazu beigetragen haben, dass Marie Hans verlässt.

    Sie hatte gerade die zweite Fehlgeburt hinter sich und war sicher empfänglich für allerlei Argumente und Einflüsterungen.

  • Ich denke auch, dass sie ihren Teil dazu beigetragen haben, dass Marie Hans verlässt.

    Sie hatte gerade die zweite Fehlgeburt hinter sich und war sicher empfänglich für allerlei Argumente und Einflüsterungen.

    Auf mich wirkt es so, als ob Marie zu keiner Zeit wirklich sicher war, dass ihr Zusammenleben mit Hans für sie das "Richtige" war. Sie erschien mir von Anfang an verunsichert und seit sie mit Hans in Köln wohnt, entwurzelt.

  • Ich habe jetzt erst das 8. Kapitel gelesen. Mir sind aber ein paar Punkte aufgefallen, die ich nicht vergessen möchte. Deshalb poste ich erst mal meine Gedanken und lese eure erst, wenn ich den Abschnitt beendet habe.


    Mir ist aufgefallen, dass Hans den Menschen, mit denen er telefoniert, Gerüche zuordnet oder den Orten.

    Den Konvikt assoziiert er mit Kohl, in einem früheren Kapitel hat seine Mutter keinen Geruch. Ist sie deshalb für ihn eine "Unperson" bzw. so weit weg, dass er sie nicht mehr riechen kann?

    Ich hoffe, das Verhältnis zur Mutter wird noch vertieft. Das finde ich spannend.


    Dann war ich ziemlich geschockt, dass Marie eine Fehlgeburt erlitten hatte. Im ersten Abschnitt erschien mir Hans ziemlich gedankenlos und Ich-bezogen. Aber die Liebe zu Marie wirkt sehr echt. Auch wird in dem Kapitel ein entscheidender Knackpunkt thematisiert. Marie möchte gerne eine Ehe mit allen Papieren usw. inklusive dem Versprechen, das die Kinder katholisch erzogen werden. Dass sie das sogar schriftlich haben will, scheint mir sehr übertrieben. Hans versteht das zwar nicht, willigt aber ein, was Marie wiederum zornig macht. Erwartet sie, dass er sich ernsthaft missionieren lässt?

    Die Weltanschauungen der beiden driften doch sehr auseinander.


    Und was ist das für eine komische katholische Zusammenkunft, die immer wieder erwähnt wird, zu der auch Züpfner gehört?


    Auch Maries Abschiedsbrief ist ja echt kurz. Dafür, dass sie so viele Jahre miteinander verbracht haben und auch einiges zusammen durchgestanden haben.


    Ich lese aus dieser Nähe zu den Katholiken heraus, dass Maries Sehnsucht nach "geordneten" Verhältnissen groß ist. Vielleicht spielt auch Heimweh eine Rolle und ein Pflichtgefühl dem Vater gegenüber. Das wird sich vielleicht noch zeigen.


    Mit Bölls Schreibstil werde ich immer noch nicht ganz warm, aber ich finde das super super geeignet für eine Leserunde.

    Der Austausch mit euch macht mir Spaß!

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • inklusive dem Versprechen, das die Kinder katholisch erzogen werden. Dass sie das sogar schriftlich haben will, scheint mir sehr übertrieben.

    Ich glaube, dass das Versprechen auch schriftlich notwendig ist, um kirchlich-katholisch heiraten zu können. Hans ist protestantisch. Ähnlich scheint es sogar noch heute zu gelten:

    Zitat

    "Die Voraussetzung für die Erlaubnis einer konfessionsverschiedenen Ehe ist, dass der katholische Partner verspricht, sich nach Kräften darum zu bemühen, dass seine Kinder katholisch erzogen werden, soweit das in seiner Ehe möglich ist."

    Quelle

  • Hans beginnt, mir deutlich auf die Nerven zu gehen:


    Im Kapitel 10, ziemlich am Anfang, meine dtv-Ausgabe Seite 105, es geht um Wildwest-Filme:

    "Da tanzen in irgendwelchem Wildwest-Tingeltangel Blondinen Cancan, rauhe Cowboys, Goldgräber oder Trapper, die zwei Jahre lang in der Einsamkeit hinter Stinktieren her gewesen sind, schauen den hübschen Blondinen beim Cancantanzen zu, aber wenn diese Cowboys, Goldgräber, Trapper dann hinter den Mädchen hergehen und mit auf deren Zimmer wollen, kriegen sie meistens die Tür vor der Nase zugeknallt, (...)

    Unbarmherzigkeit, wo Barmherzigkeit das einzig Menschliche wäre."

    und etwas später:

    "... nur aus Barmherzigkeit mit der männlichen Natur."


    :/ Ernsthaft?

  • Mich nervt in Kapitel 8 als erstes diese Verallgemeinerung: "Katholiken haben nicht den geringsten Sinn für Details" !

    Hans hat schon eine sehr beschränkte Weltsicht. Liegt es daran, dass er sich einer ordentlichen Bildung verweigert hat (aus Trotz gegen die Gesellschaft) ?

