Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Die Macht des mittelalterlichen Frauenbildes – und wie wir uns endlich von ihm befreien
Wie sieht die ideale Frau aus? Wie sollte sie lieben, fühlen, sein? Über diese Fragen zerbrachen sich im Mittelalter vor allem Männer den Kopf. Attraktiv wie die mythische Helena von Troja wünschten sich die etablierten Denker die Frauen. Zugleich verspotteten sie »Evas Töchter« als übersexualisierte Sünderinnen – unersättlich und von Natur aus schwach.
Die Historikerin Eleanor Janega stellt diesen männlichen Theorien reale Frauen gegenüber – berühmte wie Eleonore von Aquitanien und Hildegard von Bingen, aber auch solche, deren Leben in den Quellen verborgen blieben. Wir erfahren, wie die Frauen dieser Zeit wirklich lebten: Sie waren nicht nur Mütter, sondern auch fleißige Bäuerinnen, Bierbrauerinnen, Textilarbeiterinnen, Künstlerinnen, Kunsthandwerkerinnen. Als solche ebneten sie den Weg für neue Ideen über die Natur, den Intellekt und die Fähigkeiten von Frauen.
Die ideale Frau zeigt, wie mittelalterliche Vorstellungen von Weiblichkeit entstanden und fragt, wie es sein kann, dass sie ihre Wirksamkeit bis heute nicht verloren haben. Wollen wir uns nicht endlich von den einengenden Geschlechterklischees befreien?
Autorin (Quelle: Verlagsseite)
Dr. Eleanor Janega lehrt mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte an der London School of Economics. Ihre Forschung konzentriert sich auf Sozialgeschichte mit den Schwerpunkten Sexualität, Propaganda und apokalyptisches Denken im Spätmittelalter. Sie betreibt den erfolgreichen Blog Going Medival und lebt in London.
Allgemeines
Titel der Originalausgabe: „The Once and Future Sex”, ins Deutsche übersetzt von Karin Schuler
Erschienen am 28.09.2023 bei Ullstein eBooks, entsprechend einer Seitenzahl von 352 Seiten (Print)
Gliederung: Einführung – Fünf Teile, jeweils in mehrere Kapitel gegliedert – Danksagung – Anmerkungen/Quellenangaben
Inhalt und Beurteilung
Trotz aller Bemühung um Gleichberechtigung sind Frauen im 21. Jahrhundert immer noch den Männern gegenüber benachteiligt und sehen sich bestimmten gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber. Ob sie für die gleiche Arbeit einen geringeren Lohn bekommen, ob sie trotz ihrer Berufstätigkeit den Bärenanteil der Haus- und Erziehungsarbeit leisten, ob sie attraktiv genug, aber nicht zu attraktiv (und damit möglicherweise promiskuös) sind, ob sie bei ärztlichen Behandlungen fälschlicherweise am männlichen Körper gemessen werden – auch heute herrschen spezielle Vorstellungen über die „ideale Frau“.
Eleanor Janega untersucht die historischen Gegebenheiten, die zu dieser Entwicklung geführt haben, dabei stellt sie fest, dass die mittelalterlichen Anschauungen über die „Minderwertigkeit“ von Frauen nicht erst mit dem Christentum aufkamen, sondern in der Antike wurzeln. Bereits antike Philosophen und Ärzte stellten die These auf, dass Frauen im Gegensatz zu den trockenen und heißen Männern feucht und kalt seien, weswegen ihre Gebärmutter quasi beschäftigt sein müsse, um schlechte „Säfte“ abzubauen – dazu seien sexuelle Betätigung und Schwangerschaften erforderlich, ansonsten wandere die Gebärmutter im Körper umher und sorge für Störungen (Hysterie). In antiken Werken wird auch auf die wünschenswerte natürliche Schönheit der Frauen Bezug genommen, ohne diese jedoch näher zu definieren. Erst im Mittelalter entwickelten die Männer dazu genauere Vorstellungen. Große Sorgen bereiteten vor allem den Geistlichen die verderblichen sexuellen Gelüste der angeblich unersättlichen Frauen, die Männer zur Sünde verführen könnten. Die Kirche legte großen Wert darauf, den Eheleuten ein restriktives Sexualleben vorzuschreiben, das ausschließlich und ohne ungezügelte Lust der Zeugung von Kindern diente.
Auch wenn Ehe und Mutterschaft als die wichtigsten Aufgaben im Leben einer Frau angesehen wurden, so arbeiteten die mittelalterlichen Frauen in vielen Berufen, oft unbezahlt und mit wenig Anerkennung. Ein Großteil war in der Landwirtschaft tätig, aber es gab auch städtische Arbeiterinnen (Handwerkerinnen), Künstlerinnen, Frauen in medizinischen Berufen (Pflege, Geburtshilfe) und Sexarbeiterinnen. Außerdem stellt die Autorin die besonderen „Arbeitsprofile“ religiöser Frauen und weltlicher Herrscherinnen vor.
Diese in einem sehr flüssigen und teilweise auch humorvollen Sprachstil gehaltenen Schilderungen vermitteln dem Leser einen guten Eindruck davon, weshalb selbst im 21. Jahrhundert und auch in der westlichen Welt noch eine Benachteiligung von Frauen zu konstatieren ist. Die Einsichten in die historischen Ursachen dieser Ungleichheit sollten ein Anlass sein, alte Muster aufzubrechen.
Fazit
Ein gut strukturiertes und mit schönen Illustrationen versehenes Sachbuch, das auch für Leser ohne vertiefte Geschichtskenntnisse problemlos verständlich ist! Lediglich das Gendern mit Doppelpunkten (in der deutschen Ausgabe), das die Übersetzerin offenbar bei feministischer Literatur für angebracht hielt, stört ein wenig.
9 Punkte
ASIN/ISBN: B0C1JLWVPX |