Schreibwettbewerb 01.09.2023 - 31.10.2023 Thema: "Grün"

  • Thema 01.09.2023 - 31.10.2023:


    "Grün"


    Vom 01.09.2023 bis 31.10.2023 23:59 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den aktuellen Schreibwettbewerb zum Thema „Grün“ per PN (Sprechblasensymbol, „Konversationen“) zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 01.11.2023 eingestellt.


    Wer mitschreiben möchte, sendet bitte eine PN an den Account SchreibwettbewerbOrg. Wir schicken euch dann die Zugangsdaten für den Account Schreibwettbewerb. Das Passwort bitte vertraulich behandeln! Ihr meldet euch als Schreibwettbewerb an und sendet euren Beitrag an SchreibwettbewerbOrg. Dadurch sind alle Beiträge anonym. Nach der Veröffentlichung (nach dem 31.10.2023) sendet bitte eine zweite PN mit dem Titel eures Beitrags und eurem Namen an SchreibwettbewerbOrg, damit wir die Beiträge zuordnen können. Das Orga-Team wird erst nach der eigenen Punktevergabe in diese Beiträge schauen.


    Regeln:

    - Die Grenze für die Beiträge ist bei 600 Wörtern.

    - Abgabeschluss ist um Mitternacht.

    - Mitschreiben darf, wer mindestens 50 buchrelevante Beiträge hat oder seit mehr als 6 Monaten Mitglied ist.

    - Abstimmen darf, wer mindestens 25 buchrelevante Beiträge hat oder seit mehr als 3 Monaten Mitglied ist.

    - Als Thema vorgegeben werden kann ein Wort, ein Satz oder ein (selbstgeknipstes/gezeichnetes) Bild (ihr müsst das Urheberrecht haben).


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 600 Wörter zu verwenden. Wir behalten uns vor, Beiträge mit mehr als 600 Wörtern nicht zum Wettbewerb zuzulassen!

  • Ein ganz bestimmter Umschlag

    von R. Bote


    Die Sommerferien waren zur Hälfte vorbei, Zeit also, sich um den Schulbedarf fürs nächste Schuljahr zu kümmern. Linda hatte drei Listen an der Pinnwand hängen, die sie abarbeiten musste, die längste war die für ihren Sohn Joshua. Er würde nach den Ferien aufs Gymnasium kommen, seine Schwestern Raphaela und Tabea dagegen erst in die zweite und vierte Klasse.

    Den Großteil der Sachen hatte Linda schon gekauft. Es gab ja kaum einen Supermarkt, der nicht um diese Jahreszeit Schulbedarf ins Angebot nahm, da hatte sie den Grundstock schnell zusammen gehabt. Aber ein paar Dinge waren zu speziell, Joshua brauchte zum Beispiel für den Musikunterricht ein Notenheft.

    Linda fand, dass er mit fast elf Jahren alt genug war, die restlichen Sachen selbst zu besorgen, auch wenn er dafür mit dem Bus in die Stadt fahren musste. In drei Wochen würde er diese Tour täglich machen, das Gymnasium lag am Rand der Innenstadt. Tabea begleitete ihn, sie würde unter anderem ein Heft mit Übungsaufgaben abholen, das Linda in ihrer Stammbuchhandlung für sie bestellt hatte.

    Linda war gerade dabei, die Spülmaschine auszuräumen, als ihr Handy eine eingehende Nachricht signalisierte. Weil die Kinder unterwegs waren, schaute sie direkt nach, und tatsächlich war die Nachricht von Joshua. „Wir kriegen den grünen Umschlag nicht“, textete er. „Ausverkauft.“ „Macht nichts“, tippte Linda. Sie wollte schreiben, dass sie den Umschlag – ein Schutzumschlag fürs Deutsch-Klassenarbeitsheft – dann eben beim nächsten Mal mitbringen würde. Doch dann überlegte sie es sich anders und rief lieber an. Neben dem Schreibwarenladen gab es auch noch die Schreibwarenabteilung im Kaufhaus, dort konnten Joshua und Tabea es auch noch versuchen.

    Aber auf die Idee waren die Kinder selbst schon gekommen. „Auch nichts“, berichtete Joshua. Im Kaufhaus waren besagte Umschläge genauso ausverkauft wie im Schreibwarenladen. Er hatte auch schon nachgefragt, wann sie wieder reinkommen würden. „Die wissen nicht, wann sie wieder welche haben“, sagte er. „Sie haben sie bestellt, aber die Firma schickt keine.“

    „Na ja, halb so schlimm“, entschied Linda. „Ein bisschen Zeit ist ja noch, und wenn sie gar nicht mehr zu kriegen sind, dann muss es ein anderer tun. Klappt bei Tabbi und Rapha ja auch.“ Auch die Mädchen mussten Schutzumschläge in bestimmten Farben an den Heften haben, aber die Grundschule hatte im Gegensatz zu Joshuas neuer Schule keine Marke vorgegeben.

