Fischer, 2023
240 Seiten
Kurzbeschreibung:
1976, im Dresdner Vorort Gittersee: Karin ist 16, hütet ihre kleine Schwester und hilft der renitenten Großmutter im Haushalt, die ihrer Zeit als Blitzmädel hinterhertrauert. Karins Vater verzweifelt an der Reparatur seines Škodas wie an der des Familienlebens, und ihre Mutter würde am liebsten ein anderes Leben führen. Aufgehoben fühlt sich Karin bei ihrer Freundin Marie, dem einzigen Mädchen in der Klasse, das später nicht etwas machen, sondern etwas werden will: die erste Frau auf dem Mond. Und Karin ist verliebt: in ihren Freund Paul, der gerne Künstler wäre, aber im Schacht bei der Wismut arbeitet. Als Paul zu einem Ausflug aufbricht und nicht mehr zurückkommt, stehen eines Nachts zwei Uniformierte vor der Tür, und Karins Welt gerät aus den Fugen.
In diesem eindringlichen Debütroman erzählt Charlotte Gneuß von einer Welt, die es nicht mehr gibt und von der Frage, ob Unschuld möglich ist.
Über die Autorin:
Charlotte Gneuß, 1992 in Ludwigsburg geboren, studierte Soziale Arbeit in Dresden, literarisches Schreiben in Leipzig und szenisches Schreiben in Berlin. Sie veröffentlicht in Literaturmagazinen, ist Gastautorin von »ZEIT Online«, war u. a. bei Textwerkstätten der Jürgen Ponto-Stiftung und der Kölner Schmiede geladen, ist Gewinnerin des Leonhard-Frank-Stipendiums für neue Dramatik und Herausgeberin der Anthologie »Glückwunsch«, die bei Hanser Berlin erschien. Immer wieder nähert sich Gneuß schreibend der DDR, der Realität und der Utopie, in der ihre Eltern aufwuchsen und die es heute nicht mehr gibt.
Mein Eindruck:
Gittersee ist ein intensives Buch über die DDR im Jahr 1976. Schauplatz ist der titelgebende Dresdener Schauplatz Gittersee. Erzählt wird aus dem Blickwinkel der 16jährigen Schülerin Karin, die sehr überrascht ist, als plötzlich ihr Freund verschwindet. Vermutlich Republikflucht. Karin gerät unter Druck durch die Stasi.
Charlotte Gneuß zeigt die gesamten Lebensumstände. Man erlebt Karins Situation hautnah mit.
Die Autorin ist in Westdeutschland geboren, aber ihre Eltern hatten die DDR verlassen. Die Stimmung der Zeit ist glaubhaft dargestellt. Charlotte Gneuß hat gut recherchiert, jedenfalls erscheint es mit plausibel. Das Buch lässt sich wirklich gut lesen. Manchen Passagen haben etwas Coming-of-Age mäßiges an sich. Dieses heranwachsen ist aber auch beeinflusst durch die Überwachung durch die Stasi, die gegensätzlichen Bespitzelungen. Dazu kommen gewöhnliche Familienprobleme, als die Mutter die Familie verlässt. Auch bei Karins Freundinnen gibt es Fehlstellen, z.B. Maries Vater, der schon lange in den Westen gegangen ist.
Fazit: eine Leseempfehlung!
ASIN/ISBN: 3103970889 |