Baumgartner – Paul Auster

  • Rowohlt, 2023

    208 Seiten

    Aus dem Englischen von Werner Schmitz


    Kurzbeschreibung:

    Professor Seymour T. Baumgartner, unter Freunden Sy, ist ein über siebzigjähriger emeritierter Phänomenologe aus Princeton, der sich dem Schreiben philosophischer Bücher und, zunehmend, seinen Jugendreminiszenzen widmet: seiner kleinbürgerlichen Herkunft aus Newark; der schwierigen Ehe der Eltern, dem Collegebesuch und einem Studienaufenthalt in Paris; schließlich der wie ein Blitz einschlagenden Liebe zur Übersetzerin und Dichterin Anna, mit der er die glücklichsten Jahre verbrachte, bevor sie vor zehn Jahren einem Badeunfall zum Opfer fiel.

    Annas Tod hat ein tiefes Loch in seinem Leben hinterlassen, das aller Pragmatismus, alle Selbstironie nicht füllen kann. Denn Anna war wirklich das, was man seine bessere Hälfte nennt. Eines Tages, um sich zu trösten, wagt Sy sich endlich in ihr Arbeitszimmer, das er seit ihrem Tod nicht betreten hat.


    Über den Autor:

    Paul Auster wurde 1947 in Newark, New Jersey, geboren. Er studierte Anglistik und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Columbia University und verbrachte nach dem Studium einige Jahre in Frankreich. International bekannt wurde er mit seinen Romanen Im Land der letzten Dinge und der New-York-Trilogie. Sein umfangreiches, vielfach preisgekröntes Werk umfasst neben zahlreichen Romanen auch Essays und Gedichte sowie Übersetzungen zeitgenössischer Lyrik.


    Über den Übersetzer:

    Werner Schmitz ist seit 1981 als Übersetzer tätig, u. a. von Malcolm Lowry, John le Carré, Ernest Hemingway, Philip Roth und Paul Auster. 2011 erhielt er den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis. Er lebt in der Lüneburger Heide.


    Mein Eindruck:

    Paul Auster tut es dem großen Philip Roth gleich und beginnt sein Alterswerk mit einem eher kurzen Roman.

    Ich muss wohl nicht betonen, dass Alterswerk für mich kein abwertender Begriff ist.

    Und trotz nur 208 Seiten steckt viel im Buch drin.


    Der 70jährige S.T.Baumgartner ist ein Professor im Ruhestand in Princton und Witwer.

    Von 2018 bis 2020 wird sein Leben und seine Erinnerungen gezeigt und man ist dicht an der Figur dran.

    Schon das erste Kapitel ist umwerfend. Danach wird es etwas ruhiger.

    Die Erinnerungen beschäftigen sich überwiegend mit der verstorbenen Frau Anna, wie sie sich kennen lernten, der Unfalltod vor 10 Jahren und Baumgartners Beschäftigung mit ihrem literarischen Nachlaß.

    Texte von Anna werden eingeschoben und so entsteht gleichzeitig ein großartiges Porträt einer selbstbewussten Frau.


    Baumgartner ist ein Buch voller Emotionen, mit Melancholie und auch mit Witz.



    ASIN/ISBN: 3498003933

  • Am Ende (wird’s ein bisschen langweilig)


    viersterne.gif


    Ich gehöre ja eher der Hustvedt-Fraktion an, wenn es um das Ehepaar Auster-Hustvedt geht (und man im Gespräch zu einer Entscheidung genötigt wird, was, zugegeben, nicht eben oft passiert), aber ich schätze Paul Auster als großen, originellen, klugen Erzähler, als Konstrukteur verschachtelter, zuweilen wie rekursiv erscheinender Satzbauten, die trotzdem schlüssig enden, ich schätze ihn als Chronisten und als Autobiografen. Mein Lieblingstext von ihm ist „Im Land der letzten Dinge“.


    „Baumgartner“ nun ist quasi der Gegenentwurf zu Austers letztem Roman, der als Opus Magnum gefeiert wurde (und bei mir eher durchfiel), also zu „4 3 2 1“ (2017), dieser mehrfach erzählten Geschichte um das Einwandererkind Archie Fergusson, dessen Leben ab einer bestimmten Stelle in vier unterschiedlichen Varianten fortgesponnen wird. In „Baumgartner“ gibt es längst nicht mehr so viele Optionen, denn der Roman erzählt vom Ende, zumindest vom beginnenden Ende. Seine Hauptfigur, Seymour Baumgartner, ist Anfang siebzig. Vor knapp zehn Jahren ist seine Frau Anna gestorben, womit nicht nur ein Mensch, sondern ein Teil von Baumgartner gegangen ist, also ein Verlust entstand, der eine große, bleibende Lücke und langen, langen Schmerz hinterlassen hat. Jetzt, fast zehn Jahre nach ihrem Tod, trennt sich Baumgartner vom letzten Stück aus der gemeinsamen Anfangszeit, von einem alten, verbeulten Aluminiumkochtopf, den er (vermeintlich versehentlich, aber – wer weiß?) auf dem Herd verbrennen lässt. Dieses Ereignis hat ein paar Folgen, und unter anderem löst es aus, dass sich Baumgartner wieder stärker seinem eigenen Leben zuwendet.