    Linda kaufte lieber vor Ort, trotzdem schaute sie nach, ob der Umschlag online zu bekommen war. Schwierig, stellte sie fest. Zwei Anbieter fand sie auf den großen Plattformen, und die nahmen Mondpreise. 4,50€ pro Stück war das billigste Angebot, zuzüglich Versand. Das war Wucher, auch wenn der Hersteller eine Manufaktur war.

    Über das Sekretariat der Schule, das zum Glück auch in den Ferien E-Mails beantwortete, kam Linda an die Kontaktdaten der Klassenlehrerin. Von der kam die Vorgabe mit dem Umschlag, und vielleicht wusste sie gar nicht, wie schwer der derzeit zu bekommen war. Doch die Lehrerin blieb dabei: Es musste genau dieser Umschlag sein.

    Die Vehemenz kam Linda merkwürdig vor, auch wenn sie es prinzipiell löblich fand, regionale Unternehmen mit nachhaltiger Produktion zu unterstützen. Eigentlich wollte sie keinen Ärger mit der Lehrerin, ehe Joshua sie überhaupt kennengelernt hatte, aber anders ging es wohl nicht.

    Am Abend rief sie erneut an. „Nur damit Sie Bescheid wissen:“, sagte sie, „Joshua wird einen ganz normalen grünen Umschlag an sein Deutschheft machen, und Sie werden ihm deswegen keinen Ärger machen. Sonst könnte ich mir noch mal überlegen, ob es mir wirklich reicht, wenn Sie geräuschlos die beiden Accounts dichtmachen, über die Sie die Sachen fürs Doppelte oder Dreifache von dem verkaufen, was ihre Schwester bekommen würde, wenn sie sie an die Läden liefert.“

  • Idiotentest

    von Inkslinger


    Mark rutscht auf seinem Stuhl hin und her. Sein Blick schweift durch den reizlosen Konferenzraum. Außer ihm sind noch sechs Männer zum Nachsitzen angetreten. Sie sind offensichtlich genauso scharf darauf, ihren Samstagmorgen hier zu verbringen, wie er. Überall murrt und knurrt es.

    Gerade, als Mark ernsthaft einen Spaziergang im Regen in Betracht zieht, betritt ein Mann das Zimmer. Im Gegensatz zu den Anwesenden lächelt er.

    »Guten Morgen! Ich bin Alex, euer Coach für heute.«

    Er wartet die Rückbegrüßung ab, die aus ein paar Brummern besteht, und fährt fort. »Meine Herren, wir starten mit den Grundlagen. Wie viele Farben gibt es im Lloyd-Webber-Farbsystem?«

    »29«, brummt das Publikum im Chor.

    »Exakt. Es gibt 29 Farben, die unser soziales Leben erleichtern. In der Vergangenheit mussten die Menschen anhand von Körpersprache und Mimik Stimmung und Gefühle ihres Gegenübers deuten.« Alex lacht. »Wie ihr euch vorstellen könnt, war das ein gefährliches Glücksspiel. Streit, Unzufriedenheit und sogar Krieg waren die Folgen. Heutzutage geht es uns besser. Dank dieser Schätze.«

    Er deutet erst auf seinen linken, dann auf seinen rechten Oberarm, an denen quadratische Anzeigen leuchten. »Na, wie heißen die?«

    Mark seufzt. »Affekt- und Stimmungsmessungsvorrichtungen.«

    »Exakt! Oder abgekürzt Emo- und Mood-Screens. Links die kurzfristigen, rechts die langfristigen Gefühle einer Person.«

    Ein bulliger Typ schiebt geräuschvoll seinen Stuhl zurück. »Was soll diese Kinderkacke! Das ist mir zu blöd!«

    Alex geht zu ihm und setzt sich mit einer Arschbacke auf seinen Tisch. »Bist du freiwillig hier?«

    »Natürlich nicht!«

    »Warum gehst du nicht einfach?«

    Der Typ senkt den Blick. »Gerichtliche Anordnung. Wenn ich hier nicht teilnehme, muss ich in den Knast.«

    »Exakt. Also, mach einfach mit. Nur für einen Tag, ja?«

    »Muss ich wohl …«

    Alex steht auf. »Exakt. Also, beantworte mir gleich die nächste Frage: Wieso tragen alle Kinder zwischen fünf und zehn während des Farbentrainings eine Vollgesichtsmaske?«

    »Weil Gesichter lügen. Das lenkt die Kleinen von den Screens ab.«

    Alex steht mittlerweile wieder vorn im Raum. »Exakt. Dann gehen wir mal alle Farben durch.«


    Quälende zwei Stunden später sind alle Gefühle und ihre passenden Farben durchgekaut und wieder ausgespuckt.

