Josephine W. Johnson, Die Novemberschwestern

  • Zur Autorin:


    Josephine W. Johnson (1910–1990) erhielt für ihren Debütroman »Die November-Schwestern« mit 24 Jahren den Pulitzer-Preis und war die bis dahin jüngste Preisträgerin der prestigereichen Auszeichnung. Sie studierte an der Washington University und schrieb insgesamt elf Bücher, darunter den Bestseller „The Inland Island“ (1969). Aus heutiger Sicht kann sie als Feministin und Umweltschützerin gelten, die geprägt war durch eine Welt der Ungleichheit und Ausbeutung, auf die sie uns mit ihren Werken aufmerksam macht.


    Klappentext:


    Die Anstellung eines jungen Mannes auf der elterlichen Farm bringt das Leben der drei Haldmarne-Schwestern durcheinander, das im fragilen Gleichgewicht der Jahreszeiten verläuft. Als dann der Regen ausbleibt und damit die Ernte im Herbst, wird der November zu einem Ende und zugleich zu einem Anfang. Nicht nur Margets Blick auf die älteste Schwester Kerrin verändert sich grundlegend, nachhaltig verändert ist ihr Blick auf das eigene Leben und die Chancen, die es zu ergreifen gilt.

    Mit gerade einmal 24 Jahren erhielt Josephine Johnson für ihren Debütroman »Die November-Schwestern« den Pulitzer-Preis. Aktuell wird sie international neu entdeckt – dank ihres einzigartigen Sounds und der Themen, mit denen sie ihrer Zeit weit voraus war.


    Mein Lese-Eindruck:


    Josephine Johnson versetzt uns in ihre Zeit und in ihr Land: in das Amerika der 30er Jahre, das durch die Große Depression gebeutelt wird. Ihr erster Satz „Jetzt im November sehe ich unsere Jahre im Ganzen. “ zeigt nicht nur das Erzählen aus dem Rückblick, sondern vor allem schon die elegische Grundstimmung, die über dem ganzen Roman liegt.


    Im Mittelpunkt steht die Familie Haldmarne: Vater, Mutter, drei Töchter, wobei die mittlere die Ich-Erzählerin ist. Der Vater hat seine Arbeitsstelle und sein Geld verloren und versucht nun, als mittelloser Farmer auf einer vernachlässigten Farm über die Runden zu kommen. Er ist glücklos und oft verzweifelt und dem ständigen Kampf gegen die Tücken des Wetters kaum gewachsen. Die Angst vor dem drohenden Bankrott, die Abhängigkeit von den Marktbedingungen und die Aussichtslosigkeit seiner Lage machen ihn zu einem launischen und mürrischen Menschen.


    Darunter leidet vor allem die ältere Tochter Kerrin. Im Unterschied zu ihren Schwestern entzieht sie sich immer wieder der harten Arbeit auf der Farm und auch dem familiären Miteinander. Sie macht ihren glücklosen Vater für die Situation der Familie und vor allem für den Verlust ihrer Zukunftsträume verantwortlich, aber sie findet keine Möglichkeit, ihre Situation zu ändern. Die Anstellung eines Knechts wirkt in dieser gespannten Situation wie ein Katalysator, der unterdrückte Aggressionen freisetzt.


    Der Blick der jungen Autorin auf ihre Zeit und die aktuellen Lebensbedingungen ist erstaunlich scharf, trotz ihrer Jugend. Sie schlägt deutliche sozialkritische Töne an, wenn sie zeigt, wie die wirtschaftlichen Bedingungen die Entfaltungsmöglichkeiten eines jungen Menschen verhindern und was der ständige Kampf ums Überleben mit dem inneren Gefüge einer Familie macht.

    Dazu kommt, dass die Familie Haldmarne kein Einzelfall ist. Auch ihre Nachbarn befinden sich in einer ähnlichen Situation.

    Die Lage verschärft sich durch Steuerforderungen, für deren Begleichung die Familie den halben Rinderbestand verkaufen muss und damit weiter in eine Armut rutscht, aus der sie sich kaum mehr selber befreien kann. Die Nachbarn versuchen sich gegenseitig zu helfen, aber ihre Mittel sind beschränkt und wirken nur kurzfristig. Eine grundlegende Hilfe ist nicht in Sicht, im Gegenteil: der Kapitalismus blüht, indem die Landbesitzer immer reicher werden und ihre Pächter ums Überleben kämpfen müssen. Mit eindringlichen Bildern vermittelt Johnson ihrem Leser einerseits die Schönheit der Natur, aber andererseits vor allem die Not der Zeit, die Ausweglosigkeit der Lage, das entbehrungsreiche Leben und den Fatalismus ihrer Zeitgenossen.


    Passend zum bäuerlichen Leben organisiert Johnson ihren Roman wie den Kreislauf eines Bauernjahres: ein schöner Kunstgriff!


    Im Unterschied zu ihren eher wortkargen Figuren kann sie erzählen und Emotionen vermitteln, sie kann wortgewaltig dramatische Naturereignisse wie Dürre, Sturm und Feuer beschreiben, und so spricht der Roman über die fast hundert Jahre hinweg seine Leser eindringlich und unvermittelt an.


    Fazit: ein lesenswerter Roman, traurig und aufrüttelnd, aber schön.

    10/10 Pkt.


    ASIN/ISBN: 9783404161218