    In Rückblenden wird dann von dem Beginn dieses Lebens, vom Erwachsenwerden, von der Selbstfindung und von jenem singularen Zusammentreffen erzählt, das Sy Baumgartner und Anna Blume zum Paar machte, den Phänomenologen, der in Princeton doziert, und die Lektorin und Dichterin, der der Erfolg anderer immer wichtiger war als der eigene. Und die sich durchzusetzen wusste, zuletzt auch gegen Baumgartners Empfehlung, nicht noch einmal ins Meer zu gehen, weil die abendliche Brandung schon zu stark wäre. Wir lesen aber nicht nur über Anna, sondern auch von ihr, weil der wohltuend kurze Roman einige Textproben enthält, auch von Baumgartner selbst.


    Dieses Buch ist im besten Sinne ein Eintopf, der aus autobiografischen Elementen und einiger Fiktion gekocht wurde (wofür derzeit der Begriff „Autofiktion“ trendet), und es ist überwiegend durchaus einem Vergnügen ähnlich, es zu lesen. Andererseits gibt es nicht viel mehr als diese Erzählung vom älter werdenden Mann, der zunehmend mit Vergesslichkeit zu kämpfen hat, der zunehmend in der Vergangenheit zu leben scheint und in ihr nach den Wurzeln der eigenen Zukunft sucht, der aber auch noch eine Menge Energie und einiges zu sagen hat, der nicht nur rückwärtsgewandt agiert, und sich mit dem fraglos drohenden Ende konfrontiert sieht. Leider ist nicht immer schlüssig, warum Auster was erzählt, und der episodische Aufbau der Geschichte, die sich oft wie ein Nachruf liest, enthält viele Abschnitte, die „Seht her!“ zu rufen scheinen, die politische Statements, Verweise auf die eigene Kunstfertigkeit und Originalität, den erfolgreichen Weg aus der schwierigen Herkunft und die reiche kulturelle Bildung enthalten, und die dabei hin und wieder milde arrogant wirken. Am Ende verliert sich die Geschichte, holt immer häufiger ihre Motivation aus dem Nichts, und sie wird dabei leider langweiliger – auf gute Art zwar, wenn das geht, doch das ändert wenig daran, dass gegen Schluss eine gewisse Hohlheit und Beliebigkeit einsetzen.


    Hustvedts „Damals“ liegt noch im Regal und ist jetzt bald dran. Ich bin jetzt schon sicher, dass das ein guter Ausgleich sein wird.

  • Titel: Baumgartner

    Autor: Paul Auster

    Verlag: Rowohlt

    Erschienen: November 2023


    Das sagt der Klappentext:

    Professor Seymour T. Baumgartner, unter Freunden Sy, ist ein über siebzigjähriger emeritierter Phänomenologe aus Princeton, der sich dem Schreiben philosophischer Bücher und, zunehmend, seinen Jugendreminiszenzen widmet: seiner kleinbürgerlichen Herkunft aus Newark; der schwierigen Ehe der Eltern, dem Collegebesuch und einem Studienaufenthalt in Paris; schließlich der wie ein Blitz einschlagenden Liebe zur Übersetzerin und Dichterin Anna, mit der er die glücklichsten Jahre verbrachte, bevor sie vor zehn Jahren einem Badeunfall zum Opfer fiel.


    Meine Leseeindrücke:

    Ein großartiger Roman. Eines der besten Bücher die ich in der letzten Zeit gelesen habe. Ein Roman der mich mehr als beeindruckt. Mag vielleicht auch daran liegen, das der Protagonist und ich im selben Alter sind. Alter bedeutet eben auch, das die Sicht auf die Dinge sind wandeln kann.

    Dieser Roman hat mich emotional sehr berührt, denn gerade auch das Alter lässt mich die Sachen anders sehen als in meiner Jugend. Und Paul Auster schafft es mehr als großartig dieses Gefühl des Sehens im Alter unglaublich gut zu beschreiben. Man fühlt einfach mit der Hauptfigur dieses Romans.

    Der Blick auf die Vergangenheit mag manchmal verschwommen sein – aber immer öfter ist er dagegen klar und unbestechlich.

    Ein mehr als lesenswerter Roman. Ein echtes Meisterwerk der zeitgenössischen Literatur. Bis dato mein Jahreshighlight.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.