    Schon als Kind hat Mark sie gehasst. Die Farbskala ist so willkürlich. Es gibt vier verschiedene Lila- und sechs Rottöne, aber nur je zwei gelbe, blaue und grüne. Außerdem ist sie alles andere als intuitiv. Warum soll ein gedecktes Grau mit Gereiztheit und ein strahlendes Weiß mit Verzweiflung in Verbindung gebracht werden?

    Alex grinst. »Freunde, das war die Theorie. Jetzt folgt die Praxis.«

    Er nimmt einen Stapel Broschüren vom Tisch und verteilt sie. »Ihr habt vier Stunden für hundert Fragen. Danach gibt es für jeden eine mündliche Einzelprüfung. Diejenigen, die durchfallen, sehe ich nächsten Samstag wieder.«

    Mark atmet tief durch und spricht ein stilles Gebet.

    Bitte lass es Fotos mit Erwachsenen sein …

    »Die Zeit läuft. Viel Erfolg, Freunde.«

    Mark schlägt das Heft auf und muss einen erleichterten Furz unterdrücken. Auf den Klausurfotos sind keine Masken!

    Beschwingt nimmt er seinen Kuli und legt los. Kaum eines der Fotomodelle hat seine Mimik unter Kontrolle. So ist es für ihn ein Leichtes, sie zu lesen, und er kann die verwirrenden Farben der Screeneranzeigen ignorieren.

    Alex würde es Schummeln nennen, Mark nennt es Anpassung. Ohne sie wäre er längst von der Gesellschaft verstoßen worden. Soziale Fauxpas werden hart bestraft. Ein einzelner Fehltritt hat ihn hierher gebracht. Er mag gar nicht daran denken, was sie mit ihm machten, wüssten sie von seiner Rot-Grün-Schwäche …

    Dreieinhalb Stunden später ist er fertig und atmet auf, kann sich aber nicht entspannen. Der schwierige Teil liegt noch vor ihm. Zitternden Knies steht er auf und folgt Alex in den Nebenraum.

    Bitte, bitte, alles, nur kein Grün …

  • März

    von Breumel


    Der Himmel grau, die Luft feuchtkalt,

    die Bäume kahl im düst‘ren Wald.

    Die Stimmung trüb, die Seele schwer,

    in meinem Kopf ist’s still und leer.


    Die Menschen wirken leichenblass.

    Die Taschentücher triefendnass.

    Die Hunde müssen aus dem Haus.

    Freiwillig geht heut keiner raus.


    Im Winter möchte ich Katze sein:

    ich blieb den ganzen Tag daheim.

    Schlafen, Essen, gar nichts tun

    um mich vom Spielen auszuruhn.


    Es mangelt jeglich Tatendrang,

    der Weg zur Arbeit ist heut lang.

    Mechanisch Schritt um Schritt ich setze,

    find ich doch keinen Grund zur Hetze.


    Von allen Wegen Husten bellt.

    Nur mühsam wird der Tag erhellt.

    Schwarz und braun, wohin ich blick –

    ich möchte in mein Bett zurück!


    Gar ungemütlich ist die Welt.

    Doch als mein Blick zur Seite fällt

    bleib ich verwundert plötzlich stehn:

    Was ist’s, dass ich da glaub zu sehn?


    Ist es soweit? Ich glaub es kaum

    was ich da sehe an dem Baum.

    Ein kleines grünes Blättchen schaut

    aus seiner glatten, braunen Haut.


    Mein Herz vor Freude tanzen will,

    trübe Gedanken stehen still,

    der Schritt beschwingt, der Rücken grad,

    weil voll Elan der Frühling naht!


    Ein Lächeln hüpft in mein Gesicht

    als Sonne durch die Wolken bricht.

    Ein Hauch von Wärme auf der Haut

    macht, dass die kalte Stimmung taut.


    Ich seh des Baumes grüne Zier.

