Thommie Bayer: Singvogel

  • Thommie Bayer: Singvogel. Piper, 2005. 16,90 Euro.


    Zum Inhalt:


    Christian Uhlig ist Drehbuchautor und hat gerade seinen 50. Geburtstag hinter sich gebracht. Wie die 4 (erste Stelle der zweistelligen Zahl, die sein Alter angibt) haben sich auch Tatkraft und Idealismus verabschiedet.
    Sein Leben wie seine, seit 23 Jahren andauernde, Ehe verlaufen in geregelten Bahnen. Der Alltag hält keine Überraschungen mehr bereit.
    Da erhält Uhlig eines Tages Fanpost von einer jungen Frau, die ihm ihre Begeisterung und Bewunderung für ein von ihm verfasstes Drehbuch eines Fernsehfilms ausspricht.


    Klappentext:


    Man kann auch verlieren, was man nie besaß.


    Was sucht eine junge Frau bei einem älteren Mann? Vaterersatz?
    Und was kann sie finden, wenn er sich von ihrem Charme faszinieren lässt?
    Freundschaft? Eine Affäre? Liebe?
    Wer jemals den Fehler gemacht hat, die Liebe für ein Spiel zu halten, wird in diesem Roman eines Besseren belehrt.
    Aus dem Spiel wird Ernst. Liebe ändert alles.


    Meine (unbescheidene) Meinung:


    Schnörkellose, unverkitschte Variation eines großen Werkes der deutschsprachigen Literatur (wer drauf kommt, welches gemeint ist, gewinnt eine Waschmaschine - nur solange der Vorrat reicht!).
    Absolut lesenswert!

  • Thommie! Welch ein Vorname. Bisher war ich an den Büchern dieses Autors immer vorbeigegangen, es war ganz einfach undenkbar, von einem Autor mit einem solchen Vornamen Lesenswertes zu erwarten. Hoch lebe das Vorurteil! Ich mag nun mal keine Verniedlichung und Verballhornung von Namen. Erinnert mich doch „Thommie“ immer an den Thomas aus meiner ehemaligen Unterprima, ein Schleimer allererster Güte, der uns anderen immer die Mädchen ausspannte, der sich auch Thommy nennen ließ.
    Und dann habe ich mir einen Ruck gegeben und mir den „Singvogel“ gekauft. Ich hätte Prügel verdient gehabt, wenn ich es nicht getan hätte. Es ist ein wunderbares Buch. Bayer schildert realistisch von der ersten schüchternen Annäherung durch Emails, vom langsamen Steigern erotischer Gefühle durch eben diese Emails, von der immer größer werdenden Offenheit, die sich anfangs noch hinter der Anonymität des Internets versteckt hält, aber durchaus bereit ist, sich auch real in Szene zu setzen. Thommie Bayer hat es geschafft, seinen handelnden Personen zutiefst menschliche Züge zu verleihen, es sind Menschen, die man so zu jeder Zeit überall treffen kann.
    Bayer hat eine Geschichte geschrieben, die so jeden Tag passieren kann, die vielleicht auch schon unzählige Male so passiert ist. Was gibt es Aufregenderes als das reale Leben?
    Leider fällt der Schluss dieses Buches ein wenig ab. Thommie Bayer versucht einen eindrucksvollen Schlusspunkt zu setzen, übernimmt sich dabei aber etwas. Weniger wäre hier mehr gewesen, es wirkt dann doch etwas zu konstruiert. In seiner Gesamtsumme aber ist dieses Buch sehr lesenswert, wunderbar geeignet für einen verregneten Nachmittag im Lesesessel.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Sicher auch wunderbar geeignet für einen gemütlichen Abend auf der Couch. Ich freu mich schon auf den Singvogel! :-]


    edit: Nach ein paar Zeilen bin ich schon begeistert, ein ganz feines Büchlein!

    so many books...so little time



    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Eli ()

  • Danke für den Tipp, Eli. Ich werde es anlesen, sobald ich es entdecke.


    @ Voltaire: Thommie - nix für mich, erinnert mich an Tommi Piper, der den Alf spricht. (auch wenn er anders geschireben wird) :lache

  • vielleicht besorg ich mir das gelegentlich. Hab von thommie Bayer seit Jahren nichts mehr gelesen. Seit" Das Herz ist eine miese Gegend" und Einsam, zweisam, Dreisam" die mir beide ein bisschen Melancholie ins Herz setzten.

