'Ansichten eines Clowns' - Kapitel 13 - 16

  • Warum darf man einem einjährigen Kind kein rohes Ei geben? :gruebel

    Darüber bin ich auch gestolpert. Ich habe diese Stelle zweimal gelesen, aber nirgends wurde erwähnt, ob eine Unverträglichkeit vorliegt oder ob es dem Kind danach schlecht ging. Warum die Eltern so ausrasten, ist mir unerklärlich.

  • Darüber bin ich auch gestolpert. Ich habe diese Stelle zweimal gelesen, aber nirgends wurde erwähnt, ob eine Unverträglichkeit vorliegt oder ob es dem Kind danach schlecht ging. Warum die Eltern so ausrasten, ist mir unerklärlich.

    Im Internet habe ich inzwischen nur gefunden, dass man Säuglingen keine rohen Eier füttern soll, weil sie Salmonellen haben könnten und Babys noch kein ausreichendes Immunsystem haben, um eine Infektion damit zu bewältigen. Keine Ahnung, ob das 1962 schon so allgemein bekannt war.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Andreas Eschbach: Freiheitsgeld

  • Im Internet habe ich inzwischen nur gefunden, dass man Säuglingen keine rohen Eier füttern soll, weil sie Salmonellen haben könnten und Babys noch kein ausreichendes Immunsystem haben, um eine Infektion damit zu bewältigen. Keine Ahnung, ob das 1962 schon so allgemein bekannt war.

    Oder andersrum: Aufgrund der mangelhaften Kühlungsmöglichkeiten für Eier war es 1962 allgemein bekannt - heute dagegen nicht mehr. ;)

  • Da ihm nun Marie genommen ist, schlägt er metaphorisch gesehen um sich, um seine eigene Haltlosigkeit zu überspielen.

    Sehr treffend formuliert. Ich hoffe, dass für ihn irgendwann nach der Leere das Bewusstsein wächst, sich selbst zu finden. Ich habe nämlich das Gefühl, dass er stark auf der Suche ist.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Bezeichnend ist aber wieder die Gefühlskälte oder -verirrung, wenn er Leos Konversion zum Katholizismus fast genauso schlimm findet wie Henriettes Tod. Und die Mutter ihren Sohn später mit den Worten Arthur Schnitzlers verstößt. So eine Art von Eltern-Kind-Beziehung kommt vielleicht auch heute noch vor, ist aber schon ein Schreckgespenst einer massiv konventionsgebundenen Gesellschaft, die das gesellschaftliche Ansehen innerhalb der sozialen Gruppe über sogar die engsten familiären Bindungen stellt.

    Das Gespräch zwischen Vater und Sohn fand ich auch sehr erhellend und hat mich wieder in das Buch reingezogen. Ich finde es sehr gut, dass Böll die Zerrissenheit und auch die scheinbar unüberbrückbare Kluft zwischen Hans und seinen Eltern thematisiert. Das ist ein wichtiges Thema, auch in unserer Familie.

    Und leider im Laufe der Weltereignisse immer wieder aktuell.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • So, wie ich es gelesen habe, ist Henriette von ihrer eigenen Mutter an die "Front" geschickt worden, um "die heilige deutsche Erde zu verteidigen" (Kap. 4), und zwar als völlig klar war, dass der Krieg verloren war. Also, unbeeinflussbares Schicksal würde ich das nicht nennen. Zu Beginn des Kapitels heißt es zwar, dass Henriette sich selbst meldete, aber aus dem Gespräch später am Esstisch wird klar, dass die Mutter sie darin zumindest massiv unterstützte. Dass Henriette Nazi war, habe ich so im Buch nicht mitbekommen. Sie hatte doch auch so einen anarchischen Zug, vergaß plötzlich um sich Zeit und Raum, das passt eher nicht zu einer strammen Parteisoldatin. Dass sie auch unter einem schulischen sozialen Druck stand, unbenommen, aber ohne Einwilligung der Eltern mit sechzehn ... ?

    Das sehe ich auch so. Henriette habe ich auch als träumerischen Freigeist empfunden. Auf Drängen der Mutter hat sie sich zu Flak gemeldet, ohne wahrscheinlich die Tragweite zu begreifen. Ebenso hat der Junge auch die Granate gezündet, auch auf Geheiß der Eltern. Die beiden getöteten Kinder stehen sicherlich als Symbole für die vielen, vielen Kinder, die für Führer und Vaterland geopfert wurden.