    Die Welt erstrahlt, und ich mit ihr!

    Und so der Jahreszeitenlauf

    zieht mich hinab und fängt mich auf.

  • Orchesterprobe

    von polli


    „Sanft, nicht mit voller Lautstärke beginnen. Stellt euch vor, dass dieses Stück eine Geschichte erzählt. Sie beginnt damit, dass der Musiker eine schöne Frau sieht, diese aber unerreichbar für ihn ist.“


    Vorsichtig legt William seine Laute ins Gras und späht durch die Hecke. Er kann nur einen kleinen Teil des Schlossparks sehen, doch was sich seinem Auge bietet, ist unbeschreiblich: Exotische, in allen Farben blühende Pflanzen säumen die Kieswege, der Rasen ist gleichmäßig geschnitten und frei von jeglichem Unkraut. Auf der Bank neben dem steinernen Brunnen liegt eine Stickerei.


    „Ab Takt 9 noch einmal, die Streicher spielen hier weiter, der Bass kommt dazu. Moderat, sonst bleibt das Crescendo ohne Wirkung. Irgendwer hat vorhin ein g statt gis gespielt. Konzentration, Leute, das darf heute Abend nicht passieren!“


    Eine Lady in einem dunkelgrünen Samtgewand nähert sich der Bank und lässt sich darauf nieder. Ihr kastanienbraunes Haar ist hochgesteckt. Eine lockige Strähne löst sich, graziös schiebt sie die Haare zurück in den Dutt. William hält den Atem an. Ihre zarte Hand ist wunderbar weiß, ganz anders als bei den Mädchen in den Bauerndörfern. An ihrem Handgelenk ist der Ärmel mit kostbarer Spitze verziert. Was für ein Anblick! William seufzt leise.


    „Stopp! Hat da irgendwer gebrummt? Mehr Ernst, bitte. Geschichtswissen am Rande: Musiker waren damals von einem äußerst niedrigen Rang, undenkbar also, dass die Lady mit einem von ihnen ins Gespräch kommt. Bleibt nur die Möglichkeit, die Sehnsucht durch Musik auszudrücken. Nichts anderes machen heutige Songwriter, auch unsere Schulband. Erinnert euch an ihren letzten Auftritt. — Entschuldigt, ich habe vergessen, dass zwei von euch nicht nur hier im Orchester mitspielen, sondern auch in der Band sind. So, bevor ihr unruhig werdet: Wir machen mit dem G-Dur-Teil weiter. Bitte mit mehr Lautstärke herausarbeiten, dass dieser Teil ohne Auftakt startet und fast schon fröhlich klingt.“


    William gibt sich einen Ruck. Er wird sie jetzt ansprechen. „Schöne Lady, darf ich einige Worte mit Ihnen wechseln? Ich bin hier, hinter der Hecke.“

    Zu plump. Pfeifen? Nein.

    „Hallo schönes Fräulein, haben Sie heut Zeit,

    mit mir auszugehen, nur zum Zeitvertreib?

    Wir gehen über Felder, streifen durch den Wald …“


    „Ha, erwischt! Hier sitzt also der Störer, der die ganze Zeit Geräusche von sich gibt. Kann es sein, dass du gerade einen Schlager gesummt hast? Und kann es sein, dass du ganz kurz vorm Rauswurf bist? Wer unser Orchesterprojekt derart torpediert, ist hier fehl am Platze. Ist das allen klar?“


    Betretenes Schweigen. „G-Dur-Teil noch einmal. Und daran denken, dass dieser kurze Optimismus sofort wieder in Moll übergeht. Die beiden finden nie zueinander, nicht in der ersten Strophe und in den beiden folgenden auch nicht.“


    William schüttelt den Kopf. Er ist ein heimatloser Musikant und er wird die Lady niemals für sich einnehmen. Er unterdrückt ein Seufzen und wirft einen letzten Blick durch die Hecke. Dann greift er das Band seiner Laute, wirft sie sich über die Schulter und zieht weiter. Eine schlichte Melodie fällt ihm ein und seine Hände gleiten über die Saiten seines Instruments wie verzauberte Federflügel.


    „Geht doch, ihr Banausen! Hier, mein spezieller Freund mit seiner Vorliebe für Schlagermelodien, der hat sich gerade besonders zusammengerissen. Heute Abend muss unser Greensleeves klingen wie der Gesang der Nachtigall in einer silbernen Mondnacht. Haben wir uns verstanden? Und jetzt raus mit euch, zehn Minuten Pause.“