  • Habe das Buch an einem Tag durchgelesen. Erst einmal angefangen konnte ich es nicht mehr zur Seite legen. Der Schluß hat mich dann ein wenig erschlagen, damit hätte ich nie gerechnet. Hätte mir irgendwie einen anderen Schluß gewünscht. Trotzdem ein schönes und empfehlenswertes Buch.

  • Ein Buch über das Älterwerden und das Erwachsenwerden, ein Buch über Liebe und Zweifel, über Treue und Versuchung, über Suchen und Finden, über Nähe und Angst vor Nähe. Ein Buch der Sorte, das nicht der Leser in einem Zug einsaugt, sondern das den Leser einsaugt und auch wenn es ausgelesen ist, wenn man nach 203 Seiten von dem Buch wieder entlassen wird, lässt es den Leser in Wahrheit noch lange nicht los.


    Dabei schreibt der Autor eine schnörkellose Sprache, es könnte beim Abendessen beim Italiener bei einem Glas Rotwein der Herr Nachbar erzählen, nichts gekünsteltes, verkitschtes in der Sprache. Ein Roman über Liebe, kein Liebesroman. Einfach wunderschön und der Schluß ist zwar heftig, aber auch stimmig.


    Was man sonst noch schreiben wollte, wäre zuviel verraten- und niemand sollte vom Lesegenuss, von der Entdeckung dieses Buches und vorallem vom Lesen abgehalten werden, dadurch, dass er die gedanklichen Perlen, die das Buch seinem Leser bietet und die Enwicklungen die es enthält zu früh vorgelegt werden.


    Fazit: Unbedingt Lesen.

  • Ich habe dieses Buch heute in einem Zug durchgelesen. Es fing langsam an, erst wollte ich es doch wieder weglegen, aber dann hat es mich gepackt. Wie wird aus einem harmlosen Fanbrief per E-Mail eine Verstrickung erotischer Art, obwohl beide doch schreiben, dass sie eben dieses nicht wollen?


    Das Ende hat mich erschüttert, ich wollte es nicht glauben und nachdem ich das Buch zugeklappt habe, dachte ich nur, ob es ein gutes oder schlechtes Ende war, auf jeden Fall hat es mich berüht und hängt noch eine Weile in meinem Gedächtnis.


    Lesenswert, auf jeden Fall.


    Das gibt 9 Punkte.


  • Ich habe am Ende geweint. Ich schwöre.
    Schön, dass es Dir auch so gut gefallen hat! :wave

  • Ich mag Briefromane. Auch Email-Romane. Als mir allerdings dieses Buch empfohlen wurde, war ich skeptisch, denn die Thematik "Älterer Mann und junges Mädchen" interessierte mich nun so gar nicht. Zum Glück habe ich dieses Buch trotzdem gelesen!
    Es ist eine alltägliche Geschichte: Christian ist gerade 50 geworden, seit vielen Jahren verheiratet und steckt ein wenig in der Krise: Er ist zu jung, um alt zu sein. Als er die mail der 22-jährigen Jana bekommt, fühlt er sich geschmeichelt. Aus diesem Gefühl heraus antwortet er und es entspinnt sich ein zunächst federleichter mailwechsel. Als Janas Freund jedoch mehr als eifersüchtig reagiert, nimmt die Bekanntschaft eine andere Dimension an.
    Auf gerade einmal 203 Seiten entspinnt sich eine faszinierende Geschichte, die weit über das Klischee des Mannes in der Midlife-Crisis hinausgeht. Kurz und pointiert erzählt der Autor die Geschichte dieser Liebelei, die keine ist.
    Mein einziger Kritipunkt ist das Ende. Und zwar nicht, weil es so ist, wie es ist. Das ist durchaus passend. Aber es kam für meinen Geschmack viel zu abrupt. Fairerweise muß ich allerdings zugeben, daß gerade dieses Abrupte einen Knalleffekt setzt und damit eindringlich ist.


    Fazit: unbedingt empfehlenswert!

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

  • Die beiden Romane, die ich bislang von Thommie Bayer gelesen hatte, haben mir ganz gut gefallen; zwar nicht überragend, aber doch besser als durchschnittlich. Und auch "Singvogel" hat seinen Reiz, doch leider waren mir - wie schon bei "Das Aquarium" - recht früh die Paukenschläge klar, die noch kommen würden. Keine Ahnung, wieso, ich glaube, ich habe so etwas schon einmal gelesen oder in einem Film gesehen, jedenfalls waren die Wendungen für mich keine Überraschung mehr.
    So ist "Singvogel" für mich ein nettes Büchlein, das sich sehr flott lesen läßt und das von der Tonart her zu gefallen weiß, mehr aber auch nicht.