Johan Huizinga - Herbst des Mittelalters

  • Johan Huizinga - Herbst des Mittelalters


    ASIN/ISBN: 3770562429



    Ich möchte hier in meinen Versuchen, eine Lanze für das Mittelalter zu brechen, um in einer angemessenen Diktion zu bleiben, fortfahren, mit einem ganz ungewöhnlichen Autor:

    Johan Huizinga griff zu einer bislang unter Mediävisten ungewöhnlichen, ja verpönten Methode, nämlich einer ganzheitlichen.

    Die Epoche im Ganzen erfassen unter dem Begriff der Suche nach "dem Schönen", ein ästhetischer Ansatz also.


    Die Spannung des Daseins,das kontrastreiche Leben des mittelalterlichen Menschen zwischen dörflicher Gemeinschaft, aufblühenden Städten und den Fürstenhöfen.


    Das gesamte Kulturelle einer Epoche, fokussiert auf den glänzenden, märchenhaft erscheinenden Hof von Burgund unter Karl dem Kühnen, vielleicht der Höhepunkt der Epoche, aber zugleich auch das Fanal zu ihrem Untergang.

    Der End und Wendepunkt, der des Jedermann Hofmannsthals, inmitten des Lebens sind wir vom Tod umfangen, hier Blüte und Tod des Mittelalters.


    Schier unendlich scheinen Huizingas Quellen, die er selbst erschlossen hat, ein permanentes Fest der Zitate und Anekdoten, der Reminiszenzen und Analysen, abwechselnd mit genussvollem Schwelgen in Gold und Purpur.


    Die Stilisierung und Idealisierung der Liebe im Hofleben, die Frömmigkeit im einfachen Dasein, der Glaube an Ruhm und Auftrag Gottes, das letztlich alles übewuchernde Dekor, die ganze Emphase der eigenen, verblüffenden Epoche, alldas ist eingefangen in diesem wahrhaft opulenten Buch dieses Niederländischen Autors.


    "Die Kunst hatte die Aufgabe, die Formen, in denen sich das Leben vollzieht, mit Schönheit zu schmücken."

    Wie anders erscheint dieser Kunstbegriff als unser heutiger.


    In einer Zeit voller Wirren, Kampf und Kriegen, Grausamkeit und Elend, vollzieht sich hier die Sehnsucht nach dem Schönen, die ihrer Sendung entkleidet, schließlich in Prunksucht erstirbt.

    Eben der Herbst des Mittelalters, die Blätter fallen.

    Ganz langsam wächst der aufkommende Humanismus im Garten mittelalterlichen Denkens hervor.


    Ein unerhört subtiles und doch pralles Buch, ein schwelgerisches Fest und ein kultureller Meilenstein der Mediävistik.

  • Vielen Dank, Lupus , für die schöne Rezension. Da hast du einen Klassiker der Literaturwissenschaft /Mediävistik sehr schön aus der Versenkung geholt und mich daran erinnert, dass ich den schon immer mal lesen wollte.

    finsbury ,das wirst Du sicher nicht bereuen, ist zwar nicht mehr das jüngste Buch, aber es hat mich damals für das MA begeistert und tut das auch heute noch, beim wiederlesen.

    Viel Spaß Dir dabei!