    Erschreckend, dass es die Eltern so kalt lässt, oder sie ihren Schmerz nicht zugeben können.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Warum darf man einem einjährigen Kind kein rohes Ei geben? :gruebel

    Wegen der Salmonellengefahr! Unsere Tochter hatte als Einjährige eine Salmonellenerkrankung, weil meine Mutter ihr heimlich eine Speise mit rohem Ei gegeben hat. Das war kein Spaß und ging haarscharf gut.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Wegen der Salmonellengefahr! Unsere Tochter hatte als Einjährige eine Salmonellenerkrankung, weil meine Mutter ihr heimlich eine Speise mit rohem Ei gegeben hat. Das war kein Spaß und ging haarscharf gut.

    Danke für Deine Erklärung! Das schien damals schon ziemlich bekannt zu sein.

    Aber Hans macht eh immer, was ihm richtig erscheint. Später plant er mit Marie die Ernährung seiner eigenen Kinder und betont dabei, dass sie von ihm immer Eier bekommen würden :/ Ist dann vielleicht ein Hinweis auf seine Rechthaberei oder sein niedriges Bildungsniveau.

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    :lesend Andreas Eschbach: Freiheitsgeld

  • Unabhängig davon, wie bekannt oder nicht bekannt die Gefahr durch Salmonellen damals war, mich ärgert die Eigenmächtigkeit, mit der Hans so etwas an den Eltern vorbei entscheidet, und die absolut fehlende Einsicht, dass sowas nicht geht. Er sieht es ja noch immer als "dummen Grund". Und am meisten regt er sich über das unpassende Schimpfwort auf - wie egozentrisch kann man eigentlich sein?


    Böll schafft es hervorragend, dass Hans mir von Kapitel zu Kapitel unsympathischer wird.

  • Böll schafft es hervorragend, dass Hans mir von Kapitel zu Kapitel unsympathischer wird.

    :lache Das ist doch was! Ich hätte ihn manchmal schütteln oder in den ... treten können. Teilweise konnte ich ihn aber auch verstehen.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ja, schütteln oder treten wäre eine Idee.


    Ich kann verstehen, was dazu beigetragen hat, dass er so ist. Nicht verstehen kann ich dagegen, dass er nichts dagegen tut.

  • Ich frage mich mehr, was Böll mit diesem Eierzeug andeuten wollte?

    Ich denke, er beleuchtet damit die Eigenmächtigkeit, mit der Hans seine Entscheidungen trifft, und die Unfähigkeit (oder Unwilligkeit?), seine Fehler zu sehen.

  • Das ist doch was klassische Bildung angeht eher recht hoch.

    Wie kommst Du darauf?

    Ich habe es so verstanden, dass er bis zum Ende seiner Pflichtschulzeit in dem katholischen Internat herumtrödelt ohne sein Abitur zu schaffen. Seine Kenntnisse reichen zwar, um seinem jüngeren Bruder bei den Hausaufgaben zu helfen, aber ein Studium hat er auch nicht begonnen - oder sonst irgendeine Ausbildung.

    Einige Bücher hat er wohl gelesen, aber seine Allgemeinbildung kommt mir eher dürftig vor.

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    :lesend Andreas Eschbach: Freiheitsgeld

  • Ich denke, er beleuchtet damit die Eigenmächtigkeit, mit der Hans seine Entscheidungen trifft, und die Unfähigkeit (oder Unwilligkeit?), seine Fehler zu sehen.

    So sehe ich ihn auch.

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    :lesend Andreas Eschbach: Freiheitsgeld

  • Ich glaube nicht, dass Böll nur eine tragisch-komische Geschichte von Hans und Marie erzählen wollte. Mich interessiert eher das Motiv dahinter.

    Das Grundmotiv sehe ich in der Kritik an der Wirtschaftswundergesellschaft und der Doppelmoral der Leute, die stolz ihre katholische Religion präsentieren. Was sie vor zwanzig Jahren im Dritten Reich gesagt oder getan haben, soll unter den Teppich gekehrt werden und von Künstlern dieser Staub nicht aufgewirbelt werden.

    Es gibt eine allseits anerkannte Moral, die sich an den alten christlichen Werten orientiert, und wer sich nicht daran hält und wie Hans eigene Richtlinien setzen will, fällt aus der Gunst der Gemeinschaft.

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    :lesend Andreas Eschbach: Freiheitsgeld