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


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  • Mich nervt in Kapitel 8 als erstes diese Verallgemeinerung: "Katholiken haben nicht den geringsten Sinn für Details" !

    Hans hat schon eine sehr beschränkte Weltsicht. Liegt es daran, dass er sich einer ordentlichen Bildung verweigert hat (aus Trotz gegen die Gesellschaft) ?

    Ich glaube, dass Böll sowieso, der Erzähler vielleicht auch, nicht den Katholizismus an sich meint, sondern diese bigotte Form, die religiöse Konventionen manchmal annehmen und in den Fünfziger/Sechzigern im Rheinland bestimmt oft noch hatten. Dafür steht wohl auch dieser Kreis, zu dem Marie gehört.

  • Ja, irgendwie muss das symbolisch gemeint sein, denn kurz darauf meint er, dass es für ihn nur vier Katholiken gibt, davon seien der Papst und ausgerechnet Alec Guinness welche! :hmm


    :


    Was mich an die noch immer gern gestellte, rhetorische Frage erinnert: "Ist der Papst katholisch?" :chen

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  • Das mit den Gerüchen finde ich auch sehr interessant.


    Maries Missionsanliegen an Hans finde ich auch sehr fragwürdig, aber ich denke, dass sie das für sich tut, nicht für ihn. Sie fühlt sich in Sünde und will heil werden, rein.

    Ich glaube, dass das Versprechen auch schriftlich notwendig ist, um kirchlich-katholisch heiraten zu können. Hans ist protestantisch. Ähnlich scheint es sogar noch heute zu gelten:

    Quelle

    Ich glaube, das Regenfisch nicht das Schriftstück meinte, das die katholische Kirche von Hans fordern würde, sondern dass sie selbst von Hans diese Einwilligung fordert.

  • Marie hat drei Tage katholischen Kirchentag hinter sich, bei dem sie nicht nur von ihrem heimatlichen Freundeskreis sondern wahrscheinlich auch von den verschiedenen Veranstaltungen und öffentlichen Diskussionen in Hinsicht auf sittliches Verhalten und katholische Werte beeinflusst worden ist.

    Ihr Versuch, Hans in eine anerkannte Ehe zu bewegen, macht deutlich, dass sie so wie die letzten sechs Jahre nicht weiter mit ihm leben will bzw. kann.

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  • Wie kommt Ihr mit dem Begriff "Clown" zurecht?

    Für mich gibt es eigentlich nur den im Zirkus, der bis zur Unkenntlichkeit verkleidet ziemlich alberne Späße macht, um hauptsächlich die Kinder zu belustigen. Dann gab es meist in der Schule den einen oder anderen Pausen-Clown, der um Aufmerksamkeit heischend den Unterricht gestört hat. Und dann vielleicht noch den Horror-Clown aus diversen amerikanischen Filmen oder Serien.


    Hans scheint sehr zu unterscheiden, ob er Pantomime oder Faxen macht. Die geplanten Lieder zur Guitarre wären wohl artfremd für diese Art der Aufführung.

    Anscheinend tritt er immer mit weiß geschminktem Gesicht auf, aber ansonsten ohne viel Requisiten. Dabei reist er mit fünf Koffern von einem Auftragsort zum anderen.

    So eine Gummimatte zum Training brauchte damals wahrscheinlich mehr Platz als heutzutage die Fitness-Matten.


    Karrikaturen macht er wohl nicht gern - also kaum politische Comedy, wie das heute bei Kabaretts üblich ist.


    Bisher hat er nichts über eine Ausbildung oder Werdegang erzählt. Irgendwie muss er doch an seinen Manager gekommen sein, der seine Auftritte plant und anscheinend recht gut damit verdient hat. Dieser Zohnerer sagt ihm, er solle ein halbes oder ganzes Jahr pausieren und geht einfach davon aus, dass Hans von seinem Vater Geld zum Leben bekommt. Er verbietet ihm auf eigene Tour etwas zu versuchen.

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  • Ich glaube nicht, dass er überhaupt eine Ausbildung hat. Ich meine mich zu erinnern, dass das irgendwo stand.


    Clowns finde ich gruselig, zumal sich Hans ja auch dazu schminkt und so. Mit seiner Bezeichnung als Clown habe ich aber kein Problem, da er sich auch selbst so nennt.

    Den Begriff Comedian gab es damals wohl eher noch nicht.

  • Ich glaube, das Regenfisch nicht das Schriftstück meinte, das die katholische Kirche von Hans fordern würde, sondern dass sie selbst von Hans diese Einwilligung fordert.

    Genau, das meinte ich. Nicht ein offizielles Schreiben, sondern die Vereinbarung zwischen Hans und Marie.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Hans hat irgendwann mit fünfzehn angefangen, zuhause zu üben. Und dann hat er einfach Talent, warum und woher auch immer. Das ist für die ganze Geschichte aber auch aus meiner Sicht egal.


    Es geht Böll wohl weniger darum, eine nette, stimmige Geschichte aufzuschreiben, sondern es ist heftige Kritik an der damaligen Gesellschaft und somit steht mehr zwischen den Zeilen als in den direkten Worten.